Einzelunterricht bei Röntgen
14.02.2023Zu Wilhelm Conrad Röntgens wissenschaftlichem Werdegang gibt es vergleichsweise wenig originale Quellen. Jetzt hat das Archiv der Universität Würzburg eine weitere Quelle aufgetan, die überraschende Details preisgibt.
Am 10. Februar 2023 jährte sich Wilhelm Conrad Röntgens Todestag zum hundertsten Mal. Auch deshalb hat sich das Universitätsarchiv der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) in bisher weniger beachteten Kellerräumen der Universität auf Spurensuche nach noch ungehobenen Schätzen gemacht.
Röntgen hatte testamentarisch verfügt, alle Dokumente aus seinen Forschungen der Vernichtung zuzuführen, und auch danach gestrebt, seinen privaten Nachlass zu dezimieren, wenngleich er hier zuließ, dass sich enge Freunde zum Zwecke der Erinnerung daraus bedienten. Auf diesem Umweg fanden einige wertvolle Fotos und Schriftstücke ihren Weg in das Archiv der JMU. Testamentarisch vermachte Röntgen der Uni lediglich 200.000 Mark mit direktem Bezug zum Physikalischen Institut, sowie sämtliche Diplome, Adressen, Medaillen und weitere Erinnerungsstücke, die sich auf seine wissenschaftliche Arbeit bezogen, darunter auch die Nobelpreisurkunde neben der dazugehörigen Goldmedaille.
Doch natürlich speist sich die Überlieferung zu einer Person seiner Größe nicht ausschließlich aus Preisen, Urkunden und Ehrungen. Möchte man Röntgen in einen größeren wissenschaftlichen Kontext stellen, so ist seine Lehrtätigkeit von besonderer Bedeutung, da man durchaus davon ausgehen kann, dass seine Forschungsansätze und Methoden trotz der umfänglichen Zerstörung seiner Unterlagen und Schriften durch seine Studenten und Hörer weitergelebt und die Forschung weitläufig beeinflusst haben.
Originale Inskriptionslisten wieder aufgetaucht
Bisher konnten anhand eigener Aussagen einige Schüler Röntgens nachgewiesen werden, doch jetzt ist eine komplette Rekonstruktion seiner Würzburger Hörer möglich, da in den bislang als verschollen geglaubten originalen Inskriptionslisten sämtliche Studenten unterschriftlich ihre Anwesenheit in seinen Veranstaltungen bestätigten.
Aus diesen Inskriptionslisten, die sich nun im Universitätsarchiv befinden, geht hervor, dass Röntgen während seiner Zeit als Assistent noch keine Veranstaltungen gegeben hat und auch in direkter Nachfolge Friedrich Kohlrauschs, welcher bis dahin den Lehrstuhl für Physik innehatte, im Wintersemester 1888/89 noch nicht in der Lehre tätig war. In diesem Semester mussten Studierende der Universität Würzburg sogar vollkommen auf den Fachbereich Experimentelle Physik verzichten, da Kohlrausch zu diesem Zeitpunkt bereits an die Universität Straßburg gewechselt war.
Vor allem Mediziner besuchen Röntgens Veranstaltungen
Ab dem Sommersemester 1889 las Röntgen regelmäßig, und aus der Belegung seiner Veranstaltung geht hervor, dass insbesondere Studenten der Medizin ein reges Interesse an den gebotenen Inhalten zeigten; in der Hauptvorlesung zur Experimentellen Physik erschienen sie besonders zahlreich. In anderen Veranstaltungen hingegen, wie etwa in seiner „Anleitung zu selbständigem Arbeiten“ im Sommer 1895 oder in seiner „Praktischen Übung im physikalischen Laboratorium“ im Sommer 1896 verzeichnete Röntgen lediglich maximal zwei Hörer.
Im nächsten Schritt sollen die wertvollen Unterlagen nun digital reproduziert und anschließend ausgewertet werden. So können die einzelnen Schüler Röntgens identifiziert und sein Wirkungskreis in der Wissenschaft nachgezeichnet und mit individuellen Lebenswegen verknüpft werden. In einem weiteren Arbeitsschritt möchte das Archiv der Frage nachgehen, ob sich Röntgens zunehmende Popularität wohl auf die Anzahl seiner Hörer ausgewirkt hat, oder ob er auch in den Jahren nach der Entdeckung noch Einzelunterricht gegeben hat.
Glückliche Jahre in Mainfranken
Bekanntermaßen dauerte es einige Jahre, bis Wilhelm Conrad Röntgen, der 1870 als junger und unbezahlter Assistent von August Kundt in Würzburg weilte, als Professor an die Alma Julia zurückkehren durfte. Obwohl man ihm an hiesiger Universität einst wegen seines fehlenden Abiturs Steine in den Weg gelegt hatte, verbrachte Röntgen viele glückliche und fruchtbare Jahre in Mainfranken. Als Lehrstuhlinhaber verhalf er dem Physikalischen Institut zu Räumlichkeiten, moderner Ausstattung und internationalem Ansehen, als Rektor gestaltete und prägte er die gesamte Universität.
Nach seiner bahnbrechenden Entdeckung 1895 im Physikalischen Institut, für die er 1901 als erster Wissenschaftler den Nobelpreis verliehen bekam, verließ Röntgen die JMU, um zum 1. April 1900 einen Ruf nach München anzunehmen. Dort verbrachte er 23 teils glückliche, aber auch von Krankheit und Verlust geprägte Jahre. Durch den Verzicht auf die Patentierung seiner Entdeckung konnte er deren rasche Ausbreitung und Verwendung mitverfolgen, bewahrte jedoch zeitlebens eine abgeklärte Haltung gegenüber seiner weltweiten Bekanntheit.
Kontakt
Dr. Marcus Holtz, uniarchiv@uni-wuerzburg.de