Alle sind sich fremd
13.12.2016Was machen drei Pädagogik-Studentinnen, die einen Videoclip drehen sollen? Sie besorgen Masken, rekrutieren ihre WG-Mitbewohner und gehen mit einem befreundeten Rapper ans Werk. Das Ergebnis? Kann sich gut sehen lassen.
Ein Mädchen ist heimlich in einen Typen aus der Nachbarschaft verknallt. Über soziale Medien und Smartphone stehen die beiden zwar in Kontakt, aber im echten Leben kennen sie sich nicht: Immer wenn sie ihn zufällig im Supermarkt trifft, dreht sie sich schnell weg. Trotz vieler gemeinsamer Chats bleiben die beiden sich fremd.
„Alle sind sich fremd, alle sind sich fremd, trotz Internetverbindung immer noch getrennt“, so heißt der passende Refrain zu dieser Geschichte. Musikalisch und visuell umgesetzt ist sie in einem Videoclip, der auf die Studentinnen Sabine Bauer, Ronja Klein und Larissa Wenderlein von der Universität Würzburg zurückgeht.
Videoarbeit als Aufgabe im Seminar
Die drei haben den Clip nicht etwa in ihrer Freizeit auf den Weg gebracht, sondern als Teil ihres Pädagogik-Studiums. Im Seminar „Bildungswissenschaftliche Projektarbeit“ bei Dozent Dominik Egger sollten sie ein Video zum Thema „Das Fremde“ realisieren. Dafür haben die Studentinnen ein gesellschaftliches Phänomen aufgegriffen: die Fremdheit zwischen Menschen trotz intensiver Vernetzung übers Internet.
Profis und Freunde rekrutiert
Zusammen mit dem befreundeten Rapper Pascal Danquard, ebenfalls Student an der Uni Würzburg, machten sie sich ans Werk. In Treffen und Gesprächen diskutierten sie über ihre Idee und entwarfen ein Drehbuch und einen Liedtext. Danquard nahm den Beat „Slow“ vom australischen DJ und Musiker Domba und goss den Text in dazu passende Reime. Dabei ist ein Stück herausgekommen, in dem das Verhalten von Menschen in sozialen Medien kritisiert wird: „Sie teilen alles, doch sie teilen nichts; sie zeigen alles, doch sie zeigen nichts.“
Als Kameramann gewannen die Studentinnen Malo Plisson, der ihnen auch beim Schnitt half. Auf der Suche nach Darstellerinnen und Statisten fanden sie in ihren WGs bereitwillige Unterstützer. Wenn die im Video Masken tragen, ist das übrigens keine Hommage an den Rapper Cro, der sich dem Publikum nur mit einer Pandamaske zeigt: „Die Masken haben wir als Symbole für Fremdheit eingesetzt“, erklärt Larissa Wenderlein.
Zum Video auf dem Youtube-Kanal der Uni
Dem Video haben die Studentinnen den Titel „A forgotten truth“ gegeben („Vergessene Wahrheit“). Ihrer Meinung nach hat die Gesellschaft die Wahrheit über die Natürlichkeit des Menschen vergessen: „Der Mensch ist ein soziales Wesen und auf Gemeinschaft, Individualität & Naturerfahrungen angewiesen. Durch die Flucht in die Welt der digitalen Medien geht sein ursprüngliches Wesen verloren. Die Folge: Wir werden uns und anderen zunehmend fremder“, schreiben sie. Um ein glückliches, gesundes und erfülltes Leben führen zu können, müsse der Mensch wieder stärker zu seinem natürlichen Wesen zurückfinden.
Was im Seminar vermittelt wurde
Der Clip, weitgehend auf dem Campus der Würzburger Uni gedreht, kann sich sehen lassen: „Das Video und die Musik erscheinen sehr professionell. Besonders freut mich, dass der Text in Bezug auf wissenschaftliche Aspekte sehr gut gelungen ist“, sagt Egger.
In Seminar des Uni-Dozenten ging es nicht nur um die eigenständige Erarbeitung eines pädagogischen Projekts. Die Studierenden lernten auch Grundlagen des Projektmanagements, filmästhetische und dramaturgische Techniken, den Umgang mit Videokamera und Ton sowie den Einsatz einer Videoschnitt-Software – eine Kooperation mit dem Rechenzentrum der Universität und dessen Mitarbeiter Winfried Seimert machte es möglich.
Das Seminar wurde auch im Rahmen des Lehrprojekts GSIK (Globale Systeme und interkulturelle Kompetenz) angeboten. Das Programm GSIK ermöglicht es Studierenden aller Fachbereiche, sich interkulturelle Kompetenz anzueignen, und zertifiziert die erfolgreiche Teilnahme.
Fazit der Studentinnen
Was die Studentinnen von dieser Art Lehre halten? Im Vergleich zu der sonst üblichen „Erhebung von Prüfungsleistungen“ war es für sie eine willkommene Abwechslung. „Es war sehr interessant, den fachfremden Themenbereich ‚Videodreh‘ in einem pädagogisch eingebetteten Kontext näher kennen zu lernen“, sagt Sabine Bauer. „Wir konnten unsere Medienkompetenzen erweitern und neue Erfahrungen sammeln.“
„Ein besonders positiver Aspekt war, dass wir unserer Kreativität freien Lauf lassen konnten“, ergänzt Ronja Klein. Durch die offen gehaltene Themenstellung „Das Fremde“ sei der Freiraum groß und eine vertiefte Beschäftigung mit dem Thema möglich gewesen: „Das erinnert doch sehr an den ursprünglichen Charakter eines akademischen Studiums.“
(Larissa Wenderlein kommt aus Polsingen in der Nähe von Treuchtlingen, Ronja Klein aus Pforzheim, Sabine Bauer aus Rimpar bei Würzburg, Pascal Danquard aus Eberbach im Rhein-Neckar-Kreis.)
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