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Dem HIV-Lebenszyklus auf der Spur

05.04.2022

Weltweit sind rund 38 Millionen Menschen mit HIV infiziert. Auf der Suche nach neuen Ansätzen für Therapien haben Forschungsteams aus Würzburg und Berlin jetzt eine Technologie zur Analyse des HIV-Lebenszyklus entwickelt.

Redmond Smyth, korrespondierender Autor, und Liqing Ye, Erstautorin (vorne in der Mitte) mit dem HIRI-Team der HIV-Studie.
Redmond Smyth, korrespondierender Autor, und Liqing Ye, Erstautorin (vorne in der Mitte) mit dem HIRI-Team der HIV-Studie. (Bild: HIRI / Britta Grigull)

Schlüsselstadien im Lebenszyklus eines Virus können zentrale Angriffspunkte für Medikamente und Therapien darstellen. Ziel der Grundlagenforschung ist es daher, diese Prozesse auf molekularer Ebene zu verstehen und beeinflussen zu können. Ein besonderes Merkmal des HI-Virus ist es, dass es zwei Kopien seines Erbguts enthält. Während einer Infektion werden diese in einem „Dimerisierung“ genannten Vorgang miteinander verbunden, um daraus ein neues Viruspartikel herzustellen. Außerdem wird die Dimerisierung damit in Verbindung gebracht, dass ein neu produziertes Viruspartikel in einer Proteinhülle verpackt wird. Erst dadurch entsteht ein vollständiges, infektiöses neues Teilchen, und das Virus hat sich erfolgreich vermehrt (repliziert).

Anordnung der RNA entscheidend

Im Fachmagazin Nature Structural and Molecular Biology beschreiben Forscherinnen und Forscher des Würzburger Helmholtz-Instituts für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) – einer Einrichtung des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig in Kooperation mit der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg – sowie des Robert Koch-Instituts (RKI) in Berlin jetzt eine neuartige Technologie, mit deren Hilfe sie diese Prozesse genau untersuchen können. Genannt FARS-seq (von engl. Functional Analysis of RNA Structure), hilft ihre Methode, Regionen des HIV-1-Genoms zu identifizieren, die für die Dimerisierung und Produktion der Virenhülle wichtig sind.

„Die Idee, dass die Dimerisierung eine Voraussetzung für die Verpackung des Virus vom Typ HIV-1 ist, besteht schon seit langem in der Forschung. Die zugrunde liegenden molekularen Mechanismen waren bislang jedoch unklar. Unsere Studie liefert diese Details in hoher Auflösung, sodass ein gezieltes Eingreifen möglich wird“, erläutert Juniorprofessor Redmond Smyth, Initiator der Studie und Forschungsgruppenleiter am HIRI.

Ein molekularer Schalter für die Virusreplikation

Liqing Ye forscht am HIRI im Labor von Smyth und ist Erstautorin der aktuellen Studie. Sie ergänzt: „Wir konnten zeigen, dass das HIV-1-Erbgut zwei verschiedene RNA-Konformationen aufweist. Nur eine davon hat die Merkmale, die es braucht, um die Virushülle herzustellen. Bei der zweiten Anordnung verbleibt die RNA in der Wirtszelle und produziert dort neue virale Proteine. Diese beiden Konformationen wirken daher wie ein molekularer Schalter, der das Schicksal der viralen RNA und damit der Virusreplikation lenkt.“

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben Sequenzen mit einer Auflösung von einem Nukleotid identifiziert, die das Gleichgewicht zwischen diesen beiden RNA-Konformationen regulieren. Ihre Studie verdeutlicht, wie die Bindung viraler Faktoren an diese Regionen genutzt werden kann, um den Zusammenbau des Virus gezielt zu steuern oder zu stören.

„Wir hoffen, diese neuen Erkenntnisse für RNA-basierte antiretrovirale Medikamente oder verbesserte Gentherapievektoren nutzen zu können“, sagt Redmond Smyth vom Würzburger Helmholtz-Institut. In Folgestudien wolle man jetzt untersuchen, ob die Beobachtungen auch bei anderen Stämmen des HI-Virus Bestand haben. 

Über HIV

Das Humane Immundefizienz-Virus (HIV) zählt zur großen Familie der Retroviren. Diese sind behüllt, und ihre Erbinformation besteht aus Ribonukleinsäuren (RNA, von engl. ribonucleic acid). Charakteristisch für Retroviren wie HIV ist es, dass die viralen Partikel jeweils aus zwei Kopien des RNA-Genoms bestehen. Bislang sind zwei Virustypen bekannt, die den Menschen infizieren: HIV-1 und HIV-2. Vorliegende Studie befasst sich mit HIV-1 – der Variante, die mehr als 90 Prozent aller Infektionen ausmacht.

Originalpublikation

Short and long-range interactions in the HIV-1 5’UTR regulate genome dimerization and packaging. Ye L, Gribling-Burrer AS, Bohn P, Kibe A, Börtlein C, Ambi UB, Ahmad S, Olguín-Nava M, Smith M, Caliskan N, von Kleist M, Smyth RP (2022). Nature Structural and Molecular Biology. DOI: 10.1038/s41594-022-00746-2

Von Britta Grigull / HIRI

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