Das Recht in der digitalen Welt
21.11.2023Enrico Peuker hat den neu eingerichteten Lehrstuhl für Recht der Digitalisierung und des Datenschutzes an der Universität Würzburg inne. Die Digitalisierung der Verwaltung bildet einen seiner Forschungsschwerpunkte.
Braucht es für den neuen Parkausweis der Stadt wirklich ein Formular – auf Papier und mit eigenhändiger Unterschrift – oder geht das auch digital? Lassen sich Verwaltungskontakte für Bürger und Unternehmen vereinfachen, indem die grundlegenden Daten eines Antragstellers bei einer Behörde gespeichert sind und andere Behörden einfach digital darauf zugreifen können? Oder, ganz allgemein formuliert: Hält das Verwaltungsrecht mit der technischen Entwicklung mit? Oder läuft es dem digitalen Fortschritt meilenweit hinterher und bedarf deshalb dringend einer Überarbeitung?
Es sind Fragen wie diese, mit denen sich Professor Enrico Peuker beschäftigt. Peuker ist seit Oktober 2023 Inhaber des neu eingerichteten Lehrstuhls für Recht der Digitalisierung und des Datenschutzes an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). Zusätzlich leitet er das Zentrum für soziale Implikationen künstlicher Intelligenz (SOCAI). Das deutsche und das europäische Verfassungs- und Verwaltungsrecht, die Regulierung der Digitalwirtschaft, der Datenschutz im Sicherheitsrecht und die Digitalisierung der Verwaltung bilden seine Forschungsschwerpunkte.
Datenschutz und Digitalisierung sind wichtige Querschnittsthemen
Datenschutz und Digitalisierung: Zwei Querschnittsthemen, die viele Bereiche betreffen, wie Enrico Peuker sagt. Als Rechtswissenschaftler interessiert ihn die Frage, wie der Gesetzgeber auf die Digitalisierung reagieren muss. „Gibt es Bereiche, in denen dringender Nachholbedarf besteht?“ Aber auch: „Wo funktioniert es ganz gut?“ – Zwischen diesen Polen bewegt sich seine Forschung. Dabei konzentriert er sich auf solche Aspekte, die das Öffentliche Recht betreffen.
„Viele unserer Gesetze und Vorschriften sind vergleichsweise alt. Als sie verabschiedet wurden, waren technische Entwicklungen, mit denen wir heute konfrontiert sind, nicht abzusehen“, sagt Peuker. Das gelte für das Grundgesetz genauso wie für das Verwaltungsrecht.
Wie eine Verwaltung nach außen auftritt, wie sie ihre internen Abläufe organisiert, wie Behörden über Landes- und Bundesgrenzen hinweg miteinander kommunizieren: Für all dies brauche es die entsprechenden Regeln, die für die nötige Rechtssicherheit sorgen. Wenn diese nicht mehr zeitgemäß sind, könne dies für Frust und Ärger sorgen. „Bürgerinnen und Bürger kennen die technischen Möglichkeiten und fragen sich: ‚Warum geht das nicht in meiner Behörde‘“, sagt Peuker. Dann seien rechtliche Antworten nötig.
Auch im Bereich Datenschutz sieht Peuker Handlungsbedarf. Zwar habe die Europäische Union mit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) einen Rahmen geschaffen, um den Datenschutz europaweit einheitlich zu regeln. Weil die Mitgliedstaaten zum Teil aber immer noch das Recht haben, eigene Regeln zu erlassen, ist die DSGVO seinen Worten nach nicht „das letzte Wort“.
Künstliche Intelligenz stellt neue Anforderungen an das Recht
Die aktuellen Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz stellen den Gesetzgeber und die Rechtswissenschaft ebenfalls vor neue Herausforderungen. „Man muss prüfen, ob die derzeitigen Normen und Konzepte zu den Einsatzmöglichkeiten einer Künstlichen Intelligenz noch passen“, sagt er. Gleichzeitig müsse darauf geachtet werden, ob die entsprechenden Geschäftsmodelle nicht mehr funktionieren, wenn die rechtlichen Hürden für KI-Anbieter zu hoch sind.
Nutzt der Wissenschaftler die neuen Möglichkeiten, die ChatGPT & Co. ihm bieten? „Ich nehme diese technische Neuerung selbstverständlich zur Kenntnis und stehe ihr berufsbedingt offen gegenüber“, sagt Peuker. In seinem Arbeitsalltag setzt er den Chatbot allerdings nicht ein – zu unzuverlässig und zu wenig vertrauenswürdig seien dessen Vorschläge, ist seine Erfahrung. Das könne sich ändern, wenn ChatGPT beispielsweise Zugang zu juristischen Datenbanken erhält.
Bis dahin rät er zu einem kritischen Umgang mit der Künstlichen Intelligenz – vor allem auf Seiten seiner Studierenden. Wenn diese den Chatbot die Einleitung ihrer Seminararbeit schreiben lassen, sei dies kaum zu verhindern. Den Rest ihrer Arbeit sollten sie jedoch unbedingt selbst verfassen. „Nur wer dazu in der Lage ist, seine Gedanken selbständig zu Papier zu bringen, kann andere Texte kritisch betrachten“, sagt Peuker. Und das sei bei Chatbots zwingend erforderlich.
Zur Person
Enrico Peuker, geboren 1982 in Leipzig, hat an der Universität Jena Rechtswissenschaft studiert und 2006 das Erste Juristische Staatsexamen abgelegt. Schon früh hat er sich auf das Öffentliche Recht konzentriert. „Die Frage: ‚Was darf der Staat, wo sind seine Grenzen?‘ hat mich schon zu Schulzeiten bewegt“, sagt er. Wenn es um die Ausübung von Herrschaft gegenüber anderen geht, seien rechtliche Regelungen nötig – also genau das, worum es im Öffentlichen Recht geht.
Von 2006 bis 2010 war Peuker wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Europarecht und Völkerrecht der Uni Jena; 2011 wurde er dort mit der Arbeit „Bürokratie und Demokratie in Europa. Legitimität im Europäischen Verwaltungsverbund“ promoviert. 2019 folgte die Habilitation an der Humboldt-Universität zu Berlin mit der Arbeit „Verfassungswandel durch Digitalisierung. Digitale Souveränität als verfassungsrechtliches Leitbild“.
Nach Lehrstuhlvertretungen in Saarbrücken, Rostock, Potsdam, Frankfurt (Oder) und Bayreuth wurde Peuker 2022 zum Professor für Öffentliches Recht, insb. Verwaltungsrecht an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) berufen; seit Oktober 2023 hat er den Lehrstuhl für Recht der Digitalisierung und des Datenschutzes an der Universität Würzburg inne.
Kontakt
Prof. Dr. Enrico Peuker, Lehrstuhl für Recht der Digitalisierung und des Datenschutzes, T: +49 931 31-84880, enrico.peuker@uni-wuerzburg.de