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Große Herausforderung in Holz

22.01.2019

In seinem Hauptberuf leitet Volker Latussek das Referat A.1: Planung und Berichtswesen der Univerwaltung. In seiner Freizeit entwickelt er Geduldspiele, die international Beachtung finden. Im Uni-Shop ist eines erhältlich.

Volker Latussek mit dem Würfel der Universität Würzburg.
Volker Latussek mit dem Würfel der Universität Würzburg. (Bild: Gunnar Bartsch/Universität Würzburg)

Ein Holzwürfel mit einer Kantenlänge von sieben Zentimetern und auf jeder Seite einem zentral angeordneten Loch mit einem Durchmesser von drei Zentimetern. Im Würfelinneren stapeln sich sechs identische Holzkugeln, die im Prinzip problemlos durch diese Löcher hindurch passen müssten. Im Prinzip … Denn das ist die Aufgabe: Die sechs Holzkugeln aus dem Würfel herausholen und anschließend wieder hineinstecken.

Die schwierige Suche nach der Lösung

Eine Zugfahrt nach München sollte doch eigentlich eine gute Gelegenheit sein, entspannt und in aller Ruhe diese Aufgabe anzugehen – im Prinzip. Tatsächlich war es bereits bei der Durchfahrt in Kitzingen vorbei mit der Entspannung. Bis dahin war klar, dass die Lösung für dieses Problem keineswegs durch ein wenig Herumprobieren zu finden sein würde. In Marktbreit landete der Würfel zum ersten Mal wieder im Rucksack, weil selbst Mitreisende davon überzeugt waren, dass die erste Kugel niemals durch das Loch hindurch gehen würde.

In Neustadt startete ein zweiter Versuch, der bis Nürnberg zu der einhelligen Meinung führte, dass es sich bei diesem Exemplar um ein fehlerhaftes Vorserien-Stück handeln müsse, bei dem die Kugeln zu groß oder die Löcher zu klein geraten waren. Und als kurz hinter Nürnberg der Ruf nach dem Einsatz von Sägen und Feilen immer lauter wurde, verschwand der Würfel erneut im Rucksack – und diesmal auf Dauer. Eine Lösung für das Problem war zu diesem Zeitpunkt jedenfalls nicht einmal im Ansatz in Sicht.

Auszeichnung von europäischen Spielesammlern

Tower of London heißt der Würfel – die Kugeln stehen für die britischen Kronjuwelen, der Würfelkörper repräsentiert den berühmten Turm. Erfunden und entwickelt hat das „mechanische Denk- oder Geduldspiel“ Dr. Volker Latussek. Der Physiker arbeitet seit 2008 in der Zentralverwaltung der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU); er leitet dort das Referat A.1: Planung und Berichtswesen. In seiner Freizeit tüftelt er schon seit vielen Jahren an solchen dreidimensionalen Denksportaufgaben. Und das mit Erfolg: Seine jüngste Entwicklung Casino wurde von europäischen Denkspielsammlern zum Most Coveted Puzzle of 2018 gewählt – dem begehrtesten Puzzle des Jahres also.

Bei Casino handelt es sich ebenfalls um einen Holzwürfel – diesmal allerdings nur mit einer beeindruckend großen Öffnung an einer Seite. Aufgabe der Spieler ist es, sechs kreisförmige Scheiben im Würfelinneren unterzubringen, so dass keine aus dem Würfel herausragt. „Sieht einfach aus, da du scheinbar viel Platz für die sechs Scheiben hast“, schreibt Bernhard Schweitzer, ein international bekannter Designer und Hersteller von 3D-Rätseln und Mathematiklehrer aus Deutschland.

Einsatz in Anti-Demenzprogrammen

Aber: „Abgesehen davon, dass es alles andere als einfach ist: Das Casino kann man nur als ein Puzzle-Meisterwerk bezeichnen. Die Prämisse ist so einfach, aber die Lösung zu finden ist eine große Herausforderung und erfordert wunderbares Denken und Planen“, urteilt Kevin Sadler, Betreiber der Webseite www.puzzlemad.co.uk. Tatsächlich fordert Casino das Denkvermögen so stark, dass das Spiel laut Volker Latussek in diesem Jahr in einem landesweiten Anti-Demenzprogramm in japanischen Altenheimen zum Einsatz kommt.

17 mechanische Denkspiele hat Volker Latussek inzwischen entwickelt und auf den Markt gebracht. Eines davon – der verhüllte Soma-Würfel – ist über den Shop der Universität Würzburg erhältlich. In diesem Fall müssen sieben unterschiedlich geformte Bauteile durch zwei Öffnungen im Würfelinneren untergebracht werden.

Vom Computer-Design zum haptischen Erlebnis

Am Anfang jeder Entwicklung steht bei Latussek eine Frage. Die lautet dann beispielsweise: „Ist es möglich, eine geschlossene Schleife in einem sogenannten ‚3x3x3-Würfel‘ unterzubringen?“ In diesem Fall konnte Latussek mathematisch beweisen, dass das nicht möglich ist. Existiert allerdings eine Lösung, baut der promovierte Physiker am Rechner ein Modell und schickt die Daten an eine 3D-Druckerei. Wenige Tage später erhält er per Post seinen ersten Prototypen aus Kunststoff, der einem intensiven Funktionstest unterzogen wird. Anschließend dürfen sich Testpersonen aus Familie und Freundeskreis ans Werk machen. „Wenn sich dabei herausstellt, dass die Lösung zu einfach ist, landet der Prototyp in der Tonne“, sagt Latussek. Ist das nicht der Fall, nimmt er Kontakt zu einem auf Spiele dieser Art spezialisierten Verlag auf, wo dann erste Kleinserien produziert werden.

Geduld und Interesse sollte mitbringen, wer die Würfel in die Hand nimmt und sich auf die Suche nach der Lösung macht. Ums beliebige Probieren geht es ihrem Entwickler dabei nicht so sehr. „Man muss systematisch an das Problem herangehen, überlegen, planen und nach der geeigneten Strategie suchen“, sagt er. Wichtig ist ihm auch der physische Aspekt: Natürlich könne man auch Tetris auf dem Smartphone spielen – die Logik sei vergleichbar. „Aber das ist doch etwas ganz anderes, wenn man einen Würfel aus Holz in den Händen hält und die Teile selbst bewegen kann“, sagt er. Das größte Lob sei für ihn deshalb, wenn er erfährt, dass ein 16-Jähriger sein Smartphone zwei Stunden lang nicht in die Hand genommen hat, weil er so damit beschäftigt war, das Casino-Problem zu lösen.

Weitere Produkte sind marktreif

Die Ideen für weitere Knobeleien gehen Volker Latussek auch nach inzwischen acht Jahren der Spieleentwicklung nicht aus – im Gegenteil. Wenn er sich für das jährliche Treffen von Spielern und Entwicklern bewirbt – der International Puzzle Party, stellt sich ihm mittlerweile die Frage, welche seiner zahlreichen neuen Tüfteleien er dort vorstellt. Noch in diesem Jahr wird er zwei weitere Produkte der Öffentlichkeit präsentieren: Dunant – ein Packproblem mit fünf Teilen, benannt nach Henry Dunant, dem Gründer des Internationalen Roten Kreuzes, und Dice Machine – ein sogenanntes Twisted Puzzle  zum 75. Geburtstag von Erno Rubick, dem Erfinder des Zauberwürfels.

Und für 2020 stehen ebenfalls zwei Entwicklungen bereit, darunter der X-Ray-Cube, passend zum 125. Jahrestag der Entdeckung der Röntgenstrahlen in Würzburg. Wieder ein Würfel, wieder mit Bausteinen dicht bepackt. Und trotzdem soll es eine Anordnung geben, die wie durch ein Wunder den Blick durch den Würfel hindurch ermöglicht. Man darf davon ausgehen, dass auch dieses Denkspiel in der Lage ist, Zugreisende entweder in die Verzweiflung zu treiben oder zur Verzückung zu bringen, wenn sich das anfänglich unlösbare Problem irgendwann doch als lösbar erweist. Was den Tower of London betrifft: Volker Latussek braucht nur wenige Sekunden, um die Kugeln aus dem Würfel hinaus und anschließend wieder hinein zu befördern – zu sehen im Video. Sägen oder Äxte sind dafür nicht nötig.

Zum Video

Kontakt

Dr. Volker Latussek, T: +49 931 31-83048, volker.latussek@uni-wuerzburg.de

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