Ein flämischer Künstlermigrant in Italien
11.10.2022Das Martin von Wagner Museum besitzt eine der größten Zeichnungssammlungen von Peter van Lint. Kein Wunder, dass hier eine internationale Tagung über den italo-flämischen Künstler im Kontext seiner Zeit stattfindet.
„Peter van Lint im Kontext: Niederländische und deutsche Zeichner der 1620er- bis 1640er-Jahre in Italien“: So heißt eine vom Institut für Kunstgeschichte der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) und der Kunstakademie Stuttgart organisierte internationale Tagung. Sie ist öffentlich und findet am Mittwoch und Donnerstag, 12. und 13. Oktober 2022, im Martin von Wagner Museum der JMU statt.
Das Universitätsmuseum bewahrt die kunsthistorisch herausragenden, aber bislang wenig studierten Teile eines Skizzenbuchs, das Peter van Lint während seiner Reise nach Italien und vor Ort in Rom von circa 1632 bis 1641 geführt hat. Neben einem weiteren Skizzenbuch, das sich in Paris befindet, stellen die Würzburger Blätter den größten bekannten Einzelbestand seiner Werke auf Papier dar.
Die italienischen Skizzen sind anlässlich der Tagung vom 11. bis 22. Oktober 2022 in der Kleinen Galerie des Martin von Wagner Museums ausgestellt: „Peter van Lint (1609-1690): Zeichnungen eines Künstlermigranten zwischen Antwerpen und Italien“. Zusätzlich zeigt die Ausstellung Kupferstiche nach van Lints Entwurf und eine Auswahl größtenteils nie gezeigter Werke seiner niederländischen Künstlerkollegen.
Die strapaziösen Seiten des Reisens
Italienaufenthalte dienten im 17. Jahrhundert selten der Muße und dem Kulturtourismus. Für junge Künstler aus dem Norden ging es vielmehr darum, in Venedig, Florenz, Rom oder Neapel profitable Arbeitsverhältnisse einzugehen, neue Techniken zu lernen und professionelle Kontakte zu knüpfen.
In diesen Karrierebemühungen waren Hartnäckigkeit und Selbstbehauptungswille gefragt. Schon die lange Fahrt aus den Niederlanden oder Deutschland konnte strapaziös sein. In seinen noch auf der Reise nach Rom entstandenen Skizzen zeigt van Lint gerade diese Seite des Reisens, etwa erschöpft Schlafende oder Mitreisende, die gelangweilt in einem Boot oder Karren sitzen.
Außerdem stellt er mit scharfem Blick Typen dar, denen er auf der Fahrt oder vielleicht am Zielort Rom begegnete, darunter Zecher, Wäscherinnen, Kleriker und andere „Leute auf der Straße“. Gezeichnet hat er auch Tiere, insbesondere Hunde, Schweine und Pferde, sowie verschiedene Pflanzen.
Im Rom der frühen 1630er-Jahre skizzierte er unter anderem Kardinal Francesco Barberini, den Neffen des damaligen Papstes Urban VIII. – „inoffiziell“ am Rande einer Zeremonie. Noch durfte er sich einem so „hohen Herren“ und wichtigen Kunstsammler nicht weiter nähern.
Spontane Skizzen und sorgfältige Studien
„Die Spontanität dieser Skizzen unterscheidet van Lints Würzburger Blätter von seinen wohl gleichzeitig oder kurz danach in Rom ausgeführten, sorgfältigen Studien nach Antiken und Werken Raffaels“, sagt Professor Eckhard Leuschner, Leiter des JMU-Lehrstuhls für Kunstgeschichte.
Hier stelle sich die Frage nach den Funktionen und Praktiken des Zeichnens bei van Lint und dessen niederländischen und deutschen Kollegen in Italien. Jedenfalls sei wahrscheinlich, dass van Lint es sich während seiner Italienzeit zum Ziel gesetzt habe, sowohl das „High“ als auch das „Low“ der künstlerischen Gattungen zu beherrschen, also einerseits die Genremalerei, für die seine Landsleute auch südlich der Alpen längst bekannt waren, als auch die damals viel prestigeträchtigere Darstellung biblischer und allegorischer Themen.
Tatsächlich sollte es van Lint als einer der wenigen flämischen Künstler seiner Zeit gelingen, eine ganze Kapelle in einer der bedeutendsten Kirchen Roms, Santa Maria del Popolo, auszumalen. Das tat er im Stil das damals modischen italienischen Barockklassizismus. Schon weil er dafür die Technik des Freskierens beherrschen musste, wären die meisten seiner niederländischen Kollegen dafür nicht in Frage gekommen.
Exemplarischer Fall der Künstlermigration
Die Tagung in Würzburg befasst sich zum einen mit Peter van Lint als exemplarischem Fall der Künstlermigration zwischen den südlichen Niederlanden und Italien in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Zum anderen untersucht sie die kulturell bedingten Faktoren der Stil- und Themenwahl seiner Zeichnerkollegen, zum Beispiel Marktmechanismen und Patronage.
Die Veranstaltung ist eine Kooperation des JMU-Instituts für Kunstgeschichte (Professor Eckhard Leuschner) mit der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart (Professor Nils Büttner). Sie wird von der Wolfgang Ratjen Stiftung (Vaduz, Liechtenstein) gefördert.
Tagung und Ausstellung sind öffentlich
Die Tagung findet am 12. Oktober von 9 bis 18:30 Uhr und am 13. Oktober von 9:30 Uhr bis 13 Uhr in der Gemäldegalerie des Martin von Wagner Museums statt. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Der Eintritt ist frei.
Die Ausstellung „Peter van Lint (1609-1690): Zeichnungen eines Künstlermigranten zwischen Antwerpen und Italien“ läuft vom 11. bis 22. Oktober in der Kleinen Galerie des Martin von Wagner Museums. Sie ist zu den Öffnungszeiten der Gemäldegalerie zugänglich (13:30-17 Uhr). Der Eintritt ist frei.