Eine halbe Million Euro für ENDOvascular relEASE
15.10.2024Das ENDOLEASE-Team hat mit resorbierbaren Gefäßimplantaten zur hochpräzisen, intraarteriellen Medikamentengabe überzeugt und erhielt dafür den Medical Valley Award.
Der mit 500.000 Euro dotierte Medical Valley Award 2024 vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie ging dieses Jahr gleich zweimal an Teams aus der Universitätsmedizin Würzburg, die innovative Ideen für die Gesundheitsbranche entwickeln und ein eigenes Start-up gründen wollen. Das StrokeCap-Team unter der Leitung von Professor Volker C. Behr wurde für die mobile Schlaganfalldiagnostik der Zukunft ausgezeichnet. Vom Uniklinikum Würzburg konnte das ENDOLEASE-Team die Jury mit einer innovativen Plattformtechnologie zur präzisen Freisetzung von Medikamenten überzeugen. Die resorbierbaren intraarteriellen Implantate, mit denen die Wirkstoffe gezielt und lokal in den Blutstrom abgegeben werden, können die Behandlung schwerer Erkrankungen wie Herzinfarkte, Schlaganfälle und Krebserkrankungen verbessern.
ENDOLEASE-Systeme – Die Zukunft der gezielten Pharmakotherapie
Bei der herkömmlichen systemischen Medikamentengabe treten oft Nebenwirkungen in anderen Organen auf, die den Einsatz der Therapie einschränken. ENDOLEASE hingegen ermöglicht die punktgenaue Freisetzung von Medikamenten direkt am gewünschten Behandlungsort. Der Name ENDOvascular reLEASE ist dabei Programm: Über ein resorbierbares Implantat werden Medikamente gezielt im Inneren eines arteriellen Blutgefäßes direkt in den Blutfluss abgegeben. Die Universität Würzburg hat die ENDOLEASE-Technologie bereits zum PCT-Patent angemeldet.
Superselektive Wirkstoffabgabe ermöglicht eine optimierte Behandlung zahlreicher Erkrankungen
Die Idee, Medikamente direkt aus einem Implantat über die versorgende Arterie in das Kapillarsystem des Zielgewebes abzugeben, kam Dr. Anna Fleischer, während einer Kontrastmitteluntersuchung. Dabei erkannte sie das Potenzial der ENDOLEASE-Technologie für zahlreiche medizinische Fachbereiche. Fachkräfte verschiedener Disziplinen am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) unterstützten das ENDOLEASE-Projekt mit fundierter fachlicher Expertise und führten erste präklinische Laborversuche durch. Key Opinion Leader sicherten in Letters of Intent ihre Mitarbeit zu.
Medikamente werden durch innere Membran des Implantats freigesetzt
In Professor Tomasz Jüngst vom Würzburger Institut für Funktionsmaterialien und Biofabrikation fand Dr. Anna Fleischer einen weltweit renommierten Experten für Melt Electrowriting, ein ideales Verfahren zur Herstellung des Grundgerüsts der ENDOLEASE-Systeme. Unter seiner Leitung entwickelten die hochmotivierten Wissenschaftler Johannes Braig, Michael Bartolf-Kopp und Franz Moser erste Prototypen aus bioverträglichen Materialien, die erfolgreich im Labor getestet wurden.
Die ENDOLEASE-Systeme lassen sich mithilfe von Ballonkathetersystemen, wie sie aus der Stent-Implantation in der Kardiologie bekannt sind, minimalinvasiv an den Zielort bringen. Die Hydrogel-gefüllten Taschen der ENDOLEASE-Systeme können mit unterschiedlichen Medikamenten gefüllt werden. Diese werden dann über definierte Zeitintervalle durch die innere Membran des Implantats direkt in den Blutfluss im Gefäßhohlraum freigesetzt. Dabei unterscheiden sich die ENDOLEASE-Systeme von sogenannten Drug-eluting Stents, die darauf ausgelegt sind, stenosierte Gefäße offenzuhalten, indem sie ihre Wirkstoffe unmittelbar an die Gefäßwand am Implantationsort abgeben. Die Freisetzungsgeschwindigkeit der Medikamente aus ENDOLEASE-Systemen kann durch die Zusammensetzung der Hydrogele und die Struktur der inneren Membran individuell angepasst werden.
Größere Wirkung am Zielgewebe, weniger Nebenwirkungen
Mit ENDOLEASE-Systemen können Behandelnde in Zukunft viel höhere Wirkstoffkonzentrationen im Zielgebiet erreichen. Denn aufgrund des viel kleineren lokalen Verteilungsvolumens zwischen Freisetzungsort in der Arterie und dem Kapillarsystem des Zielgewebes reicht eine Mikrodosis aus, um eine hohe Konzentration direkt an den Wirkstoffrezeptoren im Zielgebiet zu erzielen. So könnte beispielsweise eine Chemotherapie gezielt auf Tumore wirken, ohne sich im gesamten Blutvolumen zu verteilen und schwere Nebenwirkungen wie Erbrechen, Herz-, Leber- und Nierenschäden, Verdauungsstörungen, Haarausfall oder Polyneuropathien zu verursachen.
Das Preisgeld des Medical Valley Award 2024 wird genutzt, um eine Großtierstudie unter der Leitung von Professor Ulrich Hofmann durchzuführen. Hofmann ist geschäftsführender Oberarzt in der Medizinischen Klinik I des UKW und Experte für interventionelle Kardiologie. Ziel ist es, den ersten Prototypen des ENDOLEASE-Systems zu testen, der die Entwicklung einer Herzinsuffizienz nach einem Herzinfarkt verhindern soll.
Rat und Tat zur Weiterentwicklung der Plattformtechnologie willkommen
International renommierte Experten aus der Wirtschaft, darunter Dr. Heinz Schwer, Dr. Eric Wittchow, Dr. Gerhard Frank, Wolfgang Bayer und Dr. Markus Kowarschik, stehen dem Team zur Seite, erste Investoren haben bereits Interesse an der geplanten universitären Ausgründung von ENDOLEASE-Systems bekundet. Weitere interessierte Fachleute aus Medizin und Wissenschaft sind herzlich willkommen, das Projekt durch fachliche Beratung, klinische Studien oder aktive Mitarbeit im Team ENDOLEASE zu unterstützen.
Das Team
Dr. med. Anna Fleischer M. Sc., Prof. Tomasz Jüngst, Johannes Braig, Michael Bartolf-Kopp, Franz Moser, Dr. Heinz Schwer, MBA, Dr. Eric Wittchow
Kontakt
Dr. med. Anna Fleischer M. Sc., Medizinische Klinik II, Universitätsklinikum Würzburg, T + 49 931 201 40161 Fleischer_A@ukw.de