Ein neuer Förster für den Uni-Wald
23.04.2024Daniel Kraus leitet seit Mitte März 2024 das Universitätsforstamt Sailershausen. Sein Aufgabenfeld liegt zwischen den Polen Naturschutz, Wertschöpfung und Forschung. Den Uni-Wald betrachtet er als „Schatzkästchen“.
„Borkenkäfer-Alarm in Bayerns Wäldern“: Wenn Daniel Kraus Schlagzeilen wie diese aus der Süddeutschen Zeitung vom 14. April liest, kann er sich halbwegs entspannt zurücklehnen. „Der Universitätswald ist ein artenreicher Laubmischwald mit einem äußerst geringen Anteil an Fichten. Da stellt sich das Problem mit dem Borkenkäfer nicht“, sagt er. Was nicht heißen soll, dass er gänzlich frei von Sorgen ist: Der Klimawandel und diverse eingeschleppte Krankheiten stellen auch das Universitätsforstamt Sailershausen vor Herausforderungen. Trotzdem sagt Kraus: „Wir haben den Wald, den andere gerne hätten.“
Daniel Kraus ist seit Mitte März 2024 Leiter des Universitätsforstamtes Sailershausen. Der Forstwissenschaftler mit großer forstlicher Staatsprüfung folgt damit Hans Stark nach, der dieses Amt seit 2003 innegehabt hatte und jetzt in den Ruhestand getreten ist. Für Kraus bedeutet dieser Wechsel in den Landkreis Haßberge eine Art Rückkehr in seine Heimat, schließlich ist er an der Mainschleife aufgewachsen und hat von 1988 bis 1996 das Egbert-Gymnasium Münsterschwarzach besucht.
Wechseln vom großen staatlichen Forstbetrieb
Rund 2.300 Hektar – also etwa 23 Quadratkilometer – groß ist der Universitätswald bei Sailershausen. Dazu kommen weitere 1.200 Hektar Körperschaftswald, die das Universitätsforstamt betreut. Deutlich weniger als das Gebiet, für das Kraus vor seinem Wechsel an die Universität Würzburg verantwortlich war: der Forstbetrieb Nordhalben bei den Bayerischen Staatsforsten mit gut 16.500 Hektar im Norden Oberfrankens an der Grenze zu Thüringen.
Dort sei seine Arbeit von der, wie er es nennt, „verheerenden Borkenkäferkalamität“ geprägt gewesen. Statt Waldbau zu betreiben und den zukünftigen Wald zu gestalten, habe er dort nur täglich neue Probleme lösen müssen, die der gefräßige Käfer verursacht hatte. Im Prinzip liege ihm diese Aufgabe als „Problemlöser“, sagt Daniel Kraus. Für viele seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sei es jedoch auf Dauer belastend gewesen zu sehen, wie der Wald stirbt, und der Eindruck entsteht, dass der Nachwelt nur noch tote Bäume überlassen bleiben. Da habe Kraus oft als „Seelentröster“ fungieren müssen.
Ganz anders verspricht seine Aufgabe in Sailershausen zu werden. Viele seltene Baumarten, die an Trockenheit angepasst sind; gut gewachsene Bäume, die wertvolles Holz liefern, und insgesamt eine enorme Vielfalt: Damit sei der Wald ein Schatzkästchen und zu Recht einer der bekanntesten Wälder Bayerns. Natürlich sei die Fläche deutlich kleiner als an seiner vorherigen Wirkungsstätte – wie auch das Team, das er leitet. Das sei mit zwei Revierleitern, fünf Waldarbeitern, zwei Auszubildenden und einer Büroleiterin „relativ klein“. Wirklich vergleichbar seien die beiden Waldgebiete jedoch nicht. „Das ist ungefähr so, wie ein Wechsel von einer großen Winzergenossenschaft zu einem Premium-Weingut“, sagt Kraus.
Langjährige Erfahrung in der Wissenschaft
Was im Universitätswald auch anders ist: Hier arbeitet der Forstamtsleiter eng mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Uni zusammen – eine Aufgabe, auf die sich Kraus freut. Schließlich war er selbst über viele Jahre Wissenschaftler: beim Max-Planck-Institut für Chemie als Feuerökologe und als Projekt- und Teamleiter am Europäischen Forstinstitut (EFI) . Dort hat er unter anderem Modellbetriebe zur naturschutz-integrativen Bewirtschaftung im Rahmen eines europaweiten Netzwerks begleitet und eine waldbauliche Schulungsfläche, ein sogenanntes Marteloskop, im Forstbetrieb Ebrach als Pilotprojekt eingerichtet.
Viel gereist ist Daniel Kraus in dieser Zeit: naturnahe Bergwälder in China, Urwälder Südosteuropas, feuerbeeinflusste Wälder in Skandinavien und Sibirien, feuerresiliente Waldstrukturen in Spanien, gemeindebasierte Waldbewirtschaftung in Indien, Nepal und Vietnam, Buchenurwälder in Japan und Iran, naturnah bewirtschaftete Wälder in Chile und Argentinien, tropische Wälder in Costa Rica und Venezuela, Savannen- und Waldformationen im südlichen Afrika: Außer in Australien hat Kraus schon auf jedem Kontinent dieser Erde Wälder erforscht und sich mit deren Dynamik und Biodiversität beschäftigt.
In dieser Zeit hat er auch eine Ausbildung zum Fallschirmspringer und Fire Manager absolviert, und einen „Sprengschein“ besitzt er auch. Im Prinzip könnte Daniel Kraus also in einer unzugänglichen Gegend mit dem Fallschirm abspringen und mit gezielten Sprengungen einen Waldbrand bekämpfen. „Das ist Vergangenheit“, sagt er, darauf angesprochen, heute mit einem Lachen. In Sailershausen sei nicht davon auszugehen, dass er diese Fähigkeiten unter Beweis stellen muss.
Spagat zwischen Naturschutz und wirtschaftlichem Ertrag
Warum er der Wissenschaft den Rücken gekehrt hat? Die üblichen Gründe: Die Familie sei gewachsen, seine Verträge jedoch seien weiterhin nur befristet gewesen. Aus diesem Grund habe er sich als fast 40-Jähriger dazu entschieden, noch einmal in die Ausbildung zu gehen und den „Forstlichen Vorbereitungsdienst“ zu absolvieren, der Voraussetzung für eine Führungsfunktion bei der Bayerischen Forstverwaltung oder den Bayerischen Staatsforsten ist. Umso mehr freue er sich jetzt auf seine Zusammenarbeit mit Forschungsteams der Universität. „Ich bin dann zwar nicht mehr selbst Wissenschaftler, kann aber Forschungsprojekte unterstützen und möglich machen – eine tolle Sache!“, sagt er.
Naturschutz auf der einen Seite, auf der anderen Seite das Interesse der Universität, aus ihrem Wald einen wirtschaftlichen Ertrag zu ziehen: Diesen Spagat muss Daniel Kraus als Forstamtsleiter bewältigen. Ganz einfach ist das derzeit nicht: Der Markt sei mit Holz überschwemmt, die Nachfrage gedämpft – das alles führt zu sinkenden Preisen. Glücklicherweise muss Kraus nicht versuchen, Käufer für minderwertiges Fichtenholz zu finden. Er kann auf Holzsorten zugreifen, die von Spezialisten gesucht sind, beispielsweise für den Bau von Klavieren oder von Weinfässern. Damit lassen sich auch in diesen Zeiten gute Preise erzielen.
Verbringt ein Forstamtsleiter eigentlich mehr Zeit im Wald oder im Büro? „Meine Büroleitung findet wahrscheinlich, ich sei zu viel im Wald unterwegs“, sagt Daniel Kraus mit einem Lachen. Er schätzt das Verhältnis 50:50 – ausgewogen. Schließlich müsse er viele Entscheidungen vor Ort treffen und sei dementsprechend viel unterwegs. Aber das findet er auch ganz gut so.
Geschichte des Universitätsforstes
Als der Würzburger Fürstbischof Julius Echter 1582 die Universität erneuerte, stattete er seine Hochschule mit Wald und anderen Ländereien aus. Insgesamt rund 2.600 Hektar Grundbesitz waren über ganz Unterfranken verteilt. Einen Großteil davon bildete der Klosterbesitz von Kreuzthal und Mariaburghausen.
Im Jahr 1821 erfolgte ein freiwilliger Landtausch. Dabei erhielt die Universität vom Königreich Bayern die ehemaligen Klosterwaldungen von Theres. Von da an lag der Universitätswald gut abgerundet um den Ort Sailershausen. Im Gegenzug bekam das Königreich den „Splitterbesitz“ der Universität im übrigen Unterfranken.
Im Zuge einer Forstreform in Bayern richtete die Universität 1885 ein Gesuch an den König von Bayern – mit der Bitte, das Universitätsforstrevier zu einem königlichen Forstamt neuer Ordnung zu erheben. König Ludwig II gewährte dies „allergnädigst“.
Bei der Gebietsreform 1973 verlor das Universitätsforstamt Sailershausen den Status eines staatlichen Forstamtes. Die hoheitlichen Aufgaben (Forstaufsicht, Förderung, Raumordnung und Landesplanung) fielen weg, doch die „Beförsterung“ des Universitätswaldes und der umliegenden Körperschaftswälder (Stadt Haßfurt, Gemeinden Theres und Wonfurt, Waldkörperschaften Hainert, Obertheres, Wülflingen) blieb beim Universitätsforstamt der JMU.
Kontakt
Daniel Kraus, Universitäts-Forstamt Sailershausen, T: +49 9521 953710, daniel.kraus@uni-wuerzburg.de