20 Jahre Alumni-Verein der Juristischen Fakultät
29.10.2019Vor 20 Jahren gründete sich der Alumni-Verein an der Juristischen Fakultät der Uni Würzburg. Heute zählt dieser fast 2000 Mitglieder. Aus diesem Anlass startete kürzlich eine hochkarätige Ringvorlesung zum Thema „Abwägung“.
Justitia, die Frau mit Schwert, Waage und verbundenen Augen, symbolisiert seit langem das abwägende Element in der juristischen Welt. Aber welchen Stellenwert besitzt der Begriff „Abwägung" in der heutigen Rechtsprechung und Gesetzgebung? Eine hochkarätig besetzte Ringvorlesung aus Anlass des 20-jährigen Jubiläums des Alumni-Vereins der Würzburger Juristinnen und Juristen an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) betrachtet diesen ambivalenten Begriff im Wintersemester 2019/2020 aus ganz unterschiedlichen fachlichen Blickwinkeln.
Viel mehr als nostalgische Gefühle
Vor 20 Jahren waren Alumni-Vereine hierzulande rar gesät, in anderen Ländern hingegen besaßen sie oft lange Traditionen. Inspiriert durch das Alumni-Wesen US-amerikanischer Universitäten gründete sich 1999 um Professor Franz-Ludwig Knemeyer, emeritierter Ordinarius des Lehrstuhls für Staats- und Verwaltungsrecht, an der Juristischen Fakultät der JMU mit den „Juristen ALUMNI“ der erste deutsche juristische Alumni-Verein. Schnell avancierte dieser zum Vorbild weiterer Alumni-Vereinsgründungen.
Dass diese Gemeinschaft mehr leisten kann, als die bloße Bewahrung nostalgischer Erinnerungen an die eigene Lehr- und Lernzeit, hat sie in ihrer Geschichte eindrucksvoll unter Beweis gestellt: „Trotz der von Anfang an sehr niedrigen Mitgliedsbeiträge haben wir durch vorsichtiges Wirtschaften und die engagierte Einwerbung von Spenden so viele Mittel gewonnen, dass wir die Fakultät, ihre Professorinnen und Professoren sowie ihre Studierenden mit mehreren 100.000 Euro unterstützen konnten. Derzeit fördern wir die Fakultät mit etwa 40.000 Euro jährlich“, freut sich Prof. Eric Hilgendorf, Leiter des Alumni-Vereins und Lehrstuhlinhaber für Strafrecht, Strafprozessrecht, Rechtstheorie, Informationsrecht und Rechtsinformatik.
Prominente Vortragende
Dank der Spende der Juristen ALUMNI in Höhe von 35.000 Euro konnte der heutige „Alumni-Hörsaal“ im Gebäude der alten Universität in der Domerschulstraße renoviert und für den Lehrbetrieb nutzbar gemacht werden. Auch die Einrichtung der Cafeteria im Gebäude der Fakultät und die Eröffnung des geschichtsträchtigen Max-Stern-Kellers gehen auf Initiativen der Würzburger Juristen ALUMNI zurück. „Wir verbinden die Generationen und schaffen Kontinuität und Zusammenhalt in einer Zeit, in der die gesellschaftliche Verbundenheit bedroht zu sein scheint wie nie zuvor“, betont Hilgendorf.
Zum 20-jährigen Jubiläum plante Eric Hilgendorf anstelle eines Festaktes ein besonderes Format: Mit einem Vortrag im Alumni-Hörsaal wurde am 22. Oktober eine Ringvorlesung eingeläutet, die von prominenten Rednerinnen und Rednern geprägt ist; viele von ihnen mit langjährigen engen Beziehungen zur Universität Würzburg. So befinden sich Professor Dieter Grimm, ehemaliger Richter am Bundesverfassungsgericht, sowie der einstige Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof, Professor Thomas Fischer, unter den Vortragenden der Vorlesungsreihe.
Abwägung: ein ambivalenter Begriff
In der Auftaktveranstaltung blickte der Juristen ALUMNI-Ehrenvorsitzende Franz-Ludwig Knemeyer zurück auf 20 erfolgreiche Jahre des Vereins. Anschließend erhielten die Zuhörerinnen und Zuhörer im voll besetzten Alumni-Hörsaal einen Vorgeschmack darauf, was die Ringvorlesung im Wintersemester bietet: Professor Eric Hilgendorf und Professor Florian Meinel, Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Juristischen Fakultät, stellten in zwei Vorträgen zahlreiche Facetten der „Abwägung“ vor.
Dazu wurde zunächst die „Karriere“ des Begriffs analysiert, der ursprünglich aus dem Verwaltungsrecht stammt und mittlerweile in vielen weiteren Rechtsgebieten Anwendung findet. Anschließend wurde er in Bezug zum Ausdruck der „Verhältnismäßigkeit“ gesetzt – Begriffe, die gerne, aber häufig unzulässig, synonym verwendet werden. Letztlich wurde erörtert, wer überhaupt die Frage nach der Abwägung stelle, da diese heutzutage oft in die Anwendungsbereiche privatwirtschaftlicher Akteure falle.
Bündel statt Schwert – die Würzburger Justitia
Eine spannende Frage wurde an diesem Abend geklärt: Warum muss die Statue der abwägenden „Justitia“ ausgerechnet in der prominenten Darstellung auf dem Würzburger Vier-Röhren-Brunnen auf Schwert und Augenbinde verzichten – und besitzt stattdessen ein Stabbündel mitsamt Axt?
Eine geschichtliche Spurensuche löst das Rätsel: Das Stabbündel symbolisiert die „Gerichtsherrschaft“ – eine bis in die jüngere Zeit hinein existierende Aufteilung der Gerichtsgewalt, bei der Grundherren, eine Gemeinde oder eine Institution über kleinere Delikte selbst urteilen konnten. Die fehlende Augenbinde der Würzburger Justitia nimmt Bezug auf eine Darstellungsform, die bis in das 16. Jahrhundert hinein populär war. Erst danach wurden ihre Abbildungen verstärkt mit Augenbinden versehen.
Nicht nur dieses Beispiel zeigt, dass Themen aus juristischen Fachgebieten vielfältige interdisziplinäre Anknüpfungspunkte bereithalten – auf die die Zuhörenden der Ringvorlesung, zurecht gespannt sein dürfen.