Der Fälschung auf der Spur
14.05.2019Wie lassen sich Jugendliche für Fake News und Propaganda im Internet sensibilisieren? Um diese Frage drehte sich ein Workshop für Lehrkräfte an der Uni Würzburg. Zur Begrüßung war die US-Generalkonsulin aus München angereist.
Wieso das US-amerikanische Konsulat München einen Workshop zu Fake News und Propaganda im Internet bezuschusst? Klare Antwort: Weil es dessen Ziel ist, Menschen in den USA und in Bayern zusammen zu bringen – und das auch ein Anliegen des Konsulats ist. Meghan Gregonis, Generalkonsulin der Vereinigten Staaten in München, hat in ihrem Grußwort den Rahmen aus ihrer Perspektive so beschrieben: „Wir beobachten, wie Russland versucht, unsere Wahlen zu beeinflussen. Wir verfolgen mit wachsender Besorgnis ähnliche Aktivitäten von Ländern wie China, Iran oder Nordkorea. Und wir sind besorgt hinsichtlich der Aktivitäten nichtstaatlicher Akteure, wie terroristischer Gruppen. Wer sich nicht mit Propaganda und Desinformation auskennt, wird leicht zum Opfer“, so Gregonis. Diese erkennen zu können, sei Ziel des Workshops, und deshalb freue sie sich über dieses „amazing joint venture“ der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und der University of Rhode Island, USA.
Gregonis war vor ihrer Tätigkeit in Deutschland stellvertretende Direktorin für Public Diplomacy im Büro für europäische und eurasische Angelegenheiten des Auswärtigen Amtes, wo sie die Public-Diplomacy-Bemühungen in Westeuropa leitete und erweiterte. In dieser Funktion koordinierte sie auch die Kampagnen der USA gegen Desinformation.
Ein deutsch-amerikanischer Workshop
„Mobile Propaganda and Disinformation Labs“: So lautete der Titel des Workshops. Konzipiert haben ihn Professorin Silke Grafe, Leiterin des Lehrstuhls für Schulpädagogik an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU), und ihr wissenschaftlicher Mitarbeiter Christian Seyferth-Zapf, gemeinsam mit der international renommierten US-amerikanischen Expertin für Medienbildung Professorin Renee Hobbs (University of Rhode Island). Zielpublikum waren Lehrkräfte von Mittel- und Realschulen sowie von Gymnasien; sie sollten im Rahmen der vierstündigen Fortbildung lernen, wie sie ihre Schülerinnen und Schüler in Zeiten von Fake News, Clickbait und Propaganda im Netz für dieses Thema sensibilisieren können.
„Propaganda und gefälschte Informationen finden sich heute überall im Netz: Von scheinbar seriösen Medien bis zur Unterhaltung, von einzelnen Posts in den sozialen Medien bis zu ganzen Filmen auf Youtube“, beschreibt Silke Grafe das Problem. Und nur selten ließen sich diese Fälschungen auf den ersten Blick enttarnen. Deshalb sei es wichtig, Schülerinnen und Schüler darin zu fördern, Fake News zu erkennen, indem sie lernen, kritische Fragen zu stellen, Quellen zu checken und beispielsweise Bilder auf ihre Herkunft zu prüfen.
Medienkompetenz fördern durch kritisches Analysieren von Propaganda im Unterricht
Genau dies hat Christian Seyferth-Zapf im Rahmen seiner Doktorarbeit getan. Seyferth-Zapf ist dafür an ein Gymnasium gegangen und hat dort in insgesamt 15 Unterrichtsstunden alle Themen moderner Propaganda behandelt – von den Einflussversuchen des IS über Rechtsextreme bis zu scheinbar simplem Populismus. Eines seiner Übungsbeispiele: Als im Dezember 2017 im US-Bundesstaat Washington ein Zug entgleiste und zum Teil auf eine Autobahn stürzte, war relativ schnell klar, dass es sich dabei um einen Unfall handelte – verursacht durch überhöhte Geschwindigkeit. Dennoch verbreiteten sich im Internet Theorien, wonach ein Anschlag Auslöser des Unglücks gewesen sein sollte.
Seyferth-Zapf präsentierte seinen Schülern eine Meldung, nach der ein muslimischer Attentäter den Zug zum Entgleisen gebracht habe, zusammen mit dessen Foto. Im Laufe ihrer Recherche konnten die Schüler herausfinden, dass dieses Foto einen Guantanamo-Häftling zeigt, der zum fraglichen Zeitpunkt unmöglich in Washington gewesen sein konnte. „An diesem Beispiel haben sie gelernt, Bilder sozusagen rückwärts zu suchen“, erklärt der Schulpädagoge. Mit dieser Technik ließen sich viele Fälschungen relativ leicht identifizieren.
Kritischer Blick auf die Medien
Seit mehr als zehn Jahren arbeitet Silke Grafe mit der US-amerikanischen Professorin Renee Hobbs zusammen. Ihr gemeinsames Forschungsinteresse steht unter der Überschrift „Mind over Media“, was sich – ganz unwissenschaftlich formuliert – etwa mit „Erst den Verstand einschalten, bevor man den Medien glaubt“ übersetzen lässt. Dabei suchen die beiden Professorinnen nach Beispielen digitaler Propaganda und entwickeln Unterrichtsmodule für unterschiedliche Fächer, Schularten und Altersstufen, mit deren Hilfe der kritische Blick geschult werden soll. Ansatzpunkte dafür gibt es viele: Beispielsweise wenn im Deutschunterricht das Thema „Medienanalyse“ auf dem Lehrplan steht. Oder wenn im Biologieunterricht die (längst widerlegte) Behauptung von Impfgegnern überprüft wird, ob Impfen tatsächlich Autismus auslösen kann.
„Wissen gewinnen und vertiefen. Das Bewusstsein schärfen für die Bedeutung von Aufklärung. Und: Beispiele liefern, wie man das Thema in den Unterricht einbringen kann“: So beschrieb Renee Hobbs die Ziele des Workshops. Insgesamt 100 Lehrkräfte aus ganz Bayern hatten sich für die vier Termine angemeldet, die in München, Nürnberg und Würzburg angeboten worden waren. Dabei war der aktive Einsatz der Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Anfang an gefordert. Mit Hilfe digitaler Technik, am Beispiel zahlreicher Apps, mit der Unterstützung von Augmented Reality und mit jeder Menge Arbeitsaufträgen durften sie sich einen Nachmittag lang intensiv mit der Analyse internationaler Propaganda und Desinformation beschäftigen – beziehungsweise mit einem „really important topic“, wie Meghan Gregonis sagte.
Kontakt
Prof. Dr. Silke Grafe, Lehrstuhl für Schulpädagogik, T: +49 931 31-81535, silke.grafe@uni-wuerzburg.de
Christian Seyferth-Zapf, Lehrstuhl für Schulpädagogik, T: +49 931 31-80995, christian.seyferth-zapf@uni-wuerzburg.de