Hilfe für ukrainische Forscherinnen
19.07.2022Vier geflüchtete ukrainische Wissenschaftlerinnen arbeiten aktuell an der Universität Würzburg. Möglich macht das auch ein Programm der VolkswagenStiftung, welches die Projekte fördert.
Mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 begann eine immer noch anhaltende Fluchtbewegung aus dem osteuropäischen Staat. Die anschließende Hilfsbereitschaft war auch in Deutschland groß. Unter den Geflüchteten befinden sich auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, für die die VolkswagenStiftung kurzfristig ein Unterstützungsprogramm eingerichtet hatte.
Dabei konnten Anträge für Förderungen von sechs bis zwölf Monaten eingereicht werden, um die Tätigkeit an deutschen Universitäten oder Instituten fortzusetzen.
So fanden vier Forscherinnen den Weg an die Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg. Bei einer fünften steht die Förderung bereit. Ob die Wissenschaftlerin sie antreten wird, ist allerdings noch offen.
Herausforderungen für das Rentensystem
Am Lehrstuhl für Finanzwissenschaft von Professor Hans Fehr beschäftigt sich Olga Tofaniuk mit einem Projekt zum demografischen Wandel in der Ukraine und dessen Auswirkungen auf das Rentensystem. Der Würzburger Professor und die Ökonomin der National Aerospace University in Kharkiv (KhAI) hatten bereits 2014 an einem gemeinsamen Projekt gearbeitet. Als der Krieg ausbrach, versuchte Fehr über verschiedene Kontakte in die Ukraine, Hilfe anzubieten.
Bereits vor dem russischen Angriff hatte die Ukraine mit einem Bevölkerungsrückgang zu kämpfen, welcher durch die Fluchtwelle – im Mai schätzte die UN die Zahl der Geflohenen im Ausland auf über fünf Millionen – erheblich verstärkt wird. Damit einhergehend steigt der Anteil der Rentnerinnen und Rentner an der Gesamtbevölkerung.
Zukunftsperspektiven schaffen
Die Umstände führen zu einer zunehmenden Instabilität des ukrainischen Rentensystems. Dieses müsse deshalb nach der Beendigung des Krieges erneuert werden, heißt es im Förderungsantrag. Dazu brauche es systematische Methoden zur Analyse und Prognose. In dem Projekt soll ein Simulationsmodell entwickelt werden, mit dem die fiskalischen Folgen des demografischen Wandels in der Ukraine untersucht werden können.
„Noch ist das natürlich alles weit weg“, gibt Hans Fehr zu bedenken, „aber es wird eine Zukunft geben, und in der wird die Ukraine solche Modelle brauchen – und Leute, die diese umsetzen können.“ Dazu könnte auch Olga Tofaniuk zählen, die – sobald es die Lage im Land erlaubt – in die Ukraine zurückkehren möchte.
Weitere Forscherinnen an der JMU
Neben Olga Tofaniuk sind auch Anastasiia Dehterenko, Professorin Oleksandra Kologoida und Professorin Vira Shevchuk aktuell mit Unterstützung der VolkswagenStiftung in Würzburg.
Anastasiia Dehterenko von der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine in Kyjiw ist zu Gast am Institut für Politikwissenschaft und Soziologie. Sie ist Politikwissenschaftlerin und Expertin für Ethnopolitik. In ihrem Projekt, das sie mit Carolin Rüger vom Lehrstuhl für Internationale Beziehungen und Europaforschung beantragt hat, wird sie das ethnopolitische Management in der Ukraine untersuchen – einem Staat mit über 130 ethnischen Gruppen. Außerdem soll ein Vergleich mit ausgewählten Staaten der Europäischen Union durchgeführt werden.
Oleksandra Kologoida von der Taras Shevchenko National University (Kyiv) hält sich am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Deutsches und Europäisches Handels- und Gesellschaftsrecht auf. Dort arbeitet sie gemeinsam mit Lehrstuhlleiter Professor Christoph Teichmann mit Fokus auf das Unternehmensrecht an einem Vergleich der Rechtssysteme der Ukraine und der Europäischen Union. Das Ziel des Projektes besteht darin, die rechtlichen Grundlagen für einen späteren Beitritt der Ukraine zur Europäischen Union zu legen.
Vira Shevchuk von der Ivan Franko National University of Lviv befindet sich am von Professor Benedikt Franke geleiteten Lehrstuhl für BWL und Externe Unternehmensrechnung. Unter dessen Vorgänger hatte die promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin während eines Besuchs im Jahre 2018 enge Verbindungen zum Institut geknüpft. In Würzburg ist Shevchuk in ein Projekt eingebunden, das sich mit ESG-Ratings beschäftigt. Solche Ratings versuchen, anhand der drei Kategorien Einvironment, Social und Governance, die Nachhaltigkeit von Unternehmen und deren Geschäften darzustellen.