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Im Tandem zu mehr Verständnis

27.03.2018

Seit 50 Jahren veranstalten die Juristischen Fakultäten der Universitäten in Würzburg und Caen regelmäßig gemeinsame Seminare und tauschen Dozenten aus. Zum Jubiläum haben sie jetzt ein erstes Partnerschaftsabkommen unterzeichnet.

Vertragsunterzeichnung in Caen mit (v.l.): Christoph Weber, Pierre Denise (Präsident der Universität Caen Normandie), Jean-Christophe Pagnucco (Dekan der Juristischen Fakultät Caen), Patricia Gautier (Referentin des Bayerisch-Französischen Hochschulzentrums), Gisela Müller-Brandeck-Bocquet und Stéphane Leclerc. (Foto: Pressestelle der Universität Caen)

Der Beginn liegt im Dunklen, offizielle Papiere existieren nicht. Allein einer Nebenbemerkung in einem Zeitungsartikel, der etliche Jahre später erschienen ist, lässt sich entnehmen, dass das gemeinsame Seminar der Rechtsfakultäten der Université de Caen Normandie und der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) im Jahr 1967 zum ersten Mal stattgefunden hat.

Sicher ist allerdings, dass seitdem alle zwei Jahre deutsch-französische Seminare, mal in Caen, mal in Würzburg, stattfinden – im Wechsel organisiert von den Juristischen Fakultäten beider Universitäten. Eine Woche lang bieten sie französischen und deutschen Jurastudierenden die Möglichkeit, gemeinsam an Rechtsfragen zu arbeiten, das Rechtssystem des jeweiligen Partners kennen zu lernen und – natürlich – Kontakte zu knüpfen und Freundschaften zu schließen.

Vertragsunterzeichnung in Caen

Jetzt – zum 50-jährigen Jubiläum – haben die Beteiligten die Partnerschaft auf „offizielle Füße“ gestellt: Bei einem Treffen in Caen haben Professor Christoph Weber, stellvertretend für den Dekan der Juristischen Fakultät der JMU, sowie Präsident und Dekan der französischen Universität das entsprechende Partnerschaftsabkommen unterzeichnet. Die Unterschrift von Unipräsident Alfred Forchel folgt dieser Tage.

Wer diese Partnerschaft als rein juristische Angelegenheit betrachtet, erfasst allerdings nur das halbe Bild. „Ich sehe diese Kooperation in erster Linie unter einem europäischen Gesichtspunkt“, sagt Professor Christoph Weber. Der Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht und Arbeitsrecht an der JMU betreut das Programm seit 2002 – was auch damit zusammenhängt, dass er fließend Französisch spricht. Gute Beziehungen bilden seiner Meinung nach die Grundlage für ein funktionierendes Europa; dem „deutsch-französischen Tandem“ komme dabei eine besondere Rolle zu.

Genau diese Fragen waren denn auch Thema der Festvorträge, die Gisela Müller-Brandeck-Bocquet, Professorin für Europaforschung und internationale Beziehungen am Institut für Politikwissenschaft und Soziologie der JMU und der Europarechtler Stephane Leclerc von der Uni Caen Normandie anlässlich der Vertragsunterzeichnung gehalten haben.

Ein Beitrag für ein gemeinsames Europa

Gerade in der momentanen Situation Europas, wo in vielen Ländern nationalistische Bewegungen Zulauf verzeichnen, seien gute Beziehungen wichtiger als je zuvor. Und an diesem Punkt seien auch Studierende gefordert: „Es ist zentral für Europa, dass junge Menschen miteinander in Kontakt kommen und voneinander wissen“, sagt Weber. Deshalb setze er „in einem winzigen Bereich“ alles daran, dass dies funktioniert. Das Seminar, hofft Weber, trage einen Baustein dazu bei.

In der Vergangenheit standen die Seminare immer unter einem Leitthema aus einem juristischen Teilgebiet. Aufgabe der Studierenden aus Würzburg und Caen war es dann, spezielle Problembereiche aus der Perspektive ihres jeweiligen Landes und Rechtssystems zu bearbeiten und sich anschließend darüber auszutauschen und die jeweils andere Sichtweise zu diskutieren.

Deutsch-französische Partnerschaft im Blick

Beim Treffen in diesem Jahr war dies anders: „Wir haben diesmal das Seminar unter das Motto ‚50 Jahre deutsch-französische Freundschaft‘ gestellt und dabei stärker als zuvor grundlegende Systemunterschiede in den Blick genommen“, erklärt Christoph Weber. Dementsprechend haben die Teilnehmer beispielsweise die Verfassungssysteme ihrer Länder miteinander verglichen, einen Blick auf unterschiedliche Ansätze der Gewaltenteilung geworfen sowie die jeweiligen Kündigungs- und Mitbestimmungsrechte einer kritischen Betrachtung unterzogen.

Bei grauer Theorie ist es dabei nicht geblieben. Anhand konkreter Fälle aus der Praxis mussten die Studierenden in Kleingruppen Lösungen nach französischem und deutschem Recht erarbeiten und sich gegenseitig erklären. Auch aktuelle politische Themen seien in diesem Jahr auf dem Programm des Seminars gestanden, erzählt Weber. Schließlich seien Fragen wie etwa nach dem Umgang mit Flüchtlingen oder der Ehe unter gleichgeschlechtlichen Paaren in beiden Ländern heiß diskutiert.

Private Kontakte gehören dazu

Worum es dabei nicht geht: „Herauszuarbeiten, dass ein System besser ist als das andere“, sagt Christoph Weber. Auch konkrete fachspezifisch-juristische Ergebnisse stünden nicht an erster Stelle. Viel wichtiger seien der Austausch und der Prozess des gemeinsamen Arbeitens. Dieser Prozess sei in diesem Jahr besonders gut gelungen: Zum ersten Mal haben die Studierenden deutsch-französische Tandems gebildet, die auch ihre Freizeit während des einwöchigen Treffens miteinander verbrachten. Untergebracht waren die Gäste dementsprechend auch nicht im Hotel, sondern privat bei ihren jeweiligen Tandempartnern.

Für Studierende, die an dem nächsten Seminar teilnehmen möchten, hat die Juristische Fakultät spezielle Kurse und Seminare im Angebot – unter anderem semesterbegleitende Kurse in Fachsprachen und ausländischem Recht sowie eine spezielle Einführung ins französische Recht, jeweils im Sommer.

Kontakt

Prof. Dr. Christoph Weber, Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Arbeitsrecht, T: +49 931 31-82339, E-Mail: weber@jura.uni-wuerzburg.de

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