2,5 Millionen Euro für Tobias Brixner
16.04.2024Für seine Pionierarbeit bei der Erforschung mehrfacher elektronischer Anregungen hat der Würzburger Physikochemiker Tobias Brixner einen ERC Advanced Grant erhalten. 2013 warb er bereits einen ERC Consolidator Grant ein.
Viele kennen das Prinzip der elektronischen Anregung noch aus dem Physikunterricht: Elektronen in Atomen oder Molekülen nehmen Energie auf, typischerweise durch Licht, und steigen dadurch auf ein höheres Energieniveau. Das kann verschiedene Folgen haben – in der Photovoltaiktechnik sorgt das Phänomen dafür, dass aus Sonnenlicht elektrischer Strom entstehen kann.
Elektronische Anregung nach wissenschaftlichen Maßstäben zu messen und zu untersuchen, wie sich angeregte Elektronen wechselseitig beeinflussen, das ist eine echte Herausforderung: „Elektronische Anregung und die Folgeprozesse laufen extrem schnell ab, vieles passiert gleichzeitig“, erklärt Tobias Brixner, Inhaber des Lehrstuhls für Physikalische Chemie I an der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg und zudem Mitglied der Fakultät für Physik und Astronomie. „In der Forschung etabliert hat sich dazu das Schema der Femtochemie: Dabei wird ein Molekül durch einen kurzen Lichtblitz angeregt und die zeitliche Veränderung durch einen verzögerten zweiten Lichtblitz beobachtet – wie bei einer extremen Zeitlupenaufnahme. Die Lichtblitze dauern nur wenige Femtosekunden, also Millionstel von Milliardstel Sekunden.“
Trotz zahlreicher Erfolge dieser Technik ist es damit noch nicht möglich, die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen mehrfach angeregten Elektronen trennscharf nachzuvollziehen. Zentrale Quantenphänomene bleiben unverstanden. Mit seinem Team erarbeitet Brixner deshalb neue experimentelle Untersuchungsmethoden.
Von der Theorie zur Anwendung
Vor Kurzem entwickelte Brixner mit Kooperationspartnern an der University of Ottawa (Kanada) einen neuen Ansatz, um die einzelnen Beiträge für Einfach-, Zweifach- und weitere Mehrfach-Anregung erstmals ohne Überlappungen zu separieren. Die Forschenden demonstrierten das Verfahren an Polymeren aus dem Institut für Organische Chemie der JMU sowie an weiteren molekularen und biologischen Systemen. Über die Ergebnisse berichtete Brixner beim Nobel-Symposium für Chemie 2022 im schwedischen Båstad, und 2023 folgte eine Veröffentlichung im renommierten Fachjournal „Nature“ am Beispiel der Methode der „transienten Absorption“.
„Die Idee, komplexe physikalische Prozesse systematisch in verständlichere Einzeleffekte aufzuteilen, ist im Rahmen der sogenannten Störungstheorie schon seit hundert Jahren bekannt“, erklärt Brixner. „Nun lässt sich das Konzept auch experimentell auf sehr einfache Weise realisieren.“
Und so funktioniert der neue Ansatz: Das Molekül wird mit einer Reihe verschiedener Laserintensitäten angeregt und es wird jeweils die zeitabhängige Entwicklung beobachtet. Bei hoher Intensität ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass das Molekül zweifach, dreifach oder sogar noch öfter angeregt wird – bei geringerer Intensität dominiert die einfache Anregung. Indem sie alle Beobachtungen mathematisch kombinieren, können die Forschenden die einzelnen Beiträge nicht nur qualitativ, sondern exakt quantitativ trennen. Diese selbst für Expertinnen und Experten zum Zeitpunkt der Publikation überraschende Erkenntnis bildet das Kernprinzip des neuen Projekts.
Zum Forschungsvorhaben „IMPACTS“
Die Idee soll nun auf andere Spektroskopieverfahren erweitert sowie mit Mikroskopie verbunden werden, um Informationen über die Wechselwirkung angeregter Zustände in Molekülen und Materialien mit zeitlicher und räumlicher Auflösung zu erhalten.
Das Team von Brixner kann seine Forschungsarbeiten im Rahmen der neuen Förderung für die nächsten fünf Jahre intensiv verfolgen. Der Europäische Forschungsrat, der European Research Council (ERC), hat jetzt bekannt gegeben, dass Brixner einen ERC Advanced Grant erhält – eine mit 2,5 Millionen Euro dotierte Auszeichnung für sein Projekt „Isolating Multi-Particle Correlations in Time and Space (IMPACTS)“.
Brixner ist damit einer der wenigen Forschenden, denen es gelungen ist, zwei Mal einen ERC Grant einzuwerben. 2013 erhielt er bereits einen „ERC Consolidator Grant“ (in Höhe von 2,7 Millionen Euro) für die Karrierephase von sechs bis zwölf Jahren nach der Promotion, nun den neuen Preis im Wettbewerb exzellenter Forschungsideen aller Karrierephasen.
Über den ERC-Preisträger
Tobias Brixner leitet seit 2007 den Lehrstuhl für Physikalische Chemie I an der JMU. Er hat Physik in Albuquerque (New Mexico, USA) und Würzburg studiert und 2001 beim Experimentalphysiker Gustav Gerber promoviert. Nach einer Postdoktoranden-Phase an der University of California in Berkeley beim Chemiker Graham Fleming (2003 und 2004) kehrte er an die JMU zurück und leitete eine Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe, gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG).
Brixner war unter anderem Sprecher der DFG-Forschergruppe „Lichtinduzierte Dynamik in molekularen Aggregaten“ (2012 bis 2019), Dekan der Fakultät für Chemie und Pharmazie (2021 bis 2023) und ist General Chair der „International Conference on Ultrafast Phenomena“ (2024), der größten Konferenz auf dem Gebiet ultraschneller Phänomene.
Im Bereich neuer digitaler Lehrkonzepte entwickelt Brixner zudem das mehrfach ausgezeichnete virtuelle Laserlabor „femtoPro“, mit dem Studierende augensicheres praktisches Arbeiten mit Laserstrahlung erlernen können.
Kontakt
Prof. Dr. Tobias Brixner, Lehrstuhl für Physikalische Chemie I, Universität Würzburg, T +49 931 31-86330, tobias.brixner@uni-wuerzburg.de