In China Diplomat gespielt
04.09.201814 Studierende der Universität Würzburg verbrachten ein Semester an der Universität Peking. Sie nahmen auch an Asiens größtem Planspiel der Vereinten Nationen teil. Marc Wiede hat dort einen Preis gewonnen.
Stellen Sie sich vor, Sie bestellen Essen beim Lieferdienst. Während Sie darauf warten, ruft der Auslieferer an und sagt: „Ich fahre jetzt los.“ Was bei uns unvorstellbar, ist in China gang und gäbe.
Für den Studenten des Bachelorstudiengangs „Modern China“ an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU), Marc Wiede, war das zunächst gewöhnungsbedürftig und auch eine sprachliche Barriere. „Das war schon eine Konfrontation, weil die Kommunikation am Anfang schwierig war“, sagt er.
Sprachkurse waren Pflicht
Die sprachliche Barriere verschwand sehr schnell, denn um das moderne Hochchinesisch zu lernen, ist das Auslandssemester voll in das Studium integriert. „Anfangs denkt man natürlich: Was habe ich eigentlich gelernt“, sagt Wiede. „Die Chinesen reden ja auch nicht wie im Schulbuch.“ Doch wer täglich mit einer fremden Sprache konfrontiert wird, der lerne schnell. „Wir wurden von der Uni Würzburg auch sehr gut auf das Auslandssemester vorbereitet.“
Zusammen mit Studierenden der Universität Aarhus in Dänemark nahmen die Würzburger Studierenden neben Sprachkursen an Seminaren wie Wirtschaft, Kultur, Geographie oder Kalligraphie an der Universität Peking teil.
Wiede wählte die Themen Medien und Öffentlichkeit sowie Wirtschaft. Weltweit hochaktuelle und teilweise auch brisante Themen. „Trump und die Strafzölle waren täglich ein Thema“, sagt Wiede. In den Seminaren ging es keinesfalls nur darum, ein positives Bild von China zu zeigen. „Wir haben auch die schlechten Seiten kennengelernt. Armut und auch Altersarmut ist in China ein noch größeres Problem als hier“, sagt Wiede.
Diplomatie im Planspiel ausprobieren
Ein weiterer Teil des Studiums an der Universität Peking war die AIMUN – die Asian International Model United Nations. Die AIMUN ist das größte Planspiel der Vereinten Nationen in Asien. Aus Würzburg waren bei der AIMUN 2018 sechs Studierende vertreten. Eine andere Welt, in die die Studierenden für vier Tage eintauchten.
Studierende vertreten bei dem jährlichen Planspiel die Perspektive eines ihnen zugewiesenen Landes in Komitees, zu Themen wie Sicherheit, Umwelt, Wissenschaft oder Konfliktlösung. Ziel sei es einen Konsens zu bilden und eine Resolution zu verabschieden. Eine Herausforderung, denn manchmal muss man so ganz gegen seine eigenen Überzeugungen argumentieren. So wie Wiede: Er vertrat bei dem UN-Planspiel das EU-Austrittsland Großbritannien, aber eine Argumentation gegen die Europäische Union widerspreche seinen eigenen Vorstellungen.
Im Komitee für Umwelt, in dem Wiede das Land vertreten durfte, ging es darum, wie Tourismus nachhaltiger gestaltet werden kann. „Am Ende konnten wir leider keine Resolution verabschieden, weil sich zwei Blocks gegenüber standen“, sagt er. Großbritannien, also Marc Wiede, habe „sehr dafür plädiert, eine Lösung zu finden“. Bei den realen Vereinten Nationen wäre an diesem Punkt in der nächsten Versammlung weiterdiskutiert worden.
Zweidrittelmehrheit – eine Herausforderung
Vor der Versammlung mussten die Teilnehmenden ein Positionspapier verfassen. Darin musste Wiede beschreiben, wie man Tourismus aus der Sicht von Großbritannien nachhaltiger gestalten könnte. Für dieses Papier bekam Marc Wiede den „Best Position Paper Award“ verliehen.
Obwohl Wiede keine Resolution verabschieden konnte, profitiert er von den vier Tagen: „Ich dachte anfangs: Die echten Diplomaten sitzen da zusammen und dabei heraus kommt sowieso nichts und was machen die da eigentlich?“, erklärt er. Doch jetzt habe er gesehen, wie schwierig es sei, einen Konsens zu finden. „Eine Zweidrittelmehrheit zu bekommen, ist da meiner Meinung nach kaum möglich.“
Vor der ersten Rede nervös
So ganz einfach waren die vier Tage allerdings nicht: „Wir haben vorher ein 50-Seiten-Handbuch bekommen, in dem die Verhaltensregeln für die AIMUN standen“, erklärt Wiede. Das fing bei der Kleidung an und hörte auf mit den Verhaltensregeln in der Versammlung. Verhandlungssprache war Englisch. Dazu kam, dass die Studierenden Reden vor rund 60 AIMUN-Abgeordneten halten mussten. „Das war am Anfang schwierig, da war ich schon sehr nervös. Man muss ja auch überzeugend rüberkommen“, sagt Wiede.
Doch es helfe auch, sich selbst besser kennenzulernen. Vor dem UN-Planspiel konnte sich Marc Wiede nicht vorstellen, dass seine berufliche Zukunft auf dem diplomatischen oder politischen Parkett liege. „Vor allem nach der AIMUN, wurde das schon spannend für mich und ich habe gleich geschaut, wie man Botschafter werden kann“, erzählt er. Doch was er später tatsächlich machen möchte, sei überhaupt noch nicht sicher, wie er sagt. „Modern China“ zu studieren biete viele Möglichkeiten, besonders in Firmen, die Kontakte mit China haben.
Zurück in Deutschland
Die Umgewöhnung wieder an die Heimat sei gar nicht so schwer gewesen. Da er eine Asien-Reise angehängt habe, habe er sich wieder daran gewöhnen können, Bargeld zu nutzen, denn in China zahle man mit dem Smartphone. Seltsam sei dennoch das Gefühl gewesen, dass man in Deutschland auf den Autobahnen so schnell fährt, da das in China durch die vielen Staus nicht möglich sei.
In China grüße man sich außerdem häufig auf der Straße. Einfach nur so sage man dort auf der Straße: „Nǐ hǎo“, sprich „Hallo“. „Hier schauen die Menschen mich nur seltsam an, wenn ich ‚Hallo‛ sage“, sagt Wiede. „Die Chinesen bezeichnen die Eigenschaft, dass wir Deutsche erst auftauen müssen um freundlich zu sein, als Langsame Freundlichkeit“, erklärt er.