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Die Geschichte hinter der „Zeitung für Deutschland“

24.09.2019

Ein Buch über die FAZ? Sicher etwas nur für eingefleischte Journalisten. Doch das Buch des Würzburger Historikers Peter Hoeres zeigt einen Blick in den Mikrokosmos FAZ, der auch die (west-) deutsche Gesellschaft widerspiegelt.

Ausschnitt vom Cover des neuen Buches "Zeitung für Deutschland. Die Geschichte der FAZ".
Ausschnitt vom Cover des neuen Buches "Zeitung für Deutschland. Die Geschichte der FAZ". (Bild: Verlag Benevento)

Ob Frankfurt, Berlin, Köln oder Würzburg – in vielen Haushalten liegt die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) jeden Morgen auf dem Küchentisch. Und das nicht ohne Grund: Als eine von wenigen Zeitungen in Deutschland prägte und prägt die FAZ bis heute politische und gesellschaftliche Diskurse. Professor Peter Hoeres, Historiker an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) erhielt nun als erster Wissenschaftler Zugang zu den Archiven der FAZ – und schrieb ausgehend von seinen überraschenden Funden das Buch „Zeitung für Deutschland – Die Geschichte der FAZ“.

Die deutsche Medienlandschaft ist relativ überschaubar, wenn es um sogenannte Leitmedien geht. Süddeutsche Zeitung, Spiegel, Bild, Zeit und eben die FAZ. Eigentlich standen die Chancen zunächst schlecht für die FAZ, denn sie wurde vergleichsweise spät gegründet: Erst nach Aufhebung des alliierten Lizenzzwangs erschien die Zeitung erstmals 1949.

Ein „Fenster zur Welt“

Doch wie hat sie es geschafft, zum Leitmedium zu werden? Wie ging die Zeitung mit dem Erbe des Nationalsozialismus um? Und wie prägte sie politische und gesellschaftliche Debatten im Land? Diese Fragen hat sich Hoeres in seinem Buch gestellt. In Korrespondenzen, Notizen und unveröffentlichten Schreiben suchte er nach Besonderheiten der FAZ-Geschichte. Er beschäftigt sich unter anderem mit der NS-Vergangenheit der ersten Mitarbeiter, den 68ern, den „roten“ Siebzigern und „schwarzen“ Achtzigern. Auch provokante Feuilletondebatten sowie das Schreiben in der Männerbastion FAZ sind zentrale Themen.

Die wichtige Rolle der FAZ in der Medienlandschaft kommt laut Hoeres nicht von ungefähr: „Die Zeitung hatte immer ein sehr großes Korrespondentennetz, auch in mehreren Ressorts. Sie war damit ein Fenster zur Welt“, erklärt der Historiker. Zudem sieht er den hohen Qualitätsanspruch der Zeitung als Erfolgsmittel: „Alleine einen Leserbrief in der FAZ zu platzieren, galt als großer Erfolg.“ Hier fanden auch große Debatten statt, wie zum Beispiel der Historikerstreit in den 80er Jahren um Ernst Nolte, der die Singularität des Holocaust und das Geschichtsbild Deutschlands zum Thema hatte.

Konservativ oder Avantgarde?

„Dahinter steckt immer ein kluger Kopf“ wurde das Motto der FAZ. Und Hoeres bestätigt, dass es vor allem die individuellen Köpfe waren, die das Blatt prägten – ob nun Marcel Reich-Ranicki oder Frank Schirrmacher. In der Regel wird die FAZ dem liberalen-konservativen politischen Spektrum zugeordnet. Doch Hoeres sieht durch seine Forschung eher die Pluralität in der Redaktion. Ein Beispiel: „Während Karl Heinz Bohrer aus dem Feuilleton sogar die Kritik und die Belagerung der eigenen Zeitung durch die 68er begrüßte, war das Politik- und Wirtschaftsressort sehr viel kritischer gegenüber der Studentenbewegung“, so Hoeres.

Dennoch ist der konservative Geist in den Archiven spürbar: Die Tradition der Sprachpflege, die hartnäckige Wiedervereinigungsposition im Politikressort, die Kritik an der Europolitik im Wirtschaftsressort. Auch hat es bis in die 80er Jahre gedauert, bis eine Frau im Wirtschaftsteil der FAZ Fuß fassen konnte. Und unter Kultur wurde lange nur die Hochkultur verstanden, was Hoeres amüsiert hat. So tauchten die Beatles beispielsweise kein einziges Mal mit einer neuen Platte in der Musikkritik auf.

Schwierige Recherche

Das Buchprojekt hatte zunächst auch Hürden zu nehmen: „Es ist tatsächlich so, dass die deutschen Medienhäuser ein großes Geheimnis von ihrer Geschichte machen – ganz im Gegensatz zu Zeitungen im Ausland“, erklärt Hoeres. Entsprechend schwierig sei es gewesen, an Informationen und Zugang zum Archiv zu gelangen. „Es hat viele Jahre an Überzeugungsarbeit und Beharrlichkeit gekostet.“

Doch am Ende gelang es, mit „Zeitung für Deutschland“ die Geschichte und Entwicklung einer maßgeblichen publizistischen Stimme Deutschlands zu analysieren – in voller Unabhängigkeit und ohne Zuwendungen des Medienhauses. Das Buch ist am 19. September erschienen und wird am 8. Oktober in Berlin von Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble und FAZ-Herausgeber Werner D’Inka der Öffentlichkeit präsentiert.

Die Forschung zu Leitmedien ist in Deutschland sehr dünn. Ausländische Medien sind im wissenschaftlichen Kontext bereits länger Gegenstand von Forschungen. Mediengeschichte spielt an der JMU jedoch eine wichtige Rolle: Die FAZ war ebenfalls Thema eines Projekts an der JMU, das von der Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wurde. Hier wurden von Dr. Maximilian Kutzer, Roxanne Narz und Frederic Schulz speziell die Ressorts Wirtschaft, Kultur und Politik aus der Perspektive von Historikern betrachtet. Das Projekt wurde ebenfalls von Peter Hoeres geleitet. Hoeres‘ aktuelle FAZ-Monografie entstand unabhängig vom DFG-Projekt und bietet eine Gesamtschau der Geschichte der FAZ.

 

Kontakt

Prof. Dr. Peter Hoeres, Institut für Geschichte, Universität Würzburg, T +49 (931) 31 80464, peter.hoeres@uni-wuerzburg.de

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Von Kristian Lozina

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