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Kein Schaden, kein Nutzen

13.09.2022

Die weltweit größte Studie in der Verbrennungsmedizin zeigt, dass die Gabe von Glutamin weder positive noch negative Auswirkungen auf den Heilungsprozess hat.

Neben der Flüssigkeitszufuhr und einem individuell abgestimmten Kalorienbedarf kann sich vor allem die bedarfsgerechte Gabe von Nährstoffen positiv auf den Krankheitsverlauf von intensivmedizinisch betreuten Patientinnen und Patienten auswirken.
Neben der Flüssigkeitszufuhr und einem individuell abgestimmten Kalorienbedarf kann sich vor allem die bedarfsgerechte Gabe von Nährstoffen positiv auf den Krankheitsverlauf von intensivmedizinisch betreuten Patientinnen und Patienten auswirken. (Bild: Anna Wenzl / UKW)

Eine optimal zusammengesetzte Ernährung kann den Krankheitsverlauf von intensivmedizinisch betreuten Patientinnen und Patienten begünstigen. Neben der Flüssigkeitszufuhr und einem individuell abgestimmten Kalorienbedarf kann sich vor allem die bedarfsgerechte Gabe von Nährstoffen positiv auf Immunabwehr und Wundheilung auswirken. Vielfach diskutiert wurde in den vergangenen Jahren die zusätzliche Gabe von Glutamin. Denn kritisch Kranke haben oft einen erhöhten Umsatz dieser Aminosäure. Doch schon 2013 hatte die renommierte „Canadian Critical Care Trials Group“ in der internationalen REDOX-Studie herausgefunden, dass eine frühzeitige Gabe von Glutamin in hoher Dosierung sogar mitverantwortlich für eine höhere Sterblichkeit bei Patientinnen und Patienten mit Organversagen ist. Die zusätzliche Gabe von Glutamin wurde nachfolgend aus den Behandlungsleitlinien gestrichen.

RE-ENERGIZE für mehr Evidenz

„Mehrere kleinere klinische Studien deuteten jedoch weiterhin auf einen positiven Effekt von Glutamin auf die Stoffwechsel- und Stressreaktion bei Patientinnen und Patienten mit schweren Brandverletzungen hin, sodass die Leitlinien in diesen Fällen eine Gabe von Glutamin weiterhin empfehlen“, schildert Professor Christian Stoppe von der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie am Uniklinikum Würzburg. „Dieses Evidenzniveau war uns jedoch zu niedrig und die Unsicherheit bei Glutamin-Supplementierung zu hoch. Wir wollten es genau wissen. Daher haben wir in unserer RE-ENERGIZE-Studie (RandomizEd Trial of ENtERal Glutamine to minimIZE Thermal Injury) zehn Jahre lang in insgesamt 1.209 Patientinnen und Patienten mit schweren Brandverletzungen auf 54 Intensivstationen in 14 Ländern die Wirkung und Sicherheit von Glutamin untersucht. Die Betroffenen hatten Verbrennungen zweiten oder dritten Grades, das heißt, mindestens 15 Prozent der Gesamtkörperfläche war betroffen, im Schnitt waren es 33 Prozent.“

RE-ENERGIZE ist die weltweit größte Studie im Bereich der Verbrennungsmedizin. Geleitet wurde sie von Professor Daren K. Heyland von der Clinical Evaluation Research Unit at Kingston General Hospital und unterstützt vom Canadian Institutes of Health Research (CIHR). Christian Stoppe, der im Juni 2022 von Aachen nach Würzburg kam, arbeitet seit vielen Jahren eng mit Heyland zusammen und hat als Co-Investigator die Studie nach Deutschland geholt und koordiniert.

Effekt auf Dauer des Klinikaufenthaltes, Infektion und Sterblichkeit

Konkret hat das internationale Team in der doppelblinden, randomisierten, placebokontrollierten RE-ENGERGIZE-Studie untersucht, welchen Einfluss enterales Glutamin, also über eine Magensonde oder oral verabreicht, auf die Sterblichkeit hat, auf Infektionen, auf die Dauer des Aufenthalts auf der Intensivstation und im Krankenhaus, auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität und auf die Ressourcen des Gesundheitswesens. Kurz: Schadet die Intensivmedizin mit der Glutamin-Supplementierung den Patientinnen und Patienten mit schweren Verbrennungen oder rettet sie Leben?

Weder noch lautet die Antwort, die jetzt in The New England Journal of Medicine detailliert veröffentlicht wurde. Von 1209 randomisierten Patientinnen und Patientenen mit einer durchschnittlichen Verbrennungsgröße von 33 % wurden 1200 analysiert. 596 erhielten eine Glutamin-Supplementierung, 604 ein Placebo. Die mittlere Zeit bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus betrug 40 Tage in der Glutamin-Gruppe gegenüber 38 Tagen in der Placebo-Gruppe. Die 6-Monats-Mortalitätsrate betrug 17,2 % in der Glutamin-Gruppe gegenüber 16,2 % in der Placebo-Gruppe. Bei den schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen wurden keine Unterschiede festgestellt.

 „Unsere Daten zeigen, dass die zusätzliche Gabe von Glutamin hingegen der vielen kleinen Studien keinen zusätzlichen Nutzen hat. Es ist aber auch nicht gefährlich. Die Empfehlung für die Glutamingabe muss jedoch aufgrund der Studie nun revidiert werden müssen“, kommentiert Christian Stoppe.

Welchen Nutzen hat Vitamin C?

„Auf dieser Studie aufbauend führen wir nun in diesem internationalen Netzwerk die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte VICToRY-Studie durch. Darin überprüfen wir den Nutzen von Vitamin C bei der Genesung von kritisch kranken Verbrennungspatientinnen und -patienten“, berichtet Christian Stoppe, der diese Studie ebenfalls gemeinsam mit Professor Heyland aus Kanada leitet.

Verbrennungen stellen Stoppe zufolge weltweit ein bedeutendes, aber oft unterschätztes Problem der öffentlichen Gesundheit dar. Sie sind die vierthäufigste Verletzung und betreffen oft Personen im jungen bis mittleren Lebensalter, resultierend aus Berufs- und Freizeitunfällen. Verbrennungen sind die Hauptursache für fortbestehende signifikante Einschränkungen nach der Erkrankung. Mehr als bei jeder anderen Form von kritischen Erkrankungen können aufgrund der schweren Brandverletzungen Entzündungsreaktionen auftreten, wodurch die Immunfunktion beeinträchtigt wird und ein erhöhtes Risiko für Organfunktionsstörungen besteht. Verschiedene Ernährungs- und Nährstoffstrategien könnten dazu beitragen, das Immunsystem zu stärken und somit den Heilungsprozess zu begünstigen.

Originalpublikation

DOI: 10.1056/NEJMoa2203364

https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa2203364

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Von Pressestelle UKW

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