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Herpesvirus entschlüsselt

28.04.2020

Das Erbgut des Herpes-simplex-Virus 1 wurde mit neuen Methoden umfassend entschlüsselt. Dabei fand man hunderte bisher unbekannte Genprodukte. Das Virus löst Lippenherpes aus, kann aber auch lebensbedrohlich werden.

Eine umfassende systembiologische Analyse des Herpesviren-Erbguts hat für Überraschungen gesorgt.
Eine umfassende systembiologische Analyse des Herpesviren-Erbguts hat für Überraschungen gesorgt. (Bild: JuSun / iStock.com)

Bislang hatte die Wissenschaft angenommen, dass es im Erbgut des Herpes-simplex-Virus 1 (HSV-1) etwa 80 sogenannte offene Leseraster gibt. So heißen die Stellen im Erbgut, an denen die Informationen der DNA abgelesen und in Proteine übersetzt werden. Nun steht fest: Es gibt insgesamt 284 solche Leseraster. Diese werden übersetzt und gebildet von hunderten viraler Transkripte, die ebenfalls identifiziert wurden.

Das berichten Forschungsgruppen der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg und anderer Institutionen jetzt im Fachjournal Nature Communications.

„Die neuen Erkenntnisse machen es möglich, die einzelnen Gene des Virus noch viel präziser als bisher zu untersuchen“, sagt Professor Lars Dölken, Leiter des JMU-Lehrstuhls für Virologie. Er war bei diesem Projekt federführend zusammen mit Florian Erhard, JMU-Juniorprofessor für Systemvirologie.

Mehrere Institutionen beteiligt

Für die Studie setzte das Forschungsteam ein breites Spektrum neuester systembiologischer Methoden ein. Beteiligt waren neben der JMU das Max-Delbrück-Zentrum für Molekulare Medizin in Berlin, die Universität Cambridge in England sowie die Ludwig-Maximilians-Universität München.

Die Daten sind nicht nur wichtig für ein besseres Verständnis des Virus selbst. Sie haben auch konkrete Auswirkungen, zum Beispiel auf die Entwicklung von HSV-1-basierten onkolytischen Viren. Das sind Viren, die bei immunologischen Therapien bestimmter Tumorerkrankungen zum Einsatz kommen, etwa beim Malignen Melanom.

Fakten zum Herpes-simplex-Virus 1

Als Verursacher unangenehm juckender Lippenbläschen sind Herpes-simplex-Viren vom Typ 1 (HSV-1) vielen Menschen bekannt. Eine Infektion mit diesem Virustyp kann aber auch gravierende Folgen haben. HSV-1 kann beispielsweise bei Patienten auf Intensivstationen lebensbedrohliche Lungenentzündungen auslösen. Und bei Gesunden kann es Gehirnentzündungen verursachen, die oft bleibende Gehirnschäden nach sich ziehen.

Wer sich einmal mit dem Virus infiziert hat, behält es für den Rest seines Lebens: Herpesviren nisten sich dauerhaft in Körperzellen ein. Dort bleiben sie meistens für lange Zeit unauffällig. Erst unter besonderen Umständen, etwa bei einem schwächelnden Immunsystem, werden sie wieder aktiv.

Geld vom Europäischen Forschungsrat

Lars Dölken erforscht Herpesviren sehr intensiv. Für seine Erfolge auf diesem Gebiet wurde er 2016 vom Europäischen Forschungsrat mit einem Consolidator Grant ausgezeichnet. Der Preis war mit rund zwei Millionen Euro dotiert; das Geld fließt in Studien über Herpesviren.

Publikation

Integrative functional genomics decodes herpes simplex virus 1. Nature Communications, 27. April 2020, DOI: 10.1038/s41467-020-15992-5

Kontakt

Prof. Dr. Lars Dölken, Lehrstuhl für Virologie, Universität Würzburg, T +49 931 31-88185, lars.doelken@uni-wuerzburg.de

Prof. Dr. Florian Erhard, Juniorprofessur für Systemvirologie, Universität Würzburg, T +49 931 31-86523, florian.erhard@uni-wuerzburg.de

Von Robert Emmerich

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