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Embryo verspeist gefährliche Zelle

22.05.2018

Forscher der Universität Würzburg haben erstmals gezeigt, wie sich Embryonen des Fadenwurms lebensbedrohlicher Überreste der Eizellreifung entledigen.

Zweizelliger Fadenwurm-Embryo
Ein zweizelliger Fadenwurm-Embryo (C. elegans). Ein sterbendes Polkörperchen zeigt an seiner Oberfläche bestimmte Lipide als „Fress mich“-Signale (oranger Kreis). Nach ein paar Stunden ist das Polkörperchen verdaut. (Foto: AG Wehman)

Schon eine Stunde nach ihrer Entstehung haben Embryonen des Fadenwurms Caenorhabditis elegans eine wichtige Aufgabe zu bewältigen: Sie „verspeisen“ Überbleibsel der Eizellreifung, die für sie sonst lebensbedrohlich sein könnten. Das haben Wissenschaftler am Rudolf-Virchow-Zentrum der Universität Würzburg nun erstmals in mikroskopischen Filmaufnahmen nachgewiesen. Ihre Ergebnisse könnten helfen, die molekularen Mechanismen hinter Autoimmunkrankheiten besser zu verstehen.

Wie beim Menschen beginnt auch beim Fadenwurm neues Leben mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle. Während dieser Verschmelzung durchläuft die Eizelle noch ihre letzten Entwicklungsschritte. Dabei schnürt sie zwei winzig kleine Miniaturzellen ab, die so genannten Polkörperchen.

Gefährliche Substanzen im Polkörperchen

Einer der Polkörper verbleibt in direkter Nachbarschaft zum Embryo. Und wird für diesen damit zu einem erheblichen Problem. „Das Polkörperchen enthält Substanzen, die dem jungen Embryo sehr gefährlich werden können“, erklärt Dr. Ann Wehman, in deren Arbeitsgruppe die Studie durchgeführt wurde. „Dazu zählen beispielsweise Signalstoffe, abbauende Enzyme und natürlich die enthaltene DNA. Der Embryo muss verhindern, dass dieser Inhalt frei wird.“

Wie er das macht, war bislang unbekannt. Wehman konnte dieses Rätsel nun zusammen mit ihren Mitarbeitern Dr. Gholamreza Fazeli, Maurice Stetter und Jaime Lisack lösen. „Wir konnten zeigen, dass der gerade entstandene Embryo den Polkörper in sich aufnimmt und verdaut“, sagt Wehman. „Man weiß, dass es spezialisierte Immunzellen gibt, die das können – die so genannten Phagozyten. Die Fadenwurm-Embryonen stehen aber noch ganz am Anfang ihrer Entwicklung; sie bestehen selbst nur aus ein paar Zellen.“

Der Polkörper bildet dazu auf seiner Oberfläche bestimmte „Friss mich“-Signale. Diese veranlassen die Membran der Embryo-Zelle dazu, ihn zu umfließen. Dabei entsteht ein von einer Membran umgebener Einschluss, der das komplette Polkörperchen enthält – ein Phagosom, eine Art intrazelluläre Mülltüte. Nun zerstören bestimmte Enzyme die Hülle des Polkörperchens. Da die Phagosom-Hülle dabei intakt bleibt, können die frei werdenden Inhaltsstoffe nicht in den Embryo gelangen und ihm nichts anhaben.

Nach ein paar Stunden ist das Polkörperchen verdaut

„In den folgenden 30 Minuten wird zunächst die DNA abgebaut“, erläutert Wehman. „Der Rest des Polkörperchens wird derweil mechanisch in die Länge gezogen und in zahlreiche kleinere Stückchen zerlegt. Diese sind dann leichter zu verdauen.“ Insgesamt dauert der Prozess keine zwei Stunden. Dann ist das gesamte Polkörperchen verspeist und sein gefährlicher Inhalt unschädlich gemacht.

„Dieser Vorgang läuft in allen Embryonen von C. elegans fast identisch ab“, betont Wehman. „Uns ist es gelungen, den Prozess in hoher zeitlicher Auflösung zu filmen und so jeden Schritt im Detail sichtbar zu machen.“

Die Erkenntnisse könnten dabei helfen, menschliche Autoimmun-Erkrankungen besser zu verstehen. So ist bei der entzündlichen Hauterkrankung Lupus erythematodes der Abbau geschädigter Zellen und Zellteile beeinträchtigt. Mit dem Polkörperchen können die Forscher jetzt diesen wichtigen Abbauprozess besser untersuchen.

Gholamreza Fazeli, Maurice Stetter, Jaime N. Lisack und Ann M. Wehman: C. elegans blastomeres clear the corpse of the second polar body by LC3-associated phagocytosis; Cell Reports; DOI: 10.1016/j.celrep.2018.04.043

Zur Person

Dr. Ann Wehman leitet seit 2013 eine Forschungsgruppe am Rudolf-Virchow-Zentrum für Experimentelle Biomedizin der Universität Würzburg. Mehr Infos gibt es auf ihrer Homepage.

Über das Rudolf-Virchow-Zentrum

Das Rudolf-Virchow-Zentrum gehört als zentrale Einrichtung zur Universität Würzburg. Die Forschungsgruppen arbeiten auf dem Gebiet der Schlüsselproteine, die für die Funktion von Zellen und damit für Gesundheit und Krankheit besonders wichtig sind.

Kontakt

Dr. Ann Wehman (Rudolf-Virchow-Zentrum), T: (0931) 31-81906, ann.wehman@uni-wuerzburg.de

Von Dr. Daniela Diefenbacher

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