„Ära des Lebens“
05.10.2021Mehr als 100 Alumni und Alumnae, deren Studienabschluss 15, 25 oder 50 Jahre zurückliegt, kamen zur Jubilarfeier. Im Hörsaalzentrum erhielten sie Zertifikate und einen Alumnigruß.
„Sie bilden ein unverzichtbares Kapital für die Universität sowie die Gesellschaft“, wandte sich Professor Paul Pauli an die mehr als 100 Alumni und Alumnae, die vor 15, 25 oder gar 50 Jahren ihr Universitätszeugnis in Würzburg erhalten hatten. „Als BotschafterInnen, MentorInnen, NetworkerInnen und UnterstützerInnen sind sie für den fruchtbaren Wissensaustausch und als Vernetzungsinstanz ganz essenziell“, betonte der Präsident der Julius-Maximilian-Universität (JMU) Würzburg.
Zum Foto in den Talar
Zum inzwischen dritten Mal hatte das Team um Alumni-Referentin Michaela Thiel eine Jubilarsfeier organisiert – nicht zuletzt, weil in der Vergangenheit einstige Studierende häufiger beklagt hatten, dass die Zeugnisübergabe nach erfolgreichem Studium oft als ein doch eher unspektakulärer Verwaltungsakt oder schlicht per Post erfolgt sei.
Umso feierlicher war nun die Jubilarfeier, wenn auch heuer pandemiebedingt ohne anschließenden Empfang. Die Ehemaligen bekamen persönlich ihre Jubilarszertifikate und einen Alumnigruß überreicht und durften fürs Foto, akademisch angemessen, in Talar und Doktorhut schlüpfen. Musikerin Anja Günther, Absolventin der Würzburger Hochschule für Musik, begleitete die Feier im Zentralen Hörsaalgebäude am Hubland auf dem Schweizer Klanginstrument Hang und auf der Klarinette.
Laudation für einen ehemaligen Vizepräsidenten
Mit einer eigenen Laudatio bedachte Dirk Kiesewetter, Lehrstuhlinhaber der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, Jubilar Professor Wolfgang Freericks. Der gebürtige Allgäuer, Jahrgang 1940, war zum Studium der Wirtschaftswissenschaften und Geografie einst nach Würzburg gekommen, wo er später auch promovierte und habilitierte. Einen Ruf an die Universität Hohenheim lehnte er 1976 ab, folgte aber im gleichen Jahr dem Ruf auf den Lehrstuhl der Würzburger Wissenschaftlichen Universität. Seine Professur hatte er bis 2006 inne, von 1993 bis 2003 war er Vizepräsident der JMU. Auch später blieb er dem Lehrstuhl eng verbunden. Einen „Herzlichen Dank für den Einsatz über viele Jahre“ richtete Kiesewetter warme Worte an seinen Vorgänger, ehe Professor Freericks die Goldene Doktorurkunde in Empfang nahm.
Neben Pauli traten auch Würzburgs Klimabürgermeister Martin Heilig sowie Theodor Berchem, selbst fast drei Jahrzehnte lang Universitätspräsident und heute Vorsitzender des Alumnivereins, ans Rednerpult. „Iuvat vivere. Es macht Spaß zu leben“, wandte sich Berchem an die Jubilare. Die Lacher hatte er auf seiner Seite, als er aus dem Nähkästchen plauderte: Als ihn die Presse einmal gefragt habe, was Würzburg ohne die Universität wäre, habe er „sowas wie Ingolstadt“ geantwortet.
Ohne die Uni wäre die Stadt nicht so bekannt
Stadt und Universität bildeten in Würzburg eine Einheit – seit mehr als 400, oder so man wolle, seit 600 Jahren. Die JMU sei eine der angesehenen Universitäten, wie sich auch immer wieder in Rankings zeige. „Ohne diese Universität wäre diese Stadt in der Welt kaum so bekannt“, spielte Berchem auch auf ihre Bedeutung durch die Entdeckung der Röntgenstrahlen zu Beginn des 20. Jahrhunderts an. „Egal wo Sie jetzt unterwegs sind, sind Sie so etwas für uns wie Botschafterinnen und Botschafter in der ganzen Welt“, betonte Bürgermeister Martin Heilig.
Launige Erinnerungen gab Andreas Nickel zum Besten, ein waschechter Franke sowie zwischen 1990 und 1996 Physikstudent an der JMU. Zu Beginn seines Studiums rief der Markt nach Naturwissenschaftlern, am Studienende brauchte er keine mehr. Nickel landete, wie viele andere auch, bei SAP – und der Konzern hatte bald den Spitznamen „Sammelplatz arbeitsloser Physiker“ weg. Das Studium beschrieb Nickel als physisch herausfordernd, weil er ständig radelte – mit tiefgefrorenem Streuselkuchen daheim in Zell als Motivation; und als physikalisch herausfordernd, weil von früh bis spät und spät bis früh gerechnet wurde. Nickel dachte auch zurück an sein Auslandssemester in den USA inklusiv der Möglichkeit, dort den Abschluss zu machen. Was heute normal ist, sei „damals total exotisch“ gewesen.
Schöne Erinnerungen an persönliche Erlebnisse
Letztlich könnte jeder der Jubilare persönliche Erlebnisse aus der Würzburger Studienzeit erzählen. Dr. Rosemarie Bandt etwa, die vor 25 Jahren das Abschlusszeugnis in Händen hielt, spricht von einer „Ära des Lebens“. Am beeindruckendsten sei für sie die Promotion in der organischen Chemie gewesen, ihren Arbeitskreis erlebte sie als „eingeschworene Gemeinschaft“. Sie erzählt von einer „perfekten Kombination aus wissenschaftlicher Arbeit, die zusammenschweißte, und schönen Momenten“.
Dr. Manfred Plagens, den Würzburger Kulturfreunde vielleicht schon auf oder Regie führend hinter den Bühnen des Theaters Chambinzky und der Theaterwerkstatt erlebt haben, studierte zwischen 1990 und 1995 VWL, später folgte die Promotion. Sein Studiengang mit 750 StudentInnen war aus mehreren Gründen riesig: VWLer und BWLer hatten das gleiche Grundstudium zu absolvieren; junge Leute kamen aus den neuen Bundesländern an die JMU; und die Zivil- und Wehrdienstverträge waren verkürzt worden. Das hatte für Plagens und seine Kommilitonen Mensa-Vorlesungen zwischen 16 und 20 Uhr bei Brezelgeruch zur Folge. Plagens erzählt von Bierzeltatmosphäre, die gleichzeitig verband: Er fand im Studium Freunde, mit denen er bis heute in Kontakt steht. Heute leitet er die Fachabteilung Statistik bei der Stadt Würzburg, ist der Universität aber weiter verbunden: Seit 2012 ist er am Lehrstuhl für Ökonometrie als Lehrbeauftragter für die Veranstaltung "'Europäische Wirtschaftsstatistik" tätig.
Annelie Maidhof war bei dieser Jubilarsfeier die einzige Frau in der Runde der „50er“, von 1966 bis 1971 studierte sie seinerzeit Geschichte, Französisch und Italienisch auf Lehramt – ein Auslandssemester in Würzburgs Partnerstadt Caen inklusive. Ohne ein Stipendium nach dem Honnefer Modell hätte sie damals aus finanziellen Gründen wohl weder studieren noch ins Ausland gehen können, erzählt Maidhof. In Caens habe sie das erste Mal in ihrem Leben das Meer gesehen – und sie sei in Frankreich erwachsen geworden, weil sie als gebürtige Würzburgerin zum ersten Mal aus dem Elternhaus raus kam und allein wohnte. „Seither bin ich absolut frankofon“, ergänzt die 75-Jährige.