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Das menschliche Gesicht der XR

02.08.2022

Im Beisein zahlreicher Gäste hat das Motion-Capture-Labor der Universität Würzburg offiziell den Betrieb aufgenommen. Ausgestattet mit neuester Technik bietet es viele Möglichkeiten für Forschung und Industrie.

Offizieller Startschuss für das Motion-Capture-Labor mit (v.l.): Carolin Wienrich, Marc Latoschik, Judith Gerlach und Florian Herrmann.
Offizieller Startschuss für das Motion-Capture-Labor mit (v.l.): Carolin Wienrich, Marc Latoschik, Judith Gerlach und Florian Herrmann. (Bild: Gunnar Bartsch / Universität Würzburg)

Geht es nach Marc Zuckerberg werden Menschen in Zukunft viel Zeit im Metaverse verbringen. Ihre Avatare treffen sich dort in virtuellen Räumen, unterhalten sich, tauschen Informationen aus. Aber woher können die Meta-Besucher und -Besucherinnen wissen, dass sich hinter einem Avatar tatsächlich die Person verbirgt, die sie erwarten, und nicht ein Betrüger?

An einer Lösung für dieses Problem wird aktuell im Motion-Capture-Labor der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) geforscht. „Wir gehen von der Überlegung aus, dass jeder Mensch ein individuelles und einzigartiges Bewegungsmuster hat“, sagt Professor Marc Latoschik. Der Informatiker und HCI`ler ist Inhaber des Lehrstuhls für Mensch-Computer-Interaktion und mitverantwortlich für das Labor. Wenn es also gelingt, dieses Bewegungsmuster exakt zu erfassen und in Daten zu beschreiben, könnte es in Zukunft möglich sein, Betrüger anhand ihrer Bewegungen schnell und sicher zu identifizieren.

Von der Medizin bis zu Games: Das Einsatzgebiet ist groß

Menschliche Bewegungen aufnehmen und analysieren: Darauf sind sogenannte Motion-Capture-Systeme spezialisiert. Die Erkenntnisse, die dabei gewonnen werden, sind beispielsweise in der Medizin interessant, wenn es darum geht, orthopädische Krankheiten zu untersuchen. In der Sportwissenschaft kommen solche Systeme zum Einsatz, um die Bewegungsabläufe von Sportlerinnen und Sportlern zu analysieren, zu optimieren und so möglicherweise die entscheidende Zehntelsekunde herauszuholen. Aber auch die Film- und Spiele-Industrie nutzt die Technik, um virtuelle Protagonisten möglichst lebensecht darzustellen.

An der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) hat jetzt ein neues Motion-Capture-Labor, ausgestattet mit der neuesten Technik, offiziell die Arbeit aufgenommen. Den Startschuss gaben am Freitag, 29. Juli 2022, zwei Vertreter der Politik: Bayerns Staatsministerin für Digitales, Judith Gerlach, und der bayerische Staatsminister für Bundesangelegenheiten und Medien, Florian Herrmann. Mit dabei waren Mitglieder der Universitätsleitung und Vertreterinnen und Vertreter des Lehrstuhls für Mensch-Computer-Interaktion der JMU.

Einsatz auch außerhalb des Labors möglich

Drei hochmoderne Motion-Capture-Systeme sowie Green-Screen-Technik sind die wesentlichen Bestandteile des Würzburger Labors. Diese bieten die Möglichkeit, Bewegungen exakt zu verfolgen; „Tracking“ wird diese Technik in der Fachsprache genannt. In der Regel tragen die Personen oder Objekte, deren Bewegungen aufgezeichnet werden, spezielle Marker mit reflektierenden Oberflächen. Diese lassen sich gut von mehreren Kameras gleichzeitig verfolgen.

Es gibt aber auch Systeme, die ohne Marker arbeiten – eines davon jetzt auch an der Uni Würzburg. Der Vorteil dieser Technik liegt auf der Hand: Es ist nicht an das Labor gebunden und lässt sich somit auch außerhalb des Gebäudes, beispielsweise im Rahmen von Feldstudien, einsetzen.

Diese Vielfalt unterschiedlicher Systeme am Würzburger Motion-Capture-Lab ermöglicht es seinen Nutzerinnen und Nutzern, ein breites Spektrum potenzieller Einsatzgebiete abzudecken. Unter anderem können damit die Vor- und Nachteile der verschiedenen Systeme untersucht und sinnvoll kombiniert werden.

Das Labor eignet sich sowohl für die wissenschaftliche Forschung als auch als Showroom für industrielle Anwendungen. Untersucht werden dort beispielsweise virtuelle soziale Interaktionen und Kollaborationen in XR (eXtended Reality) oder neue Möglichkeiten zur Unterstützung in der Therapie. Geplant sind weiterhin verschiedene Workshops für industrielle Partner und die interessierte Öffentlichkeit.

Der Würzburger „XR Hub“

Stichwort „XR“: Das Motion-Capture-Lab arbeitet unter dem Dach der Würzburger „XR Hub“. Dieser ist Teil der Initiative „XR HUB Bayern“ der bayerischen Staatsregierung. Verteilt auf drei Standorte in Würzburg, Nürnberg und München ist es Ziel der Einrichtungen, den Medien- und Wirtschaftsstandort Bayern zu stärken. Alle Hubs befassen sich mit Fragen rund um Technologien aus den Bereichen der Virtual Reality und der Augmented Reality. Der „XR HUB Bayern“ wird durch das Bayerische Staatsministerium für Digitales gefördert.

In Würzburg ist der Hub am Lehrstuhl für Mensch-Computer-Interaktion der Julius-Maximilians-Universität (JMU) angesiedelt. Er soll insbesondere den Schwerpunkten Forschung, industrielle Vernetzung und Wissenskommunikation dienen. Professor Marc Latoschik und Carolin Wienrich, Professorin für Psychologie intelligenter interaktiver Systeme an der JMU, leiten die Einrichtung.

Die EXPO 2022

Parallel zum Startschuss für das Motion-Capture-Labor haben Gerlach und Herrmann eine außergewöhnliche Veranstaltung an der Uni Würzburg eröffnen: die EXPO 2022. Dabei stellten Studierende der Studiengänge Mensch-Computer-Systeme, Human-Computer-Interaction, Games Engineering und Medienkommunikation ihre Abschluss- und Projektarbeiten der Öffentlichkeit vor.

Forschungsfragen, mit denen sie sich beschäftigt haben, lauten beispielsweise: Wie können medizinische Fachkräfte durch Technologie bei ihrer Arbeit unterstützt werden? Können Piloten den Umgang mit Stress in einer virtuellen Situation trainieren? Wie kann die Rehabilitation nach Unfällen oder Schlaganfällen durch Technologie unterstützt werden? Wie können virtuelle Spiele Missbrauch von Drogen verhindern? Wie funktioniert die Interaktion mit sozialen Robotern?

Stimmen zur Eröffnung

„Man hört häufig die Aussage, dass sich Innovation durchsetzt. Das kann aber nur schnell und in der Breite gelingen, wenn man die Bevölkerung auch dafür gewinnt. An der Universität Würzburg ist mittlerweile ein attraktives Ökosystem entstanden, an dem sich neue Technologien studieren und erforschen lassen. Es freut mich sehr, dass wir heute hier zusammenkommen und andere Menschen für diese Innovationen begeistern können. Wir müssen ihnen zeigen, welche Möglichkeiten hinter diesen Technologien stecken. Dafür sind Sie heute hier. Sie geben XR ein menschliches Gesicht.“ Judith Gerlach, Staatsministerin für Digitales.

„Ich freue mich, heute bei der Präsentation der spannenden Projekt- und Abschlussarbeiten der Studentinnen und Studenten am XR-Hub der Universität Würzburg dabei zu sein. Es braucht solche Visionäre, die über die Grenzen unserer Zeit hinausdenken und dadurch die Türen in die Zukunft öffnen. Diesen Weg in die digitale Zukunft unterstützen wir als Freistaat: Mit der Hightech Agenda Bayern investieren wir rund 3,5 Milliarden Euro in Zukunftstechnologien wie Künstliche Intelligenz, Quantencomputing, Luft- und Raumfahrt und Cleantech. In Würzburg werden der Data-Science-Knoten des KI-Districts Bayern und 42 neuen Professuren entstehen. So halten wir Bayern auf Zukunftskurs und sichern Wohlstand, Wirtschaftskraft und eine hohe Lebensqualität in allen Regionen des Freistaats.“ Dr. Florian Herrmann, Leiter der Staatskanzlei sowie Staatsminister für Bundesangelegenheiten und Medien.

„Es ist mir eine große Freude, die EXPO nach so langer Zeit der virtuellen Abstinenz wieder in Präsenz erleben zu dürfen. Hier zeigt sich die enge Verknüpfung von Cutting-Edge-Forschung und Lehre an der Universität Würzburg. Diese enge Verknüpfung macht es möglich, exzellente Lösungen für die Probleme der Zeit zu entwickelt. Wenn nicht von hier: Woher sonst soll die zukünftige Generation der Denker, Macher und Lenker kommen? Mein Dank geht deshalb an die bayerische Staatsregierung für ihre anhaltende Unterstützung.“ Prof. Dr. Marc Latoschik, Inhaber des Lehrstuhls für Informatik IX (Mensch-Computer-Interaktion) und Leiter des „XR HUB Bayern“

„Die EXPO ist ein schönes Beispiel für eine gelungene Interaktion verschiedener Fachbereiche und wegeweisende Ansätze in Lehre und Forschung. Sie zeigt, was es heißt, am Puls der Zeit zu sein. Der stetige Strom an Abschlussarbeiten in diesem Bereich sorgt für Impulse und Innovationskraft. Als Vizepräsident, der vorrangig für die Bereiche Innovation und Wissenstransfer verantwortlich ist, freut es mich besonders zu sehen, dass Wissenschaft und Wirtschaft hier eng zusammenarbeiten. Mein Dank geht deshalb an alle Firmenvertreter, die diese Veranstaltung mit ihrer finanziellen Unterstützung möglich gemacht haben. Prof. Dr. Matthias Bode, Vizepräsident der Universität Würzburg

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Von Gunnar Bartsch

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