Den Fingerzeig richtig deuten
18.12.2018Zeigegesten sind hilfreich. Sie führen aber oft zu Missverständnissen, weil sie unterschiedlich interpretiert werden. Forscher der Universität Würzburg wollen nun herausfinden, was die Entschlüsselung von Zeigegesten beeinflusst.
Die Situation kennt vermutlich jeder: Man steht beim Bäcker und möchte ein bestimmtes Teilchen. Die Person hinter dem Tresen zeigt auf mehrere Teilchen, bis dann endlich das Wunschobjekt ausfindig gemacht wurde. Häufig kommt es wegen solcher Gesten zu Missverständnissen. Insbesondere, wenn es sich um kleine Objekte handelt, die sich ähnlich sehen.
Forschende der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) wollen in einem neuen Forschungsprojekt herausfinden, welche Faktoren die räumliche Interpretation von Zeigegesten beeinflussen. Dies erforschen sie mittels Virtual Reality (VR). „Eine virtuelle Person zeigt in einer VR-Umgebung – wie es ein Mensch auch machen würde – an eine beliebige Stelle. Der Mensch muss dann diese Stelle markieren“, erklärt Dr. Oliver Herbort vom Lehrstuhl für Psychologie III für Kognitive Psychologie. Er leitet das Projekt an der JMU.
Die gezeigte und markierte Stelle unterscheiden sich mit großer Wahrscheinlichkeit, denn die Zeigegeste und deren Interpretation werden von verschiedenen Variablen beeinflusst. „Das wird umso deutlicher, je unauffälliger das Objekt ist“, sagt Herbort. In früheren Studien fand der Wissenschaftler bereits heraus, warum der Betrachter den ‚Fingerzeig‘ oft nicht versteht: Betrachter verlängern nicht die Linie vom Auge zur Zeigefingerspitze des Zeigenden, die typischerweise zum Objekt führt, sondern verlängern zum Beispiel die Linie, die sich aus Arm und Zeigefinger ergibt. Dazu kommt, dass es dem Betrachter oft nicht gelingt, solche Linien korrekt zu verlängern.
In ihrem neuen Projekt wollen Herbort und seine Doktorandin Lisa-Marie Krause die Körperhaltung des Zeigenden und die subjektive Wahrnehmung beim Beobachten im Blick behalten. Zudem versuchen sie, Variablen wie Blickwinkel, unterschiedliche Räume sowie sogenannte „non-kanonische Zeigegesten“, wie zum Beispiel Zeigen mit angewinkeltem Arm und Finger, zu bedenken.
Ziel ist bessere Kommunikation
Ziel der Forschung ist es, vorhersagen zu können, wie ein Betrachter eine bestimmte Zeigegeste interpretiert und welche Zeigegeste sich für welches Objekt am besten eignet, erklärt Herbort.
Zudem wollen die Wissenschaftler erforschen, inwieweit sich die in der VR-Umgebung gewonnenen Erkenntnisse auf reale Kommunikationssituationen übertragen lassen.
Die Forschungsergebnisse könnten nicht nur die Kommunikation mit Zeigegesten vereinfachen, sondern auch die Interaktion mit Robotern erleichtern. „Hilfreich ist es zum Beispiel, wenn man sich bewusst macht, wo Zeigegesten sinnvoll sind“, sagt Herbort. „So könnten beispielsweise Lehrer im Unterricht zielgerichteter zeigen.“
Das Forschungsprojekt startet im Frühling 2019 und wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.
Kontakt
Dr. Oliver Herbort, Lehrstuhl für Psychologie III, T.: +49 931 31-89809, oliver.herbort@psychologie.uni-wuerzburg.de