Ärzte-Team für Amyloidose-Patienten
14.11.2017Das erste Interdisziplinäre Amyloidosezentrum Bayerns hat am Universitätsklinikum Würzburg die Arbeit aufgenommen. Betroffene dieser seltenen und vielschichtigen Erkrankung haben dort endlich eine Anlaufstelle.
Sie kommt selten vor, ist aber umso tückischer und hat zahlreiche Gesichter: Amyloidose. Eine Erkrankung, die meist den gesamten Organismus betrifft, und deren Diagnosestellung nicht einfach ist. Da eine rasche und zielgerichtete Diagnostik jedoch entscheidend für die Behandlung und mitunter für das Überleben ist, wurde am Universitätsklinikum Würzburg jetzt das erste Interdisziplinäre Amyloidosezentrum Bayerns und somit das zweite deutschlandweit gegründet.
Spezialisten aus mehr als zehn Fachrichtungen des Uniklinikums arbeiten hier eng zusammen, um die systemische Amyloidose zu erforschen und die Patienten zielgerichtet zu versorgen. Die Sprechstunde für Patienten mit vermuteter oder gesicherter Amyloidose findet im Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz (DZHI) statt. Am 20. Januar 2018 startet im DZHI zudem ab 9:30 Uhr der 1. Würzburger Amyloidose-Patiententag für Betroffene, Angehörige und Interessierte.
Amyloidose ist schwer zu erkennen
Oft ist sie eine Herzensangelegenheit. Manchmal geht sie an die Nieren oder auf die Nerven. Und bisweilen spielen Magen und Darm verrückt. Eine Amyloidose kann zahlreiche Organe betreffen und ganz unterschiedliche Beschwerden hervorrufen. Deshalb lässt sie sich auch nur schwer von anderen Krankheitsbildern abgrenzen, was wiederum die Diagnose verzögert. Für die Amyloidose gibt es keine eindeutigen Frühzeichen, die auf diese Erkrankung hindeuten.
Viele Betroffene erleben eine kräftezehrende und häufig frustrierende Odyssee, bis sie endlich wissen, was die Ursache ihrer Beschwerden ist. Nur knapp 40 Prozent der Betroffenen mit einer Leichtkettenamyloidose erhalten ihre Diagnose innerhalb von sechs Monaten, 20 Prozent erst nach mehr als zwei Jahren, wie eine Studie ergab. Dann ist es jedoch oft bereits zu spät, die Organe sind so stark beeinträchtigt, dass unter Umständen eine Heilung nicht mehr möglich ist. Zudem fühlen sich die Betroffenen meist allein, da die Krankheit sehr selten ist. „Ich habe etwas, was keiner kennt“, ist ein vielzitierter Satz.
Fehlgefaltete Eiweißstoffe stehen am Anfang
Doch was genau ist Amyloidose? Es handelt sich dabei um einen krankhaften Ablagerungsprozess von fehlgefalteten Eiweißstoffen in Form von sogenannten Fibrillen. Rudolf Virchow erfand übrigens im Jahr 1853 in Würzburg die histologische Färbemethode, um Amyloid-Ablagerungen nachzuweisen. Die Erkrankung tritt je nach Art des Eiweißes, Ort der Ablagerung und betroffenem Organ sehr unterschiedlich in Erscheinung.
Bei der häufigsten Form, der Leichtkettenamyloidose (AL-Amyloidose), produzieren die Plasmazellen im Knochenmark unkontrolliert Antikörper-Bausteine, so genannte Leichtketten. Diese lagern sich im Gewebe ab, führen zu Organfehlfunktionen und schädigen unter anderem auch Herzmuskelzellen. Letzteres ist fatal, denn etwa ein Drittel der Patienten mit fortgeschrittener Herzschwäche stirbt innerhalb des ersten Jahres.
Frühe Diagnose entscheidet über Therapieerfolg
„Die Beteiligung des Herzens ist bei jeder Form der Amyloidose möglich und führt im fortgeschrittenen Stadium zu typischen Symptomen einer Herzschwäche wie verminderter Leistungsfähigkeit, Atemnot und geschwollenen Beinen“, so Dr. Caroline Morbach vom Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz. „Eine möglichst frühzeitige Diagnosestellung kann für den Therapie-Erfolg sehr entscheidend sein. An unserem Zentrum bieten wir Bildgebungsmethoden, die eine Herzbeteiligung frühzeitig und zuverlässig erkennen und insbesondere auch das Ansprechen einer Therapie erfassen können.“
Neben dem Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz sind zahlreiche weitere Kliniken und Institute am Amyloidosezentrum beteiligt. Dazu die Initiatorin Dr. Sandra Ihne aus der Hämatologie der Medizinischen Klinik und Poliklinik II: „Wir freuen uns sehr, dass es uns gelungen ist, nach internationalem Vorbild in Würzburg dieses Interdisziplinäre Amyloidosezentrum aufzubauen – neben Heidelberg übrigens das einzige in Deutschland. Unsere Patienten erhalten auf diese Weise rasch Zugang zu zielgerichteter Diagnostik und effektiver Therapie auf höchstem Niveau. Spezialisten aus mehr als zehn Fachrichtungen arbeiten Hand in Hand – jeder Patient wird in einer interdisziplinären Fallkonferenz besprochen. Unklare Fälle werden im Zweifel international diskutiert.“
Neue Medikamente sind verfügbar
Das Interdisziplinäre Amyloidosezentrum Nordbayern wurde unter dem Dach des Zentrums für Seltene Erkrankungen (ZESE) Nordbayern gegründet. In der Amyloidoseambulanz, die den Kern des Zentrums darstellt, arbeiten Hämatologen, Kardiologen, Neurologen, Nuklearmediziner, Nephrologen, Rheumatologen, Gastroenterologen, Hepatologen, Psychosomatiker und Pathologen Hand in Hand. Angeschlossen ist die Interdisziplinäre Biomaterial- und Datenbank. Ergänzt wird das Amyloidosezentrum künftig durch eine Studienambulanz sowie durch ein Forschungsprogramm.
„Das Amyloidosezentrum kommt zu einem spannenden Zeitpunkt: neue Medikamente für die Behandlung dieser schweren Erkrankung werden jetzt verfügbar“, erläutert Professor Stefan Störk, der am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz die klinischen Studien leitet. „Diese wollen wir unseren Patienten so früh als möglich anbieten. Eine wichtige Möglichkeit, von frühen Forschungserkenntnissen zu profitieren, ist unter anderem die Teilnahme an einer klinischen Studie, in der neue Therapien unter streng kontrollierten Bedingungen geprüft werden.“
Pressemitteilung des DZHI