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Heuschrecken navigieren mit doppeltem Kompass

06.10.2020

Wichtige Orientierungshilfe im Kopf: Ein Forschungsteam aus Marburg und Würzburg hat herausgefunden, dass ein Insektenhirn den gesamten Himmel abbilden kann.

Eine fliegende Wüstenheuschrecke unter dem blauen Himmel, eingezeichnet ist das von der Sonne erzeugte Polarisationsmuster.
Eine fliegende Wüstenheuschrecke unter dem blauen Himmel, eingezeichnet ist das von der Sonne erzeugte Polarisationsmuster. (Bild: Keram Pfeiffer / Universität Würzburg)

Wüstenheuschrecken tragen einen Kompass im Gehirn, der den gesamten Himmel in voller Rundumsicht repräsentiert. Diese neue Erkenntnis ergibt sich aus Messungen der elektrischen Aktivität von Nervenzellen, über die Biologen der Universitäten Marburg und Würzburg im Wissenschaftsmagazin PNAS berichten.

Die Heuschrecken der Art Schistocerca gregaria leben in der afrikanischen Wüste und zählen zu den Wanderheuschrecken. Von Zeit zu Zeit legen sie weite Strecken zurück. Das Ziel ihrer Wanderung ist genetisch festgelegt, aber wie sich die Tiere orientieren, gibt noch immer Rätsel auf.

„Verhaltensexperimente haben gezeigt, dass Heuschrecken den Schwingungswinkel polarisierten Lichts wahrnehmen und sich im Flug danach orientieren“, erläutert der Marburger Neurobiologe Professor Uwe Homberg, Mitverfasser der Studie.

Neuronale Repräsentation des Himmels

Werden Sonnenstrahlen in der Erdatmosphäre gestreut, so erzeugen sie am blauen Himmel ein Muster an polarisiertem Licht, das für den Menschen nicht sichtbar ist. „Wir haben die elektrische Aktivität gemessen, mit denen Nervenzellen auf die Richtung reagieren, in der das Licht schwingt“, führt Frederick Zittrell aus, der seine Doktorarbeit in Hombergs Arbeitsgruppe anfertigt und Erstautor der Studie ist. „Diese Messungen haben wir an bis zu 33 Punkten eines virtuellen Himmels vorgenommen“.

Bestimmte Orientierungen des polarisierten Lichts lösen maximale Aktivität der Neuronen aus; „diese Orientierung variiert, je nach Ursprung des Lichts am Himmel“, ergänzt Homberg. „Die Orientierungen über den ganzen Himmel entsprechen Polarisationsmustern, wie sie bei bestimmten Sonnenständen vorkommen. Diese werden im Zentralkomplex des Heuschreckenhirns in einer Art Kompass kodiert.“ Dabei handele es sich um eine neuronale Repräsentation des Himmels, „sozusagen ein erwartetes Polarisationsmuster, das die Tiere mit dem tatsächlichen Muster abgleichen können“, legt Koautor Professor Keram Pfeiffer vom Biozentrum der Universität Würzburg dar.

Zu einem Kompass-Signal verschmolzen

Wie die Wissenschaftler herausfanden, repräsentieren die Zellen einen sehr großen Ausschnitt des Himmels – der Zentralkomplex gleicht einem Kompass, der volle 360 Grad abdeckt. Die Einstellung der Neuronen passt zudem zu den entsprechenden Sonnenständen. „Das Insektenhirn ist damit in der Lage, ohne Sicht auf die Sonne deren Position aus dem Polarisationsmuster des Himmels eindeutig abzuleiten“, konstatiert Pfeiffer.

„Der Zentralkomplex des Heuschreckenhirns fungiert somit als Schaltzentrale für die Navigation“, fasst Homberg zusammen: „Er kombiniert alle verfügbaren Hinweise vom Himmel, um sie zu einem Kompasssignal zu verschmelzen.“

Professor Uwe Homberg lehrt Tierphysiologie mit neurowissenschaftlichem Schwerpunkt an der Philipps-Universität. Professor Keram Pfeiffer leitet eine neurobiologische Arbeitsgruppe an der Universität Würzburg. Die aktuelle Publikation wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft finanziell gefördert.

Publikation

Frederick Zittrell, Keram Pfeiffer, Uwe Homberg: Matched-filter coding of sky polarization results in an internal sun compass in the brain of the desert locust, PNAS, 28. September 2020, DOI: 10.1073/pnas.2005192117

Kontakt

Prof. Dr. Uwe Homberg, Fachgebiet Tierphysiologie, Philipps-Universität Marburg, T +49 6421 28-23402, homberg@biologie.uni-marburg.de

Prof. Dr. Keram Pfeiffer, Lehrstuhl für Verhaltensphysiologie und Soziobiologie, Biozentrum der Universität Würzburg, T +49 931 31-88510, keram.pfeiffer@uni-wuerzburg.de

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Von Pressestelle Uni Marburg

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