Chöre im Fokus der Forschung
17.04.2018Auszeichnung für das Forschungszentrum des Deutschen Chorwesens: Es wurde zum „An-Institut“ der Universität Würzburg erhoben. Altbundespräsident Christian Wulff nahm die Urkunde bei einer Feier entgegen.
Im Deutschen Chorverband sind mehr als eine Million Mitglieder aus rund 15.500 Chören organisiert. Präsident des Verbands ist ein prominenter Mann: Christian Wulff, Bundespräsident a.D., wurde im Februar 2018 in diese Funktion gewählt. In seinem neuen Amt war er nun an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) zu Gast.
Hier bekam Wulff am 10. April 2018 von Universitätspräsident Alfred Forchel eine Urkunde überreicht. Sie besagt: Das Forschungszentrum des Deutschen Chorwesens mit Sitz in Feuchtwangen hat von nun an die Befugnis, die Bezeichnung „an der Universität Würzburg“ zu führen. Wulff ist auch Vorsitzender der Stiftung, die das Forschungszentrum trägt.
Die Ehrenbezeichnung als „An-Institut“ vergibt die JMU an Einrichtungen, die eng mit ihr kooperieren und den Nachweis erbracht haben, dass sie wissenschaftlich arbeiten – etwa indem sie wissenschaftliche Projekte und Publikationen vorweisen können. Insgesamt sechs An-Institute gibt es bislang.
„Das neue An-Institut für Chorforschung ist das erste dieser Art weltweit“, so Präsident Forchel. Er freue sich sehr, dass die Zusammenarbeit mit dem Deutschen Chorverband, dem Fränkischen Sängerbund und der Stiftung Dokumentations- und Forschungszentrum des Deutschen Chorwesens stets konstruktiv und zielführend verlaufen sei.
Was die Chorforschung leisten sollte
„An die Arbeit des Forschungszentrums habe ich große Erwartungen“, so Wulff bei der feierlichen Urkundenverleihung im Senatssaal der JMU. Er erhoffe sich zum Beispiel Antworten auf die Fragen, wie man verstärkt Kinder und Jugendliche in die Chöre bringen und das Chorwesen in Deutschland erhalten könne. Eine weitere Aufgabe sei es, die Bedeutung zu erforschen, die deutschen Chören und Liedern im Ausland zukommt.
Für die Gesellschaft sei die Arbeit der Chöre sehr bedeutsam: „Singen reduziert Stresshormone und kurbelt Glückshormone an. Es ist eines der wirksamsten Mittel gegen Einsamkeit –denn in Chören kommen die Menschen zusammen, und das ist im Zeitalter der Digitalisierung von noch viel größerer Bedeutung als früher“, sagte Wulff. Auch der Integration könne das Singen dienlich sein: Es gebe inzwischen Begegnungschöre, in denen gemeinsam mit Geflüchteten Lieder aus deren Heimat und deutsche Lieder gesungen werden.
Lange Tradition der Chorforschung
Leiter des Forschungszentrums ist Professor Friedhelm Brusniak, der seit 1999 den Lehrstuhl für Musikpädagogik an der JMU innehat. Das Forschungszentrum steht in einer langen Tradition: Schon seit 1925 verfügte das Deutsche Sängermuseum in Nürnberg über eine Forschungsstelle. Das Museum wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört, sein Nachfolger entstand in Feuchtwangen. Im dortigen Sängermuseum ließ Brusniak ab 1989 die Forschungstätigkeit wieder aufleben.
„Die Chorforschung befasst sich mit historischen, psychologischen, soziologischen und pädagogischen Fragen“, so Brusniak. „Dabei muss sie Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft im Blick behalten“, ergänzte er. Aktuell arbeite man mit Fachleuten aus aller Welt an einem „Lexikon des Chors“. Es werde voraussichtlich 2019 erscheinen. Fachtagungen, die das Forschungszentrum mitveranstaltet, fänden demnächst in Estland, Österreich und Luxemburg statt: „Wir müssen uns international und interkulturell aufstellen“, sagte Brusniak.
Forschung am Bestand des Sängermuseums
Zu den Forschungsobjekten des Zentrums gehören auch Stücke aus dem Sängermuseum. Dieses besaß vor dem Krieg rund 30.000 Exponate, von denen heute noch etwa 3.000 erhalten sind. Darunter sind die ältesten Chorzeitschriften der Welt. Sie stammen aus dem 19. Jahrhundert. Einige wertvolle Stücke aus der Sammlung wurden bei der Feier im Senatssaal präsentiert.
Alexander Arlt, Museums- und Archivleiter in Feuchtwangen, zeigte mehrere Autographen – Schriften oder Partituren, eigenhändig niedergeschrieben von Friedrich Schiller, Robert Schumann oder Franz Schubert. Oder ein Notenblatt mit dem Serapions-Walzer, der erst vor kurzem E. T. A. Hoffmann zugeordnet werden konnte. Eine Forschungsfrage hierzu ist, woher die Schriften stammen und auf welchem Weg sie ins Sängermuseum gekommen sind.
Viele dieser Materialien sind bislang nicht digitalisiert, das Papier ist teils vom Säurefraß bedroht. Hier kommt die Universitätsbibliothek Würzburg als Partner des Forschungszentrums ins Spiel: Sie hat die Aufgabe übernommen, die historischen Stücke in ihrem Digitalisierungszentrum zu bearbeiten und sie damit dauerhaft der Nachwelt und der Forschung zur Verfügung zu stellen, sagte Bibliotheksleiter Dr. Hans-Günter Schmidt.
Leitungsgremium des Forschungszentrums
Getragen wird das Forschungszentrum des Deutschen Chorwesens von der „Stiftung Dokumentations- und Forschungszentrum des Deutschen Chorwesens“. Diese private Stiftung mit Sitz in Feuchtwangen trägt außerdem das Sängermuseum und das Archiv des Chorwesens.
Das Forschungszentrum wird von einem Lenkungsausschuss geleitet, dem Professor Brusniak vorsitzt. Weitere Mitglieder sind Christian Wulff, JMU-Vizepräsident Wolfgang Riedel, die JMU-Professoren Ulrich Konrad (Musikwissenschaft) und Peter Hoeres (Geschichte), Hans-Günter Schmidt, Leiter der Würzburger Universitätsbibliothek, Peter Jacobi, Präsident des Fränkischen Sängerbundes, und Stiftungsratsmitglied Herbert Meier.
Kontakt
Prof. Dr. Friedhelm Brusniak, Lehrstuhl für Musikpädagogik, Universität Würzburg, T +49 931 31-84843, friedhelm.brusniak@uni-wuerzburg.de
Weblinks
Stiftung Dokumentations- und Forschungszentrum des Deutschen Chorwesens