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Ahnenforscher der Sprachfamilien

29.10.2019

Daniel Kölligan hat seit diesem Semester den Lehrstuhl für Vergleichende Sprachwissenschaft an der Universität Würzburg inne. Ihn interessiert, wie sich Sprachen im Laufe der Zeit verändern.

Sprachverwandtschaften und Veränderungsprozesse: Damit beschäftigt sich Daniel Kölligan. Der Sprachwissenschaftler ist neu an der Uni. (Foto: Gunnar Bartsch)
Sprachverwandtschaften und Veränderungsprozesse: Damit beschäftigt sich Daniel Kölligan. Der Sprachwissenschaftler ist neu an der Uni. (Bild: Gunnar Bartsch / Universität Würzburg)

Wenn einem schon der Griechischlehrer am Gymnasium eine Sanskrit-Grammatik in die Hand drückt mit dem Hinweis, dort könne man seinen Wissensdurst stillen, ist es nicht überraschend, wenn der Empfänger dieser Grammatik später Historisch-Vergleichende Sprachwissenschaft, Griechische Philologie, Philosophie und Romanistik studiert und damit den Grundstein für eine akademische Karriere einschlägt, die ihn – mit dem entsprechenden Quäntchen Glück – auf einen Lehrstuhl führt.

So zumindest ist es im Fall von Professor Daniel Kölligan gelaufen. Kölligan hat seit Oktober 2019 den Lehrstuhl für Vergleichende Sprachwissenschaft an der JMU Würzburg inne; seine Freude an alten Sprachen und eine Faszination für alle Fragen rund um die Grammatik haben ihn diesen Weg einschlagen lassen.

Spezialist für Griechisch und Armenisch

Dieses Interesse spiegelt sich auch in seiner Lehrtätigkeit wider: Sie umfasst das gesamte Spektrum der Indogermanistik, von Sprachkursen und Seminaren zur vergleichenden Grammatik einzelner Sprachen und Sprachfamilien – darunter Altindisch, Altpersisch, Griechisch, Lateinisch, Armenisch, Albanisch, Altkirchenslavisch, Tocharisch und diverse Kurse zu altgermanischen Sprachen – bis zu theoretischen Seminaren zu Fragen der Rekonstruktion und des Sprachvergleichs.

Wenn man ihn fragt, wie viele Sprachen er beherrscht, zögert Daniel Kölligan allerdings und antwortet mit einer Gegenfrage: „Was heißt schon ‚beherrschen‘?“ Natürlich habe er sich den gesamten Sprachenkanon seines Faches im Laufe seiner wissenschaftlichen Karriere erarbeitet. Als seine Schwerpunkte nennt er jedoch das Griechische und das Armenische – zwei Sprachen, die zwar weit voneinander entfernt seien, deren Verwandtschaft jedoch intensiv diskutiert werde.

Sprachverwandtschaften und Veränderungsprozesse: Damit beschäftigt sich die Historisch-Vergleichende Sprachwissenschaft in erster Linie. „Wenn es zum Beispiel im Deutschen ‚ich bin‘ und ‚ich war‘ heißt, sind das zwei verschiedene Wortstämme für ein und dasselbe Verb“, sagt Kölligan. Sprachwissenschaftler wollen in solch einem Fall wissen, wie es zu dieser Aufspaltung kommen konnte, unter welchen Bedingungen solche Veränderungen geschehen, ob sie auch an anderer Stelle zu finden sind. „Es geht um die Frage: Wie verändert sich die Sprache im Laufe der Zeit“, so Kölligan.

Wer sich für Sprachwandelprozesse interessiert, kommt nicht darum herum, einen Blick in die Vergangenheit zu werfen. Aus dem Wissen über die älteste Sprachstufe lassen sich die meisten Informationen ziehen; sie geben Auskunft über die Faktoren des Sprachwandels und erlauben Rückschlüsse auf Verwandtschaftsbeziehungen über viele Jahrhunderte hinweg.

Forschungsplattform im Internet

Wer nun glaubt, Daniel Kölligan verbringe einen Großteil seiner Arbeitszeit in staubigen Bibliotheken und stickigen Archiven, wo er auf Palmenblättern uralte Textfragmente entziffert und übersetzt, hat sich getäuscht. Sein aktuelles Forschungsprojekt ist digital und webbasiert. Es handelt sich um eine Open-Access-Plattform, welche die linguistische Recherche in altindischen Texten ermöglicht. Ihr Name: VedaWeb.

„Mit diesem von der DFG geförderten Projekt bietet wir der Wissenschaft eine Forschungsplattform, die es möglich macht, große Datenmengen schnell zu durchsuchen“, erklärt Kölligan. Hier sind altindische Texte versammelt mit ihren verschiedenen Fassungen, mit Übersetzung, metrischer und morphologischer Analyse und einer direkten Verknüpfung zu einem Wörterbuch. Wer sich beispielsweise für spezielle grammatische Merkmale interessiert, erhält auf VedaWeb mit wenigen Klicks und ein paar Einträgen in der Suchmaske in Sekundenbruchteilen die entsprechenden Textbeispiele.

Entstanden ist die derzeitige Version von VedaWeb in Zusammenarbeit mit der Universität Zürich. Momentan schreibt Kölligan an einem Folgeantrag, um die Datenbank weiter ausbauen zu können. Neben den Textfragmenten möchte er in Zukunft auch Audiodateien dort aufnehmen. Audiodateien? „Von vielen altindischen Texten existieren mündliche Überlieferungen, die in einem aufwendigen Lernprozess von einer Generation an die nächste weitergegeben werden“, sagt er. Weil jedoch die Tradition der mündlichen Überlieferung am Verschwinden ist, sei es umso wichtiger, diese Rezitationen rechtzeitig zu sichern.

Was Studierende mitbringen sollten

Neue Drittmittelprojekte einwerben und damit weitere Stellen schaffen, Humboldt-Stipendiaten an den Lehrstuhl holen und die Internationalisierung vorantreiben, die Studierendenzahlen erhöhen: Diese Ziele hat sich Daniel Kölligan zu seinem Einstieg an der JMU gesetzt. Was Studierende mitbringen sollen? Ganz klar: Das Interesse an alten Sprachen wie Griechisch, Latein und Altindisch sowie Freude am Sprachenlernen sind Grundvoraussetzung. Ein Interesse an Geschichte sollte ebenfalls vorhanden sein – und die Bereitschaft zum Blick über den Tellerrand.

Denn wer sich für das Studium der Vergleichenden Sprachwissenschaft entscheidet, wird es auch mit anderen Fächern zu tun bekommen. Berührungen ergeben sich beispielsweise mit der Klassischen Philologie, der Germanistik, der Anglistik, der Slavistik, der Alten Geschichte, der Archäologie, der Vor- und Frühgeschichte, der Indologie und der Orientalistik.

Zur Person

Daniel Kölligan (* 1974) hat Historisch-Vergleichende Sprachwissenschaft / Indogermanistik, Griechische Philologie, Philosophie und Romanistik (Spanisch) an der Universität zu Köln studiert. Von 2000-2004 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter im DFG-Forschungsprojekt „Verbalcharakter, Suppletivismus und morphologische Aktionsarten des indogermanischen Verbs“; im Rahmen der Projektarbeit entstand seine Dissertation „Suppletion und Defektivität im griechischen Verbum“.

Von 2005 bis 2008 war er als Research Assistant an der Universität Oxford tätig und von 2006 bis 2008 zugleich Junior Research Fellow am Wolfson College, Oxford. 2008 wechselte Kölligan an das Institut für Linguistik an der Universität zu Köln – von 2018 bis 2019 als Heisenberg-Stipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Zum 1. Oktober 2019 wurde er auf den Lehrstuhl für Vergleichende Sprachwissenschaft an der JMU Würzburg berufen.

Kontakt

Prof. Dr. Daniel Kölligan, Lehrstuhl für Vergleichende Sprachwissenschaft, T: +49 931 31-86185, daniel.koelligan@uni-wuerzburg.de

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