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Fachmann für biomedizinische Systembiologie

11.05.2021

Dominic Grün leitet den neuen Lehrstuhl für Computational Biology of Spatial Biomedical Systems an der Uni Würzburg. Der Physiker erforscht Zellen und Moleküle auch mit Verfahren der Künstlichen Intelligenz.

Professor Dominic Grün.
Professor Dominic Grün. (Bild: Max Planck Institut für Immunbiologie und Epigenetik)

Was steuert die Entscheidung, zu welchen Blutzelltypen sich Stammzellen im Knochenmark entwickeln? Wie interagieren die verschiedenen Zellen der Leber, um dem Organ seine faszinierende Regenerationsfähigkeit zu geben – oder es für Krankheiten wie Fettleber anfällig zu machen?

Mit solchen und ähnliche Fragen beschäftigt sich Professor Dominic Grün, der seit Anfang Januar 2021 den neugeschaffenen Lehrstuhl für Computational Biology of Spatial Biomedical Systems an der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg innehat.

Theoretische Physik als Ausgangspunkt

Dass er einmal zu solch hochkomplexen molekularbiologischen Vorgängen forschen würde, hätte sich der 1977 in Bergisch Gladbach geborene Nordrhein-Westfale als junger Mann nicht vorstellen können.

Als er 1998 sein Physikstudium an der Universität Köln startete, träumte er stattdessen von einer späteren Arbeit in der Astrophysik. „Ich hatte schon als Schüler ein hohes Interesse an theoretischen Aspekten und fand Mathematik ebenfalls spannend, weshalb sich mein Studium schnell in die Richtung der theoretischen Physik entwickelte“, berichtet Grün. Ein Kölner Professor, der sich mit „Biologischer Information“ beschäftigte, brachte den Studenten erstmals in Kontakt mit der Molekularbiologie. Dabei ging es darum, mit Methoden der statistischen Physik mathematische Modelle zur Evolution von biologischen Systemen zu formulieren.

Während seiner Doktorarbeit zu Modellen von Populationsdynamik und Genomexpansion lernte Grün dann Professor Nikolaus Rajewsky und dessen damals wegweisende Forschung zu microRNAs kennen. Er folgte dem renommierten Bioinformatiker und Genomiker für ein Jahr an die New York University (USA), wo er mit bioinformatischen Methoden in der molekularbiologischen Forschung arbeitete.

Zwischenstopp in der Finanzwirtschaft

„Dass Physiker in die Biologie abwandern, ist nicht ungewöhnlich, da die Methoden der Physik sehr universell sind und sich auf fast beliebige Systeme wie Verkehr, Finanzmärkte oder eben Life Sciences anwenden lassen“, erläutert Dominic Grün.

Diese Universalität seines Fachs bewies er auch, als er nach seiner Promotion im Jahr 2006 drei Jahre lang bei einem international tätigen Beratungsunternehmen Risikoanalysen für die Finanzindustrie durchführte. „Die dort praktizierten Methoden waren zwar interessant, aber die zu bearbeitenden Fragen interessierten mich im Lauf der Zeit immer weniger, so dass ich im Jahr 2010 die Reißleine zog und zur Molekularbiologie zurückkehrte“, schildert der Wissenschaftler.

Es schlossen sich zwei Postdoc-Stellen an: bis 2012 am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin und von 2012 bis 2015 am Hubrecht Institut in Utrecht/Niederlande, das für seine Forschung in der Entwicklungs- und Stammzellbiologie bekannt ist.

Gruppenleiter am Max-Planck-Institut in Freiburg

Danach war es Zeit für eine Führungsposition, bei der er seine eigene Forschungsagenda verfolgen konnte. Möglich wurde dies am Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg im Breisgau, wo er seit 2015 die Forschungsgruppe „Quantitative Einzelzellbiologie“ leitet.

Mit ihren wissenschaftlichen Ergebnissen konnten er und sein Team in den vergangenen Jahren eine international sichtbare Reputation aufbauen. Dies spiegelt sich zum einen in zahlreichen Publikationen wider – unter anderem in namhaften Zeitschriften wie Nature und Immunity. Zum anderen wurde Dominic Grün 2020 für seine Arbeiten zur Charakterisierung von humanen Leberzellen und der Entdeckung von Lebervorläuferzellen mit dem mit 10.000 Euro dotierten Wissenschaftspreis Medizinische Grundlagenforschung der GlaxoSmithKline-Stiftung ausgezeichnet.

Gefördert mit ERC Consolidator Grant

Ferner gelang es Grün, im Jahr 2018 einen zwei Millionen Euro schweren ERC Consolidator Grant einzuwerben. Das European Research Council (ERC) fördert mit diesem prestigeträchtigen Programm herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einem frühen oder mittleren Karrierestadium.

Mit dem Grant untersucht Grün das blutbildende Knochenmark mit Hilfe von Einzelzell-Sequenzierung und genomweiter molekularer Bildgebung, wobei er Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) und des computergestützten maschinellen Lernens entwickelt und anwendet. Das auf fünf Jahre angelegte Forschungsvorhaben konnte – wie weitere von ihm eingeworbene Drittmittelprojekte – zu seiner neuen Position in Würzburg transferiert werden.

Auf bestehende Kooperationen aufbauen

„Die an der JMU ausgeschriebene Professur passt hervorragend zu meinem bisherigen wissenschaftlichen Profil“, kommentiert der 43-Jährige den Wechsel nach Unterfranken.

„Die Atmosphäre hier ist höchst inspirierend und ich freue mich auf die sich abzeichnende, sehr gute Zusammenarbeit über verschiedene Institute hinweg und mit Kolleginnen und Kollegen, die ähnliche Visionen teilen.“ Dabei kann der Neu-Würzburger auch auf bestehenden Kontakten aufbauen. So kollaborierte er schon in den vergangenen Jahren eng mit Wissenschaftlern des Instituts für Systemimmunologie, zum Beispiel im Rahmen eines DFG-Schwerpunktprogramms für angeborene lymphoide Zellen.

Nass und trocken: Arbeiten in einem zweiteiligen Labor

Das Würzburger „Grün Lab“ ist nach den Worten des Professors ein zweigeteiltes Labor: Im Nass-Labor kommen „klassische“ Methoden der Experimentalbiologie zum Einsatz, wie mikroskopische Verfahren, Tests in vitro und im Tiermodell sowie Einzelzell-RNA-Sequenzierungen. Im sogenannten Dry Lab werden die dabei gewonnenen Daten am Computer analysiert. Hier arbeiten neben Fachleuten aus der Experimentalbiologie auch Bioinformatiker, die neue Algorithmen der Informationsverarbeitung entwickeln.

Professor Grün verdeutlicht: „Im Nass-Labor generieren wir sehr große Datenmengen, was typisch für die Biologie unserer Zeit ist. Wenn wir beispielsweise in einer Zelle die RNA-Expression 20.000 verschiedener Gene messen und das für 100.000 Zellen durchführen, entsteht ein enorm großer, sehr komplexer Datensatz. Um an die relevanten biologischen Informationen zu kommen, brauchen wir maßgeschneiderte mathematische Methoden.“ Dazu bedienen sich Dominic Grün und sein aktuell zwölfköpfiges Team des maschinellen Lernens und der KI. Mit diesen Methoden sollen die Grundlagenforschung in der Systembiologie vorangebracht sowie die personalisierte Diagnose und Therapie von Krankheiten wie zum Beispiel Leukämie, aber auch Fettleber, Leberzirrhose und Leberkrebs erleichtert werden.

Finanziert durch die Hightech Agenda Bayern

Die Verbindung zur KI war für die Einrichtung des neuen Lehrstuhls an der JMU essentiell. Denn dessen Finanzierung beruht auf einer Förderung durch die bayerische Staatsregierung im Rahmen der Hightech Agenda Bayern. In diesem Zusammenhang entsteht an der JMU derzeit ein Knotenpunkt eines bayernweiten KI-Netzwerks, das Center for Artificial Intelligence and Data Science, kurz CAIDAS. In diesem Zentrum sollen Professorinnen und Professoren aus möglichst allen Wissenschaftsgebieten Strategien entwickeln, um große Datenmengen effizient und mit intelligenten Methoden auszuwerten und zu nutzen.

Professor Grün kommt die Aufgabe zu, für die Lebenswissenschaften der JMU die Brücke zu CAIDAS zu bilden. „Diese Schnittstellenfunktion zwischen verschiedenen Fachdisziplinen ist für mich ein sehr interessanter Aspekt meiner neuen Position“, freut sich der Lehrstuhlinhaber.

Von Helmuth Ziegler

Kontakt

Prof. Dr. Dominic Grün, Lehrstuhl für Computational Biology of Spatial Biomedical Systems, T: +49 931 31-81481, dominic.gruen@uni-wuerzburg.de

Webseite der Forschungsgruppe

Von Helmuth Ziegler

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