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G8 ist Segen für „Herzensbildung“

29.01.2019

„Zeit“-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo war auf Einladung der Professur für Wirtschaftsjournalismus zu Gast an der Uni. Im vollen Audimax sprach er über das Thema „Kann man heute noch Elite sein?“.

Erst eine halbe Stunde Rede, dann eine gut einstündige Fragerunde: Giovanni di Lorenzo bei seinem Vortrag im Audimax.
Erst eine halbe Stunde Rede, dann eine gut einstündige Fragerunde: Giovanni di Lorenzo bei seinem Vortrag im Audimax. (Bild: Sebastian Schug / Universität Würzburg)

Der Kommunikationswissenschaftler di Lorenzo sprach dem negativ konnotierten Begriff „Elite“ hohe humanistische Werte zu. Die künftigen Entscheidungsträger im Publikum ermutigte er, „richtige Ziele“ mit richtigen Argumenten „engagiert“ zu verfolgen. Kurz und mit dem Untertitel seines Vortrags formuliert: Er hielt „Ein Plädoyer für Mut und Verantwortung“.

Das – tatsächlich überwiegend studentische – Publikum sah sich moralisch angesprochen: Da sie keine Gebühren für ihre Ausbildung zahlten, seien sie gehalten, „der Gesellschaft später in Ihrer Rolle als Elite etwas zurückzugeben“. Dieses Etwas sei mehr als die Fachkompetenz, die man im Studium erwerbe.

Eine essayistische Begriffsklärung

Eines fiel di Lorenzo am schlechten Renommee des Begriffs „Elite“ auf, oft beschrien als „Trennung von Volk und Eliten“: Diese Kritik werde in erster Linie „von den politischen Rändern her“ formuliert, von rechten und linken Parteipolitikern, nicht von denen der Mitte. Er selbst gab unumwunden zu: Boni für Banker, Doping für Sportstars und Missbrauch von Abhängigen – diese Verfehlungen „gereichen den Eliten nicht zur Ehre“. Dabei landete er einen Seitenhieb auf den Universitätsbetrieb: Bezeichnenderweise werde der Begriff Elite in der Exzellenzinitiative vermieden; aber dort spiele ja auch gute Lehre keine Rolle, ebenso wenig wie der enge Austausch von Dozenten und Studierenden und „dass sich die Professoren für Sie ein Bein ausreißen“.

Weiter in der Definition: Eliten sind nicht demokratisch legitimiert. Aber eben gerade „weil sie nicht gewählt wurden, müssten sie sich eigentlich anstrengen, sich selbst zu legitimieren“. Wodurch? Hier riskierte der Redakteur ausdrücklich den Vorwurf des Moralisierens und des Unzeitgemäßen: Angehörige der Elite hätten sich schlicht „an die Regeln zu halten, die für alle gelten“, sollten neugierig sein, Haltung und „Herzensbildung“ zeigen.

Raus aus der Meinungsblase

Einen Rat gab Giovanni di Lorenzo seinen Zuhörerinnen und -hörern: Sie sollten sich „nach dem Aufstieg nicht gemütlich einrichten. „Gesellschaftliche Probleme können nicht durch Verschweigen gelöst werden.“ Gerade solch „widersprüchlichen Zeiten“ wie der Gegenwart entspreche eine „wachsende Bereitschaft zum Diskurs“. Daher leistet sich seine Wochenzeitung „Die Zeit“ in jeder Ausgabe „die Zumutung unterschiedlicher Meinungen“. Denn jeder Zeitgenosse solle auch andere Meinungen neben der eigenen kennen lernen. Gerne gab di Lorenzo zu, es koste viel Kraft, gegenzusteuern gegen die Verkapselung und das Kommunizieren in der eigenen Blase.

Umwege um die Regelstudienzeit

Das studentische Publikum fand bei den Formulierungen des Journalisten oft Grund zum Schmunzeln, aber auch zum ungläubigen Auflachen, etwa als Giovanni di Lorenzo in den Saal rief: „Sie sind mit G8 gesegnet!“ Sehr junge Studienanfänger hätten sehr viel Zeit vor sich und seien nicht gezwungen, „durch die Studiengänge zu hetzen. Erlauben Sie sich ein wenig Idealismus. Er wird Ihnen früh genug ausgetrieben.“ Bei der Gelegenheit bat er sein junges Publikum, sich als „european natives“ zu begreifen.

Nach di Lorenzos Auffassung sind gute Elite-Mitglieder solche, die ihre persönlichen Fähigkeiten für Ziele einsetzen, für die sie „brennen“. Talente und Ziele aber müssten erst einmal entdeckt und gepflegt werden. Eben dazu sollten sich die G8-Gesegneten Zeit nehmen, auch dafür, Umwege einzuschlagen und gar zu scheitern: „Sie haben Ihre beste, wildeste und intensivste Zeit vor sich.“

Für eine besser kommunizierende Welt

Und dann? Für den Redner, der nach einer halben Stunde am Manuskript eine gut einstündige Fragerunde einläutete, geht es nicht an, dass die Menschen mit den größten sozialen Defiziten – hier wählte er einen deutlichen Fäkalausdruck – die größten Karrieren machten, weil „die anderen“ nicht wollten. Also wieder ins Publikum: „Sie müssen ran, sonst haben wir nur die Mittelmäßigen und Skrupellosen in der Politik.“

Leicht wird das nicht, gebe es doch in den Medien „eine Gnadenlosigkeit in der Beurteilung von Menschen, die Verantwortung übernommen haben und die selbstverständlich auch Fehler machen“. Giovanni di Lorenzo war sich sicher, die richtigen Adressaten vor sich zu haben – viele Studierende, die später gerne „was mit Medien machen“ würden. Seine verhaltene Ironie und sein Pathos für eine bessere – oder zumindest besser kommunizierende – Gesellschaft kamen bei ihnen gut an.

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Von Joachim Fildhaut

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