Die Erfolgsformel heißt 2+1
03.07.2018Mit einer innovativen Neukonzeption hat das Universitätsklinikum Würzburg den Schockraum der chirurgischen Notaufnahme neu gestaltet.
Der Schockraum ist der Dreh- und Angelpunkt der Notaufnahme, wenn es um die Versorgung von Schwerverletzten geht. Dass dieser Raum zur besseren Patientenversorgung idealerweise auch multifunktional eingesetzt werden kann, zeigt die Neukonzeption am Uniklinikum Würzburg, die auf ein gelungenes Zusammenspiel von Radiologen, Unfallchirurgen und Anästhesisten zurückgeht: Entstanden ist ein Doppelschockraum, dessen Kern ein neues Hochleistungs-CT mit einer sogenannten „Sliding-Gantry-Technologie“ bildet, das gleichermaßen für die Akutdiagnostik von bis zu zwei Schwerverletzten genutzt werden kann sowie ergänzend für Routineuntersuchungen stationärer Patienten.
„Die Idee ist so simpel wie genial“, erläutert Professor Thorsten Bley, Direktor des Instituts für diagnostische und interventionelle Radiologie am UKW. „Raum ist am Uniklinikum Gold wert. Daher haben wir aus zwei getrennten Schockräumen einen doppelten Schockraum gemacht, der mehrere Funktionen gleichzeitig erfüllt. Neben der akuten Diagnostik von Schwerverletzten kann einer der Schockräume zusätzlich für Routine-Untersuchungen genutzt werden. So können wir unsere Abläufe besser planen, die Auslastung der Schockräume erhöhen und Wartezeiten für Patienten mit Termin minimieren, die entstehen, wenn ein schwerverletzter Patient kurzfristig in den Schockraum eingeliefert wird.“
Ein CT mit drei Funktionen
Das neue Schockraumkonzept trägt den Bedürfnissen einer hochwertigen Versorgung von Patienten ebenso Rechnung wie einer Optimierung der Strukturen und Abläufe: An die Stelle des bisherigen Schockraumes ist nun ein 140 Quadratmeter großer Doppelschockraum getreten. Im Kern befindet sich ein mobiles CT, das sich auf Schienen bewegt und über den untersuchten Patienten gefahren wird, ohne dass dieser sich bewegen muss ("Sliding Gantry").
Der Clou an dem neuen System: Das Gantry kann auf dem Schienensystem in beide Richtungen der Schockräume gefahren werden. Damit kann das CT für zwei Patienten quasi gleichzeitig eingesetzt werden. Neueste Prozessoren und CT-Spiraltechnik ermöglichen eine Ganzkörper-Computertomographie innerhalb weniger Minuten. „Die technische Leistungsfähigkeit des Gerätes ist so hoch, dass wir das CT zur Routinediagnostik und gleichermaßen für ein bis zwei Schockraumpatienten einsetzen können“, erläutert Professor Rainer Meffert, Direktor der Klinik und Poliklinik für Unfall-, Hand-, Plastische und Wiederherstellungschirurgie. „Wir fassen dieses Prinzip unter dem Namen ,Ein CT mit drei Funktionen' zusammen. Es ist patientenorientiert, praktikabel, schnell und durch Synergien bei Personal und Wartung auch rentabel. Damit stellen wir die Weichen für die nächsten Jahre“, ist der Unfallchirurg überzeugt.
Auch die Entwicklung der Patientenzahlen machte eine Neukonzeption des Schockraums erforderlich. Innerhalb von zehn Jahren sind die Schockraumeinsätze jährlich um sechs Prozent von 401 in 2007 auf 722 in 2017 gestiegen. Um diesem Trend gerecht werden zu können, bilden verbesserte Strukturen bei der Schwerverletztenversorgung eine wichtige Voraussetzung.
Vorteile für beteiligte Fachdisziplinen
Auch der Direktor der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Professor Norbert Roewer, sieht aus anästhesiologischer Perspektive viele Vorteile: „Für unsere Klinik ist zentral, dass Akuttherapie und Diagnostik Hand in Hand gehen. So gewinnen wir wertvolle Zeit, die gerade bei der Versorgung von lebensbedrohlich verletzten Patienten eine entscheidende Rolle spielt. All diese Aspekte sind durch die innovative Neukonzeption 1:1 umgesetzt.“
Als Leiter der Sektion Notfall- und Katastrophenmedizin richtet Professor Thomas Wurmb seinen Blick auch auf einen reibungslosen Übergang von der präklinischen in die klinische Versorgung, den er durch den neuen Doppelschockraum optimal gewährleistet sieht: „Nach der notärztlichen Erstversorgung von Trauma-Patienten ist eine nahtlose Übergabe an das Schockraumteam der Klinik essentiell. Durch die schnelle Ganzkörper-Computertomographie im Schockraum kann umgehend eine genaue Diagnose gestellt werden, auf deren Basis die notärztlichen Verdachtsdiagnosen direkt verifiziert und die begonnene Therapie weitergeführt werden kann. Die beiden neuen Schockräume bieten dafür ideale Möglichkeiten.“
An einem Strang ziehen
Gemeinsam geplant wurde das Konzept im Schockraumführungsteam, einem interdisziplinären Gremium mit Ärzten und Pflegekräften aus Radiologie, Allgemeinchirurgie, Unfallchirurgie und Anästhesiologie, das bereits 2004 von Professor Norbert Roewer eingeführt wurde, um die interdisziplinäre Zusammenarbeit zu stärken und klare Zuständigkeiten festzulegen.
Für das Schockraum-Projekt kamen 2017 Experten unter anderem aus der UKW-Bauabteilung und Medizintechnik ins Team. In der Planungs- und Umsetzungsphase umfasste das Gremium 15 bis 20 Beteiligte. Zunächst galt es, eine Raumlösung zu entwickeln, die den vergrößerten Doppelschockraum fassen konnte. Dabei erwies sich die Bauabteilung als kompetenter Berater: Im Ergebnis entstand der Doppelschockraum, indem die bisherige Raumstruktur komplett überarbeitet und das neue CT um 90 Grad im Vergleich zum Vorgänger gedreht wurde.
Reibungslose Umsetzung in kurzer Zeit
Die Umsetzung erfolgte bei laufendem Klinikbetrieb in nur vier Monaten von Januar bis April 2018. Während dieser Umbauphase galt es, für etwa 200 Schockraum-Patienten einen alternativen Behandlungsraum zu finden. Zwischenzeitlich erfüllte ein großer multifunktionaler Eingriffsraum diesen Zweck. Insgesamt 26 Firmen beteiligten sich an den aufwändigen Umbauarbeiten, vom Estrich- über den Fliesenleger bis hin zu Sanitär, Elektroinstallation und Brandschutz, von der Medizintechnik bis zum CT-Hersteller. In Decken, Boden und Wänden wurden 8.000 Meter Energie- und Datenleitungen eingelassen, damit die Hochleistungstechnik reibungslos funktionieren kann.
Über die gelungene Umsetzung freut sich auch der Ärztliche Direktor des Uniklinikums, Professor Georg Ertl: „Die Schockraumspange bildet das Herzstück unserer chirurgischen Notaufnahme im Universitätsklinikum. Mit dieser Neukonzeption denken wir zukunftsfähig und bauen qualitativ ebenso wie quantitativ Hochleistungsmedizin mit vollem Funktionsrepertoire auf.“