Emile Zola und der Naturalismus
28.06.2022Ein neues Buch schärft den Blick auf das naturalistische Werk „Le ventre de Paris“ von Emile Zola. Studierende der Romanistik haben die Beiträge geschrieben und beim Publikationsprozess mitgearbeitet.
Der französische Schriftsteller Emile Zola (1840-1902) gilt als einer der einflussreichsten Romanautoren des 19. Jahrhunderts. Sein Lebenswerk enthält mehrere Romanzyklen, und er begründete den Naturalismus – diese literarische Strömung beschreibt die Wirklichkeit sehr unverblümt. Zola beschönigt nichts in seinen Romanen und äußert auch subtile Sozialkritik.
Die Geschichte der Familie Rougon-Macquart dürfte Zolas bekanntester Zyklus sein. Dieser widmet sich in 20 Bänden den tiefgreifenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Konflikten im Zweiten Kaiserreich unter Napoleon dem Dritten zwischen 1852 und 1870.
Erzählstrategien untersucht
„Le ventre de Paris“ (1873) ist der dritte Roman im Zyklus. Studierende der Romanistik haben seine Erzählstrategien in einem Seminar von Dr. Julien Bobineau gründlich analysiert. Die Ergebnisse sind jetzt in einem Buch veröffentlicht, das einen literaturwissenschaftlichen Beitrag zur Entschlüsselung von Zolas Werk leisten will.
Das Besondere an dem Buchprojekt: Die Studierenden haben nicht nur die Beiträge geschrieben, sie waren auch am gesamten Prozess der Publikation beteiligt – vom gegenseitigen Korrekturlesen über das Layouten bis hin zur Drucklegung.
Gute Resonanz bei den Studierenden
„Von dieser Idee unseres Dozenten waren wir alle sehr angetan. Es war toll, dass wir bei der Buchproduktion einbezogen wurden und mitentscheiden durften“, sagt Nicole Winter, Lehramtsstudentin für Französisch und Englisch, jetzt im achten Semester.
Beim Korrigieren der Hausarbeiten zum Beispiel sei es lehrreich gewesen, andere sprachliche Formulierungen und andere Blickwinkel auf den Roman zu entdecken. „Ich bin auch auf interessante Literatur aufmerksam geworden, die ich bis dahin noch nicht kannte.“
Erschienen im Verlag promptus
Der Band „Emile Zola und der Naturalismus“ ist im Verlag des promptus e.V. erschienen. Dieser gemeinnützige Verein hat seine Wurzeln in der Würzburger Romanistik. Er gibt unter anderem eine Zeitschrift und Bücher heraus, denn er möchte jungen Forschenden der Romanistik die Möglichkeit bieten, ihre Arbeiten kostengünstig zu publizieren.
Faszination Großmarkt
Das Seminar, auf dem das Buch basiert, fand im Sommersemester 2020 statt. Julien Bobineau hatte ursprünglich eine Begleitexkursion nach Paris geplant, auf den dortigen Großmarkt in Rungis. Denn genau darum geht es in „Le ventre de Paris“ (Der Bauch von Paris): um den damaligen Pariser Großmarkt „Les Halles“, der mitten in der Stadt lag.
„Großmärkte und die Art, wie Lebensmittel dort präsentiert werden, finde ich persönlich sehr faszinierend“, erzählt der Dozent. Darum hatte er auch genau diesen Roman für das Seminar ausgewählt. „Zola beschreibt darin seitenweise Lebensmittel, aber auch die menschliche Mikrogesellschaft auf dem Markt. Der Konflikt zwischen Dicken und Dünnen, den er im Roman schildert, ist eine Kritik an der starken sozialen Ungleichheit im Land.“
Leider ließ das Coronavirus die Exkursionspläne platzen. Um die Zeit, die dafür eingeplant war, nicht nutzlos verstreichen zu lassen, suchte Bobineau nach einer Alternative: „Die Studierenden hatten zum Seminar so herausragende Hausarbeiten abgeliefert, dass ich am Ende auf die Idee kam, gemeinsam mit ihnen daraus ein Buch zu machen“, so Bobineau.
Publikation
„Emile Zola und der Naturalismus. Literaturwissenschaftliche Perspektiven auf Le ventre de Paris (1873)“. Nicole Winter, Luisa Moser, Noé Gräbner, Karina Bauer, Viktoria Schiffmann, Martyna Jonczyk, Frederik Beister, Kira Sophie Horn, Nathalie Metzel, Julien Bobineau (Hrsg.), Verlag des promptus e.V., Würzburg 2022, 184 Seiten, 24,99 Euro, ISBN-13: 9783946101079