Digital ins Sommersemester VIII
05.05.2020Patientenfälle online aufbereiten, Untersuchungstechniken digital unterrichten und immer in Interaktion zu den Studierenden stehen: Mit diversen Onlineformaten stellen sich Medizindozenten den Herausforderungen im Digitalsemester.
Im achten Beitrag der einBLICK-Serie „Gute Beispiele für digitale Lehre“ stellen Dozenten aus der Medizinischen Fakultät ihre Lehrkonzepte vor.
Kinder- und Jugendpsychiatrie: Professor Marcel Romanos
Professor Marcel Romanos, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (KJPPP) am Universitätsklinikum Würzburg, setzt mit seinem Team verstärkt auf Wissensvermittlung anhand von CaseTrains – einer beliebten Lehrform für fallbasiertes Online-Training. Mit CaseTrains können die Dozenten Patientenfälle schrittweise von der Diagnosefindung bis zur Therapie aufbereiten. Und die Medizinstudierenden müssen diese selbständig lösen, indem sie Fragen im Multiple Choice-Format bearbeiten, auf die wiederum eine sofortige Rückmeldung erfolgt.
Das KJPPP-Team hat in den vergangenen Wochen eine ganze Menge an CaseTrains mit neu formulierten Fragenkatalogen und verschiedenen Aufgaben erstellt sowie Videos und Audiofiles von Anamnesegesprächen und Interviews mit Patienten oder Schauspielern neu produziert. Die ersten Rückmeldungen der Medizinstudierenden aus Kursen, Praktika und Seminaren waren sehr positiv: „Wir scheinen es zu schaffen, die klinische Erfahrung mit Patienten, die an Essstörungen, Angsterkrankungen, ADHS, Autismus und anderen psychischen Erkrankungen leiden, digital emulieren zu können“, berichtet Marcel Romanos.
Wichtig bei der Online-Lehre sei auch der direkte Kontakt zu den Studierenden: „Sowohl für Blockpraktikanten als auch Seminarteilnehmer telefonieren wir täglich und besprechen ihre Lernerfahrung sowie die Ergebnisse ihrer Aufgaben, die sie uns zuvor zuschicken. Für jedes Thema sind feste Ansprechpartner definiert, die mit Kleingruppen auch oft in Telekonferenzen zusammenkommen“, so Romanos.
Den Aufwand bei der Erstellung nicht nur der CaseTrains sieht der Klinikdirektor als erheblich an: Um ein Anamnesegespräch von einer Stunde präsentieren zu können, sei letztlich ein Organisationsaufwand von drei bis vier Stunden erforderlich. „Allerdings lohnt sich die Aktivierungsenergie, denn wenn die Inhalte einmal erstellt sind, können sie flexibel und multipel über längere Zeiträume Verwendung finden. Es erscheint sehr mühsam und undankbar zu Beginn, aber es lohnt sich, es anzugehen.“ Sein Fazit: Nicht lamentieren, einfach machen.
Orthopädie: Dr. Thomas Schäfer
Dr. Thomas Schäfer koordiniert am Lehrstuhl für Orthopädie von Professor Maximilian Rudert gemeinsam mit Dr. Kilian Rückl das E-Learning-Angebot. Vermittelt wird die Lehre in der Orthopädischen Klinik König-Ludwig-Haus in diesem Digitalsemester über Vorlesungen, onlinebasierte Untersuchungskurse und CaseTrains.
In die Vorlesungspräsentationen der Orthopäden werden per Screen auch die Dozenten integriert, indem sie vor einem Greenscreen-Hintergrund mitgefilmt werden. Diese multimedialen Präsentationen werden wöchentlich zum eigentlichen Vorlesungszeitpunkt im Videoformat bereitgestellt. Parallel zur Live-Vorlesung bieten die Lehrenden ihre Vorlesungsskripte auch online an. Unterstützend zum begleitenden Praktikum gab es aus der Klinik bisher ein Fachbuch mit orthopädischen Untersuchungstechniken – dieses aber noch nicht in animiert-digitaler Form. Daher hat Thomas Schäfer als Ersatz für die echten praktischen Übungen und zusammen mit seinen Kollegen im König-Ludwig-Haus Untersuchungsvideos komplett neu produziert und vertont. Diese Videos können die Studierenden per Link in den Untersuchungsanleitungen für die verschiedenen Gelenke einzeln und jederzeit abrufen.
„Das praktische Erlernen von ärztlichen Fertigkeiten und auch das fallverknüpfte Lernen am Krankenbett sind derzeit einfach eingeschränkt“, erläutert Schäfer. „Unsere Studierenden können aber auch mit unseren neuen CaseTrains Patientenfälle schrittweise bearbeiten und hier bereits erarbeitetes Wissen aus Vorlesung, Untersuchungskursen und Selbststudium eigenständig überprüfen.“
Der Aufwand ist laut Schäfer personell und technisch sehr hoch. Zu Beginn der Umstellung auf ein rein digitales Lehrprogramm seien reihenweise technische Grenzen aufgetreten, die nur durch Unterstützung von technisch versierten Personen zu bewältigen seien: „Wir im König-Ludwig-Haus arbeiten neben unserer IT-Abteilung vor allem sehr eng mit unseren Studierenden im Praktischen Jahr zusammen: Katharina Grunz, Markus Koch und Jonathan Müller bringen nicht nur Motivation und unglaubliches technisches Know-how mit, sie kennen auch die Sicht der Studierenden und die aktuell genutzten Lernformate und -plattformen bestens“, sagt Thomas Schäfer.
Ein Tipp des Orthopäden: „Beziehen Sie bei der Digitalisierung der Lehre von Anfang an die Studierenden mit ein, da sie aus eigener Sicht mit sehr wertvollen Beiträgen das gewünschten E-Learning-Format mitgestalten können.“
Mikrobiologie: Dr. Thien-Tri Lam
Dr. Thien-Tri Lam, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Hygiene und Mikrobiologie, hat sich gemeinsam mit dem Lehrstuhlinhaber Professor Oliver Kurzai für Online-Lehrformate entschieden, die insbesondere auf Interaktion setzen: Zoom-Webinare mit Chats und Online-Votings.
Während die Vorlesung als Zoom-Webinar stattfindet, können die Studierenden im Chat parallel ihre schriftlichen Fragen stellen. „Dabei sind sie sehr konzentriert, sie stellen inhaltlich sehr gute, keine banalen technisch-organisatorischen Fragen“, lobt der Dozent seine Studierenden der Humanmedizin nach der ersten Vorlesungseinheit „Mikrobiologe, Virologie, Hygiene“. 130 Teilnehmer hat Lam für den Chat bei der Einführungsvorlesung freigeschaltet. „Ich bin sehr überrascht von der hohen Präsenz der angemeldeten Teilnehmer. Und während ich spreche, halten sie diszipliniert still. Gegen Ende der Vorlesungszeit rollen dann die Fragen ein, die wir Dozenten natürlich auch nach dem offiziellen Zeitfenster gerne beantworten“, berichtet Thien-Tri Lam.
Eine Studentin hat ihm per Mail geschrieben: „Ich hoffe, die kommenden Vorlesungen werden weiterhin so abwechslungsreich gestaltet. Auch wenn Sie uns nicht bei jedem dritten Witz lachen hören können, lachen wir auch vor den Bildschirmen.“
Als Aktivierungsmethode sehr bewährt haben sich auch Online-Votings während des Webinars: „Mit einem Online-Abstimmungssystem können die Teilnehmer vorbereitete Multiple-Choice-Fragen live beantworten – und wir Dozenten können umgehend Irrtümer aufklären und gegebenenfalls mit weiteren Erklärungen nachsteuern.“
Parallel zur Live-Vorlesung wird ein „Skript4U“ angeboten, mit dem die Vorlesungsfolien allen zur Verfügung stehen – jedoch mit Lückentexten zum Ausfüllen. „Die Studierenden müssen beispielsweise fehlende Schlüsselbegriffe eintragen und während der synchronen Veranstaltung dranbleiben. Und das tun sie tatsächlich“, äußert der Dozent zufrieden.
In Teamarbeit mit Professor Oliver Kurzai hat Thien-Tri Lam die Vorlesung neu konzipiert – zu zweit treten sie auch während der Live-Veranstaltung auf. „Wir werfen uns den Ball sozusagen zu und wechseln uns mit Wortbeiträgen ab. Dies ist für alle Zuhörer viel angenehmer – für uns beide natürlich auch. Am Screen können nur wir beide uns sehen, die Reaktionen unserer Webinargruppe leider nie.“
Mit e-Learning-Formaten hat Thien-Tri Lam bereits Erfahrung als Master of Medical Education und im Rahmen einer Zusammenarbeit mit der Charité (Berlin) bei der multizentrischen Studie „RAI students“ gesammelt. Dennoch sei der Aufwand für jede Woche im Semesterbetrieb hoch: Pro Vorlesungs-Einheit referieren zwei Dozenten, zudem ist ein Administrator im Hintergrund mit der technischen Logistik beschäftigt. „Haben Sie Mut zum Teamwork“, fordert der Dozent auf. „Und trauen Sie sich, Kollegen anderer Disziplinen nach technischen Tipps zu fragen, überfachlich entsteht hier gerade ein nie dagewesener Austausch.“
Wie schätzt der Mikrobiologe die Chancen und Risiken der Digitalisierung ein? „Die Anstöße zur Digitalisierung sind momentan enorm, wir benötigen dringend eine verbesserte Infrastruktur. In meinem Lehrfach wäre jetzt Bedarf beispielsweise nach einem virtuellen Mikroskop, das für unsere Studierenden einen hohen Profit bringen könnte. Daher bin ich sehr motiviert, solch ein Projekt jetzt anzupacken und mich in meinen Fachkreisen auszutauschen.“ Aber trotz aller Fortschritte auf dem Weg zur Digitalisierung werde für Thien-Tri Lam die Präsenzlehre ein unerlässlicher Kern der universitären Lehre bleiben.
Kontakt
Prof. Dr. Marcel Romanos, Lehrstuhl für Kinder- und Jugendpsychiatrie, romanos@kjp.uni-wuerzburg.de
Dr. Thomas Schäfer, Lehrstuhl für Orthopädie, t-schaefer.klh@uni-wuerzburg.de
Dr. Thien-Tri Lam, Lehrstuhl für Hygiene und Mikrobiologie, ttlam@hygiene.uni-wuerzburg.de