Eisscholle statt Labor
19.09.2017Was machen drei Würzburger Luft- und Raumfahrtinformatiker am Polarkreis? An Bord des Forschungsschiffs „Polarstern“ helfen sie bei der Erforschung der Tiefsee.
Würde die von ihnen entwickelte Technik unter den extremen Bedingungen der Arktis so gut funktionieren wie daheim im Labor? Mit dieser Frage begannen die Würzburger Luft- und Raumfahrtinformatiker Julian Rothe, Michael Ruffer und Michael Strohmeier am 22. August von der norwegischen Stadt Tromsø ihre Reise auf dem Forschungsschiff „Polarstern“. Drei Wochen beschäftigten sie sich dort mit einem „Glider“ genannten Unterwasserfahrzeug und einer speziellen Drohne.
Angst vor Kälte sollte man nicht haben, wenn man sich auf Forschungsarbeiten auf dem vom Alfred-Wegener-Institut betriebenen Eisbrecher „Polarstern“ einlässt. Während sich ihre Freunde irgendwo am Strand oder im Schwimmbad in der Sonne aalten, durften die drei Würzburger Doktoranden vom Lehrstuhl Informatik VIII in der Nähe von Spitzbergen selten einmal Plustemperaturen genießen. Meist sank das Thermometer unter Null. „Gefühlt lag die Temperatur sogar bei minus zehn Grad“, sagt Michael Strohmeier, der bereits 2015 einmal eine Expedition auf der „Polarstern“ in die Arktis mitgemacht hatte.
Drei Wochen Arbeiten auf engstem Raum
Die drei Doktoranden gehörten einem 40-köpfigen Team von Wissenschaftlern, Ingenieuren und Technikern an, das sich mit neuen robotischen Systemen zur Erforschung der Tiefsee beschäftigt. „Robotische Exploration unter Extrembedingungen“ (Robex) nennt sich das Gesamtprojekt. Drei Wochen lang lebte und arbeitete das Team auf der „Polarstern“ zusammen. Das Schiff wurde höchstens dann verlassen, wenn Experimente auf einer Eisscholle durchzuführen waren. Nachts teilten sich die drei Würzburger eine Kabine, tagsüber arbeiteten sie in dem Labor, dass sie sich in den ersten Tagen nach ihrer Ankunft auf der „ Polarstern“ eingerichtet hatten.
Spannend wurde es ab der zweiten Expeditionswoche. Julian Rothe und Michael Strohmeier, die am Drohnen-Projekt mitarbeiteten, flogen mit dem Helikopter auf eine Eisscholle, um ihren mit zwei GPS-Systemen ausgestatteten Quadrokopter zu testen. „Ich sah dort zum ersten Mal Eisbärspuren“, so Strohmeier. Pfannengroß seien die gewesen. Die Spuren zu sehen, sei ganz schön unheimlich gewesen. Wenn nun der Eisbär auftaucht? Überhaupt löste das Ambiente auf der Eisscholle ein wenig mulmige Gefühle aus: „Es war wirklich sehr einsam.“
Man sah in der Ferne das Schiff. Sonst keine Spur von Zivilisation. Auch war weithin nichts zu hören außer den Knackgeräuschen der Scholle, die etwa 100 Fußballfelder groß war. Kurz, nachdem Rothe und Strohmeier dort Testflüge mit ihrer Drohne gemacht hatten, zerbrach diese in etliche Teilstücke: „Was womöglich mit der Landung unseres Helikopters zu tun hatte.“
Eine Drohne, die Tauchroboter begleitet
Durch ihre Entwicklungen leisten die drei Würzburger einen Beitrag zu noch besseren Möglichkeiten, das Polarmeer zu erforschen. Autonome Multikopter zum Beispiel eignen sich sehr gut zur Begleitung von Tauchrobotern, die Daten unter Eisschollen sammeln – etwa zur Frage, wie viel Licht durch die Scholle dringt. „Das Problem ist, dass sich die Eisscholle bewegt“, erläutert Strohmeier. Eine Drohne, die autonom vom Forschungsschiff auf die Eisscholle fliegt und dort mit dem Tauchroboter in Kontakt steht, kann den Roboter ständig über die Bewegung der Eisscholle auf dem Laufenden halten.
Schwierig war es bisher, Multikopter in arktischen Gefilden autonom fliegen zu lassen. Herkömmliche Drohnen, so Strohmeier, navigieren mit einem Magnetkompass, der die Nordausrichtung bestimmt: „Das funktioniert in hohen Breitengraden nicht.“ Zusätzlich müssen magnetische Störungen etwa durch die Elektromotoren an Bord der „Polarstern“ ausgeglichen werden. Die Würzburger Wissenschaftler hatten die Idee, die Drohne mit zwei, im Abstand von 50 Zentimeter angebrachten GPS-Sensoren auszustatten, damit sie sich orientieren und ausrichten kann.
Um höchstmögliche Genauigkeit zu erreichen, entwickelten die Würzburger Forscher Algorithmen, die für eine exakte Ausrichtung sorgen. Die Experimente auf der Eisscholle zeigten, dass die Würzburger Idee gut funktioniert.
Ein Segelflugzeug mit Schwimmblase
Aufgabe von Michael Ruffer war es, Motorsysteme für die drei Ruder und das Trimmsystem des 240 Kilo schweren, zitronengelben Unterwasser-Tiefseegleiters zu entwickeln. Dabei kooperierte er mit vielen anderen Wissenschaftlern. Der Glider selbst wurde vom Zentrum für marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen entwickelt. Beteiligt waren außerdem Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt sowie von Airbus DS.
Der Glider, der eine Spannweite von 3,40 Meter hat, ein wenig wie ein Segelflugzeug aussieht und mithilfe einer Schwimmblase seinen Auftrieb ändern kann, dient den Forschern als Träger von Messsensoren. Mit diesen Sensoren wird zum Beispiel der Sauerstoffgehalt, die Temperatur, der Druck und die Strömung des Polarmeers erforscht. Der neue Glider verbessert Ruffer zufolge die Forschungsbedingungen: „Es passen mehr Sensoren darauf als bei bisher eingesetzten Tauchrobotern.“
Erfolgreicher Test in 100 Meter Tiefe
Am 28. August wurde der Glider bei einem Tauchgang in 100 Meter Tiefe getestet. „Wir hatten in Deutschland Vortests gemacht, allerdings nur bis 60 Meter“, schildert Ruffer. Er war sehr gespannt, ob der Glider selbstständig ab- und wieder auftauchen würde. Am Ende meisterte er den Test mit Bravour.
Am 9. September kamen die drei Würzburger Forscher wieder nach Hause. Randvoll mit neuen Eindrücken und Erlebnissen – und in Vorfreude auf die spätsommerliche Wärme. „Jetzt wird erst einmal Urlaub gemacht“, meint Michael Ruffer. Wo genau, weiß er noch nicht: „Vielleicht am Gardasee.“