Erfolgsgeschichte am Uniklinikum
26.03.2019CAR-T-Zellen zählen zu den großen Hoffnungsträgern in der Krebsmedizin. Das Uniklinikum Würzburg spielt bei der Erforschung, Anwendung und Ausweitung dieses neuen Arzneimittelprinzips eine international bedeutende Rolle.
T-Zellen sind weiße Blutkörperchen, die der Immunabwehr dienen. Leider sind sie in ihrem natürlichen Zustand für Tumorzellen „blind“. Durch gentechnologische Veränderungen können sie allerdings für jeweils eine spezifische Krebsart maßgeschneidert „scharfgestellt“ werden. Diese CAR-T-Zellen sind in den vergangenen Jahren in den Fokus der internationalen Krebstherapieforschung und der biopharmazeutischen Entwicklung gerückt. Das Uniklinikum Würzburg (UKW) arbeitet hier seit einigen Jahren in der Weltelite mit – sowohl in der präklinischen Entwicklung, wie auch in der Anwendung der ersten einsatzfähigen Präparate.
„In diesem Zusammenhang war es eine überaus weitsichtige Entscheidung von Professor Hermann Einsele – dem Direktor der Medizinischen Klinik II und selbst ein Pionier der zellulären Immuntherapie – im Jahr 2012 Dr. Michael Hudecek aus den USA an unser Klinikum zu holen“, sagt Professor Georg Ertl. Der Ärztliche Direktor des UKW präzisiert: „Auf der Basis von Dr. Hudeceks Know-how in der CAR-T-Zell-Forschung konnten ein Forschungslabor und eine Arbeitsgruppe zu diesem neuartigen Arzneimittelprinzip aufgebaut werden, die sich heute großer internationaler Sichtbarkeit erfreuen.“ Professor Matthias Frosch, der Dekan der Medizinischen Fakultät zeigt sich begeistert von den Publikationen der Arbeitsgruppe in hochrangigen Fachjournalen und der erfolgreichen Drittmitteleinwerbung in diesem Bereich.
Teil der Forschungs-Weltelite
Gemessen werden kann diese „Sichtbarkeit“ zum Beispiel daran, dass Einsele und Hudecek regelmäßig zu Kongressen in aller Welt eingeladen werden, um vor der immunonkologischen Weltelite ihre Ergebnisse zu präsentieren. Zuletzt organisierten die beiden Experten im Februar dieses Jahres das erste europäische CAR-T-Zell-Meeting in Paris, wo sie selbst mehrere Vorträge hielten.
Ein weiteres „Qualitätsmerkmal“ der Würzburger CAR-T-Zell-Forschung ist die erfolgreiche Einwerbung von Forschungs-Drittmitteln aus unterschiedlichen Quellen – sowohl von der Deutschen Krebshilfe und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, wie auch von der Europäischen Union.
Mit etwa 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – Wissenschaftlern, Medizinern, Medizinisch-technischen Angestellten, Doktoranden sowie Gastwissenschaftlern aus anderen europäischen Ländern – ist die Arbeitsgruppe von Dr. Hudecek eines der größten präklinischen Programme zu CAR-T-Zellen in Europa.
An großen internationalen Studien beteiligt
Auch die Translation, also der Einsatz neuer Präparate im Patienten, gelingt in Würzburg. So ist das UKW an einer internationalen und multizentrischen Phase I/IIa klinischen Studie beteiligt. Hauptziel des EURE-CART-Projekts ist der Nachweis der Sicherheit und Effektivität eines CAR-T-Zell-Produktes zur Behandlung der Akuten Myeloischen Leukämie und des Multiplen Myeloms.
Parallel dazu leitet die Medizinische Klinik II des Uniklinikums Würzburg das von der EU geförderte Projekt CARAMBA. Das ebenfalls multinational aufgestellte Projekt zielt darauf ab, ein von Hudecek entwickeltes CAR-T-Zellen-Produkt für die Behandlung des Multiplen Myeloms in die klinische Anwendung zu überführen.
Mittlerweile haben mehrere (Bio-)Pharmaunternehmen für eine Reihe von CAR-T-Zell-Präparaten die Zulassung in den USA und Europa erhalten. Das UKW gehört hier zu den wichtigsten Anwendern in Deutschland. „Seit dem Jahr 2016 behandeln wir als eine der ersten deutschen Einrichtungen Patienten mit zugelassenen CAR-T-Zell-Produkten. Bislang haben wir insgesamt 20 Menschen mit Lymphknotenkrebs oder akuter lymphatischer Leukämie therapiert, bei denen alle etablierten Therapien versagt hatten“, berichtet Professor Einsele.
Erfolgsbeispiel eines Myelom-Patienten
Im vergangenen Jahr wurden am UKW zudem die ersten beiden Myelom-Patienten mit von der Industrie bereitgestellten CAR-T-Zellen behandelt. Einer davon ist Peter J. aus dem Raum Schweinfurt. Bei dem heute 70-Jährigen wurde die bösartige Krebserkrankung des Knochenmarks Ende des Jahres 2015 diagnostiziert. Ab Mai 2016 erhielt er an der Medizinischen Klinik II des UKW mehrere Chemotherapien und wurde in Abständen drei Mal mit Eigenstammzellen therapiert.
„Leider kehrten die Myelom-Zellen danach immer schneller zurück. Die Behandlung mit CAR-T-Zellen war für Herrn J. eine der letzten verbleibenden Behandlungsoptionen“, schildert Einsele und fährt fort: „Glücklicherweise passte er in eine entsprechende Studie eines US-amerikanischen Biopharmazie-Unternehmens.“ Anfang Dezember 2018 wurden ihm seine in den USA entsprechend modifizierten und vermehrten T-Zellen zurückinfundiert. Außer einer zeitweiligen Fieberreaktion kam es zu keinen Nebenwirkungen. Hingegen sank die Menge der Myelom-Zellen in seinem Körper drastisch ab.
Seit Mitte Januar 2019 ist Peter J. wieder zu Hause und fühlt sich den Umständen entsprechend sehr gut. Er ist schmerzfrei und kann bis zu einer Stunde problemlos spazieren gehen sowie leichte körperliche Arbeiten verrichten. Für eine weitere „Normalisierung“ muss in den kommenden Wochen und Monaten noch sein therapiebedingt zurückgedrängtes Immunsystem wieder aufgebaut werden.
Wie bei Peter J. sind die Ergebnisse der CAR-T-Zell-Therapien am UKW insgesamt sehr positiv. „Bei einem Großteil unserer Patienten konnten wir eine Remission erreichen. Das bedeutet, dass die Tumoren nach einer einmaligen CAR-T-Zell-Gabe so weit zurückgehen, dass man dauerhaft keine Krebszellen mehr nachweisen kann“, erläutert Hudecek.
Entwicklungsziele: Feinschliff und Ausweitung
Zu den Forschungszielen der nächsten Zeit zählt es, die bestehenden CAR-T-Zell-Produkte noch weiter zu verfeinern und noch besser steuerbar zu machen. „Hier kommen die Synergien zwischen unserer präklinischen und klinischen Arbeit sowie die gute Kooperation mit der Industrie zum Tragen. Beispielsweise arbeiten wir in unserem Labor daran, das Nebenwirkungsmanagement von vorhandenen CAR-T-Zell-Präparaten weiter zu optimieren“, sagt Einsele.
Eine weitere Hauptaufgabe sieht der Klinikdirektor ferner darin, das Anwendungsspektrum von CAR-T-Zellen zukünftig auf möglichst jede Krebsart auszuweiten. So untersucht die Medizinische Klinik II des UKW derzeit, ob dieses Arzneimittelprinzip auch bei soliden Tumoren wie Brust-, Lungen- oder Bauspeicheldrüsenkrebs hilfreich sein kann.
Durch regionale Spenden- und Stiftungsgelder gefördert
Eine besondere „Rückenstärkung“ für die Würzburger CAR-T-Zell-Forschung war und ist die Förderung durch den Verein „Hilfe im Kampf gegen Krebs“ und die Stiftung „Forschung hilft“. So organisierte der von Gabriele Nelkenstock geführte Verein bereits im Jahr 2013 auf der Mainfranken-Messe in Würzburg einen Benefizlauf, dessen Erlös gezielt dem Projekt von Dr. Hudecek zugutekam. „Schon damals zeichnete sich ab, welche große Bedeutung CAR-T-Zellen für zukünftige Krebstherapien haben können. Deshalb war es Hilfe im Kampf gegen Krebs e.V. ein Anliegen, die Weiterentwicklung des Projektes im Rahmen unserer Möglichkeiten zu sichern und voranzutreiben“, berichtet Gabriele Nelkenstock.
Fortgesetzt wurde die Förderung durch die im Jahr 2017 gegründete Stiftung „Forschung hilft“. Hinter der Einrichtung stehen der Verein „Hilfe im Kampf gegen Krebs“ und die Medizinische Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). Im vergangenen Jahr ehrte die Stiftung insgesamt sieben wissenschaftliche Arbeitsgruppen mit Förderpreisen. Sehr großen Zuspruch fand beim externen wissenschaftlichen Beirat der Stiftung das Designer-T-Zellen-Projekt von Dr. Hudecek. Entsprechend erhielt es eine Fördersumme von 20.000 Euro.
Zusätzliche Motivation
„Diese Unterstützung ist für uns in mehrfacher Hinsicht wertvoll“, so Hudecek. Zum einen seien die Gelder höchst willkommen, um neue Ideen seiner Arbeitsgruppe zügig testen zu können – ohne langwierige Förderungsanträge. „Zum anderen sehen wir die Förderung auch als eine besondere, von der regionalen Bevölkerung getragene Wertschätzung unserer Arbeit, die uns zusätzlich motiviert“, beschreibt der Forscher.
„Die Universität Würzburg ist dem Verein ‚Hilfe im Kampf gegen den Krebs‘ überaus dankbar für die Einrichtung der Stiftung zur Förderung der Krebsforschung. Damit können zukunftsweisende, erfolgversprechende Ansätze in der Krebsforschung der JMU vertieft und ausgebaut werden“, betont Professor Alfred Forchel, Präsident der Universität Würzburg.
So funktioniert die CAR-T-Zell-Therapie
Für die Herstellung von CAR-T-Zellen werden zunächst T-Zellen aus dem Blut des Patienten gewonnen. Mit gentechnischen Verfahren wird in die Zellen ein neues Gen stabil eingebaut, das T-Zellen normalerweise nicht haben. Dieses Gen ist der Bauplan für ein spezifisches Protein, das als künstlicher (chimärer) Antigenrezeptor (CAR) bezeichnet wird. Die modifizierten T-Zellen werden zur Vermehrung angeregt und dem Patienten über eine Infusion wieder zugeführt.
Mithilfe des künstlichen Antigenrezeptors erkennen die CAR-T-Zellen gezielt die Tumorzellen, docken an diesen an und töten sie ab. Vor der Rückgabe der CAR-T-Zellen wird in der Regel eine intensive Chemotherapie durchgeführt. Sie drängt nicht nur die Tumorzellen zurück, sondern auch das körpereigene Immunsystem. So können sich die CAR-T-Zellen effektiver im Körper des Patienten vermehren.