Intern
  • Blick auf das Gebäude der Neuen Universität am Sanderring im Schnee.

Auch bei Rezeptoren kommt es auf die Lage an

08.06.2021

Forschungsteams aus Würzburg, München, Erlangen und Berlin haben erstmals die Lage spezieller Rezeptoren auf Herzmuskelzellen bestimmt. Ihre Erkenntnisse eröffnen neue Perspektiven für die Therapie der chronischen Herzschwäche.

Beta1- und beta2-adrenerge Rezeptoren in Herzmuskelzellen: In der linken Zelle sind die beta1-Rezeptoren markiert – sie finden sich sowohl an der Zelloberfläche (gelb) als auch in den T-Tubuli (grün). In der rechten Zelle sind die beta2-Rezeptoren markiert – sie finden sich nur in den T-Tubuli (grün), aber nicht an der Zelloberfläche (die deshalb im Bild nicht sichtbar ist).
Beta1- und beta2-adrenerge Rezeptoren in Herzmuskelzellen: In der linken Zelle sind die beta1-Rezeptoren markiert – sie finden sich sowohl an der Zelloberfläche (gelb) als auch in den T-Tubuli (grün). In der rechten Zelle sind die beta2-Rezeptoren markiert – sie finden sich nur in den T-Tubuli (grün), aber nicht an der Zelloberfläche (die deshalb im Bild nicht sichtbar ist). (Bild: Marc Bathe-Peters & Horst-Holger Boltz)

Im Herzen gibt es zwei verschiedene Subtypen der beta-adrenergen Rezeptoren, beta1 und beta2, die von den Stresshormonen Adrenalin und Noradrenalin aktiviert werden. Beide bewirken die stärkste Stimulation von Schlagkraft und Frequenz des Herzens, die wir kennen. Biochemisch sind die beiden Subtypen sich höchst ähnlich – aber funktionell und auch therapeutisch zeigen sie große Unterschiede.

Zwar können beide Rezeptortypen kurzfristig das Herz stimulieren. Bei einer längerfristigen Aktivierung zeigt jedoch der beta1-Rezeptor eine Reihe weiterer Wirkungen, der beta2-Rezeptor aber nicht: Beta1 kann eine Reihe anhaltender Veränderungen verursachen und durch die Aktivierung verschiedener Gene ein – oft schädliches – Wachstum der Herzmuskelzellen einleiten.

Neueste Untersuchungen von Forschern der Universitäten Würzburg und Erlangen, des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft in Berlin und des ISAR Bioscience Instituts in München/Planegg zeigen nun, wie diese unterschiedlichen Wirkungen zustande kommen. Die Ergebnisse ihrer Arbeiten haben die Forschungsteams in der aktuellen Ausgabe der Proceedings of the National Academy of Sciences USA veröffentlicht.

Spezielle Liganden und neue Mikroskopiemethoden

„Wir konnten mit Hilfe eines an der Universität Erlangen synthetisierten fluoreszierenden Liganden und mit hochsensitiven, neu entwickelten Mikroskopiemethoden erstmals zeigen, wo diese Rezeptoren auf Herzmuskelzellen sitzen“, erklärt Professor Martin Lohse vom Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). Er ist gemeinsam mit Paolo Annibale einer der Hauptautoren der Studie.

Dabei stellte sich heraus, dass die beta1-Rezeptoren sich überall auf der Oberfläche der Herzmuskelzellen finden, die beta2-Rezeptoren aber ausschließlich in sogenannten T-Tubuli. Diese Tubuli bilden ein röhrenartiges System durch Einstülpungen der Zelloberfläche, das das gesamte Innere von Herzmuskelzellen durchzieht. 

„Die spezifische besondere Lage der beta2-Rezeptoren erklärt, warum sie längst nicht so viel können wie beta1-Rezeptoren und sich auf eine direkte und kurzfristige Stimulation des Herzens beschränken“, erklärt Marin Lohse. Diese wird nämlich durch lokal auf die Zellmembran begrenzte Signale vermittelt. Dagegen geschieht die Aktivierung von Genen und die Stimulation des Zellwachstums über weiter reichende Signale, die nur an der Zelloberfläche ausgelöst werden können, wo sich nur die beta1-Rezeptoren finden.

Ein weiterer überraschender Befund der Arbeiten ist, dass nicht alle Herzmuskelzellen diese Rezeptoren aufweisen. „Offensichtlich gibt es unterschiedliche Typen oder verschiedene Zustände von Herzmuskelzellen, so dass nicht alle Zellen auf Adrenalin reagieren“, so Lohse. Bisher war man davon ausgegangen, dass die Herzmuskelzellen der großen Herzkammer alle gleich sind.

Neuer Ansatzpunkt für Therapie der Herzschwäche

Schon seit vielen Jahren ist bekannt, dass bei chronischer Herzschwäche zu viel Adrenalin und Noradrenalin im Blut kursieren und das Herz so stark stimulieren, dass es sich verändert und seine Zellen wachsen. Anfänglich kompensiert das die Herzschwäche, aber langfristig schädigt das übermäßige Wachstum das Herz. Auch auf der Basis von früheren Ergebnissen des Würzburger Teams hat sich deshalb die Blockade von beta-Rezeptoren als Therapie bei chronischer Herzschwäche durchgesetzt.

Die neuen Befunde zeigen nun, warum bei diesen schädlichen Wirkungen den beta1-Rezeptoren eine viel größere Bedeutung zukommt als den beta2-Rezeptoren. Weil beta1-Rezeptoren auf der gesamten Zelloberfläche vorkommen, können sie vielfältiger wirken als beta2-Rezeptoren.

Das neue Wissen um die unterschiedliche Lokalisation und Wirkung von beta1- und beta2-Rezeptoren im Herzen lässt sich möglicherweise für bessere Therapien der chronischen Herzschwäche nutzen. Diese würden die schädlichen Wirkungen von beta-Rezeptoren – das Wachstum der Herzmuskelzellen – punktgenau hemmen, die positiven Wirkungen – die Stimulation der Herzfunktion – hingegen gezielt aktivieren.

Originalpublikation

Visualization of β-adrenergic receptor dynamics and differential localization in cardiomyocytes, Marc Bathe-Peters, Philipp Gmach, Horst-Holger Boltz, Jürgen Einsiedel, Michael Gotthardt, Harald Hübner, Peter Gmeiner, Martin J. Lohse, and Paolo Annibale, Proceedings of the National Academy of Sciences USA, https://doi.org/10.1073/pnas.2101119118  

Kontakt

Prof. Dr. Martin Lohse, Institut für Pharmakologie und Toxikologie, lohse@toxi.uni-wuerzburg.de  

Von Gunnar Bartsch

Zurück