Blasenentleerungsstörungen auf den Grund gehen
20.09.2022Die Neuro-Urologische Sprechstunde am Uniklinikum Würzburg ist auf Blasen- und Beckenbodenfunktionsstörungen spezialisiert, die durch neurologische Erkrankungen oder Traumata bedingt sind.
Die Urologische Klinik des Uniklinikums Würzburg (UKW) bietet seit gut zwei Jahren eine Neuro-Urologische Sprechstunde an. Menschen, die hier vorstellig werden, haben unterschiedliche Beschwerden und Krankheitsbilder: Manche können nur unvollständig oder gar kein Wasser lassen, während andere extrem häufigen Harndrang verspüren und den Urin oft nicht halt können. Weitere sind von immer wiederkehrenden Blaseninfektionen betroffen. „Als Gemeinsamkeit besteht bei unseren Patientinnen und Patienten zumindest die Vermutung, dass hinter der Blasen- oder Beckenfunktionsstörung ein neurologisches Problem steht“, berichtet Dr. Christine Höfling-Streitenfeld, die Leiterin der Sprechstunde.
Nach ihren Worten kann dieses Problem zum Beispiel durch eine neurologische Grunderkrankung, eine vorangegangene Operation oder eine Schwangerschaft hervorgerufen worden sein. Gemeinsam ist vielen der Ratsuchenden auch, dass sie bereits einen langen Leidensweg von oft über zwei Jahren sowie diverse Vorbehandlungen hinter sich haben.
Umfassende Diagnostik, viele Therapiemöglichkeiten
„Um den Ursachen auf den Grund zu gehen, erheben wir in der Sprechstunde eine sorgfältige Anamnese, führen eine gründliche urologische Untersuchung durch und suchen im Ultraschall nach Veränderungen“, sagt Höfling-Streitenfeld. Bei Bedarf erweitert die auf Inkontinenz, Harnwegsinfekte und Blasensenkung spezialisierte Urologin die Diagnostik um eine urodynamische Untersuchung und eine Blasenspiegelung. Gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen der Urologischen Klinik erarbeitet sie anschließend ein Therapiekonzept. Zur Auswahl stehen zum Beispiel Medikamente, physiotherapeutische Maßnahmen, Geräte zur peripheren Blasenstimulation, bei Frauen Pessare, die die Harnröhre und Blase mechanisch stützen, Injektionen mit Botulinumtoxin (Botox) bei einer überaktiven Blase oder operative Eingriffe.
High-End-Lösung Blasenschrittmacher
„Für einen Teil der Patientinnen und Patienten bietet sich als hochtechnologische Lösung ferner die Implantation eines sogenannten Blasenschrittmachers an“, schildert Höfling-Streitenfeld. Experte für diesen Behandlungsweg am UKW ist Professor Georgios Gakis. Der Leitende Oberarzt der Urologischen Klinik erläutert: „Beim Blasenschrittmacher implantieren wir eine oder zwei dünne Elektroden durch eine natürliche Öffnung im Kreuzbeinknochen – etwa zehn Zentimeter oberhalb des Steißbeins – an die sogenannten Sakralnerven auf Höhe der dritten und vierten Nervenwurzelaustrittstelle. Diese Nerven steuern die Funktion von Blase und Enddarm. Über die Elektrode oder die Elektroden sendet ein Neurostimulator sanfte Stromimpulse, die die Nerven hilfreich stimulieren.“
Die Elektroden verbleiben für eine maximal 60-tägige Testphase im Körper, währenddessen durch ein kleines, batteriebetriebenes Aggregat verschiedene Einstellungen des Schrittmachers ausprobiert werden können. Dabei lässt sich ermitteln, ob die Patientin oder der Patient gut auf die Behandlung anspricht. „Ist dies der Fall, implantieren wir bei einem kurzen Krankenhausaufenthalt den im Körper liegenden Schrittmacher im oberen Gesäßbereich“, beschreibt Gakis. Nach diesem zweiten Eingriff liegen alle Implantate unter der Haut und sind von außen im Allgemeinen nicht zu erkennen. Einschränkungen beim Gehen oder Sitzen sind nicht zu erwarten.
Das Komplikationsrisiko des Eingriffes ist äußerst gering. Die Erfolgsrate dieser Therapie liegt je nach Indikation am UKW bei 60 Prozent: In den vergangenen zwei Jahren wurden an der Urologischen Klinik bei 20 Patientinnen und Patienten Blasenschrittmacher getestet. Bei zwölf wurden so positive Effekte erzielt, dass ihnen der Neurostimulator dauerhaft implantiert wurde.
Alleinstellung in weitem Umkreis
Sowohl die Neuro-Urologische Sprechstunde als auch die Blasenschrittmacher-Therapie sind Leistungen, die in weitem Umkreis um Würzburg nur am UKW angeboten werden. „Wir haben Patientinnen und Patienten, die eine Anreise von zwei Stunden auf sich nehmen, um sich von uns untersuchen, beraten und behandeln zu lassen“, verdeutlicht Höfling-Streitenfeld, die an vier Tagen pro Woche als niedergelassene Urologin in Würzburg eine eigene Praxis in betreibt. Bei der von ihr immer freitags im Zentrum für Operative Medizin des UKW an der Oberdürrbachstraße seit Juli 2020 gehaltenen Neuro-Urologischen Sprechstunde sieht sie im Schnitt jeweils zehn bis zwölf Patientinnen und Patienten.