Ein Lernmodul für Altfranzösisch
10.10.2023Carlotta Posth ist Juniorprofessorin für Mediävistische Komparatistik an der Uni Würzburg. Mit einer Tübinger Kollegin hat sie ein Konzept für ein digitales Altfranzösisch-Lernmodul entwickelt – und dafür einen Preis erhalten.
Es soll eine Lücke im Bildungsangebot schließen und wendet sich dafür an ein breites Publikum – sowohl an Studierende als auch an Forschende der Romanistik sowie anderer mediävistischer und historischer Fachrichtungen: das digitale „Lernmodul Altfranzösisch“.
Entwickelt wurde das Angebot unter der Leitung der Würzburger Philologin Carlotta Posth und ihrer Tübinger Kollegin Alexandra Becker. Posth ist seit Anfang Mai 2023 Juniorprofessorin für Mediävistische Komparatistik an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU).
Für ihre Arbeit wurden die beiden jetzt ausgezeichnet: Vom Tübinger „Dr. Eberle Zentrum für digitale Kompetenzen“ erhalten sie 10.000 Euro, um damit ihre innovative Idee für digitale Lehr- und Lernmaterialien umsetzen zu können.
Kostenlos online nutzbar
Das neue OER-Lernmodul – OER steht für Open Educational Resources – bietet Einblicke in die Grundstrukturen der altfranzösischen Sprache und ihre literatur- und sprachgeschichtlichen Aspekte. Seine Lerneinheiten enthalten Informationsmaterial, Übungsaufgaben und praktische Anwendungen zur Wissensvertiefung.
„Altfranzösisch ist sowohl eine Sprache als auch ein kultureller Code. Damit ist es für alle Literatur- und Sprachwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler mit Bezug zum europäischen Mittelalter wichtig und interessant“, sagt Carlotta Posth. Schließlich verfügte Frankreich in dieser Zeit über eine große Strahlkraft und habe viel von seiner Kultur in die umgebenden Länder transportiert.
„Wenn ich beispielsweise als Germanistin heute im Mittelalterseminar Texte wie Erec, Iwein oder Parzival lese, sind das alles Übersetzungen aus dem Altfranzösischen“, erklärt die Mediävistin. Altfranzösisch nehme somit eine Schlüsselrolle in der mittelalterlichen Literatur ein und sei für viele philologische Fachgebiete wichtig.
Kaum Angebote an deutschen Universitäten
Allerdings wird Altfranzösisch heute in Deutschland nur noch an wenigen Universitäten unterrichtet – Würzburg und Tübingen sind zwei seltene Ausnahmen. „Der Zugang ist daher sehr schwierig“, sagt Carlotta Posth. Mit ihrem digitalen Lernmodul wollen sie und ihre Tübinger Kollegin diese Lücke schließen.
„Unser Lernmodul vermittelt Grundlagenkenntnisse, die die Arbeit mit altfranzösischen Texten erleichtern“, erklärt Posth. Drei Kapitel sind dafür vorgesehen: Ein Lernbereich, in dem sich alles um Aussprache, Vokabular und Grammatik dreht. Eine Einführung in die Literatur- und Sprachgeschichte. Und zusätzliche Hilfsmittel, wie beispielsweise Hinweise auf Wörterbücher und digitale Texteditionen.
Je nach Intention und Bedarf lasse sich das Modul als Nachschlagwerk nutzen oder von A bis Z durcharbeiten, sagt Posth. Darüber hinaus finden Lehrende dort umfangreiches Übungsmaterial, das sie für ihre Kurse verwenden können.
10.000 Euro für die Umsetzung
Aktuell befindet sich das Lernmodul noch in der Entwicklung. Mit den 10.000 Euro, die die beiden Wissenschaftlerinnen jetzt als Fördersumme erhalten haben, wollen sie das Angebot bis spätestens Ende 2024 realisiert haben. Dann kann es kostenfrei über den Onlinedienst „Zentrales Repositorium für Open Educational Resources der Hochschulen in Baden-Württemberg“ (ZOERR https://www.oerbw.de/) genutzt werden. Diesen stellt die Universitätsbibliothek Tübingen im Rahmen des „Hochschulnetzwerks Digitalisierung der Lehre Baden-Württemberg“ zur Verfügung.
Ist Altfranzösisch eigentlich eine schwer zu lernende Sprache? „Altfranzösisch ist wunderschön. Es klingt toll und mutet ein wenig wie Italienisch an. Die Unterschiede zum modernen Französisch sind vergleichbar mit denen zwischen Neu- und Althochdeutsch“, sagt Carlotta Posth. Das bedeutet: Ohne jegliche Vorkenntnisse sind altfranzösische Texte schwer zu verstehen – selbst wenn man heutiges Französisch gut beherrscht. Mit den entsprechenden Grundlagen jedoch ist es machbar.
Zur Person
Carlotta Posth hat an der Universität Tübingen und der Université Paris I: Panthéon-Sorbonne Germanistik, Philosophie und Biologie studiert. Nach dem Besuch einer komparatistischen Lehrveranstaltung in der Mediävistik in Tübingen war ihr Interesse am Altfranzösischen geweckt.
An der JMU will sie mit ihrem Lehrangebot Studierende der Germanistik und der Romanistik ebenfalls für die Komparatistik gewinnen und ihnen den Blick über den „nationalphilologischen Tellerrand“ ermöglichen. Und weil es dazu unbedingt die entsprechende Sprachkompetenz braucht, unterrichtet sie auch Altfranzösisch – beziehungsweise animiert zum Selbststudium mit dem digitalen Altfranzösisch-Lernmodul.
Bereits zum dritten Mal werden überzeugende Projekte mit diesem Format gefördert. Die Ergebnisse werden über das Zentrale OER-Repositorium Baden-Württemberg frei im Netz zugänglich sein.
Der Förderpreis
Finanziert wird der Förderpreis für das Altfranzösisch-Modul dank einer großzügigen Unterstützung der Dr. K. H. Eberle Stiftung. Die offizielle Verleihung fand am 27. September 20223 an der Universität Tübingen statt.
Die Dr. K. H. Eberle Stiftung mit Sitz im baden-württembergischen Lörrach wurde aus dem Vermögen des Unternehmers Dr. Karl Helmut Eberle gegründet und engagiert sich in der Forschungs- und Innovationsförderung in Tübingen und an anderen Hochschulen. Eberle, der im November 2015 im Alter von 88 Jahren starb, hatte an der Universität Tübingen Medizin studiert und war danach erfolgreich in der Immobilienbranche tätig.
Kontakt
Prof. Dr. Carlotta Posth, Juniorprofessur für Mediävistische Komparatistik, T: +49 931 31-80159, carlotta.posth@uni-wuerzburg.de