Intern
  • Blick auf das Gebäude der Neuen Universität am Sanderring im Schnee.

Integration – nicht nur funktional, sondern auch kulturell

16.04.2024

In Dialog-Führungen lernen Zugewanderte im Würzburger Universitätsmuseum Grundlagen der westlichen Bildkultur kennen – und die Museumsleitung eine bisher ungewohnte Zielgruppe. Die Neugier auf beiden Seiten ist groß.

none
Teilnehmende aus Integrationssprachkursen mit Professor Damian Dombrowski im Martin von Wagner Museum vor einem Stillleben des 17. Jahrhunderts. (Bild: Zeynep Sen)

Warum werden in der Barockmalerei Geschichten aus der griechischen Mythologie dargestellt, wenn die Epoche doch längst christlich war? Warum bezahlt in einem niederländischen Genrebild ein Mann – war Einkaufen denn nicht immer schon Frauensache? Solche und ähnliche Fragen werden gestellt, wenn außereuropäische Augen auf westeuropäische Gemälde treffen.

Um diese Erfahrung reicher ist jetzt Professor Damian Dombrowski, der die Neuere Abteilung des Martin von Wagner Museums der Universität Würzburg leitet. Zusammen mit der Stadt Würzburg wurde kürzlich ein Programm initiiert, das Integrationskurse von VHS und Kolping Mainfranken ins Museum führt – bisher in die Gemäldegalerie, die Einbeziehung der Antikensammlung ist geplant.

Thematische Zugänge erleichtern den Einstieg

Die Besuche gehen von einem bestimmten Rahmenthema aus, zu dem dann eine Handvoll Gemälde gemeinsam betrachtet und befragt wird. Den Anfang machte „Essen und Trinken“, aber auch „Zeit“, „Familie“, „Körper“ und andere inhaltliche Schwerpunkte werden in Zukunft erkundet. Solche thematischen Zugänge, die jeder und jedem unabhängig von Herkunft oder Religion gemeinsam sind, erleichtern den Einstieg in die oft fremden Bildwelten.

Davon, dass sie auch die Integration fördern, ist Dombrowski überzeugt: „Sich in einer neuen Umgebung einzuleben heißt eben nicht nur, deren praktische Funktionen kennenzulernen, sondern auch, ein Gespür für die ästhetischen Begriffe und ihre historischen Dimensionen zu entwickeln.“ In Westeuropa, erläutert der Professor für Kunstgeschichte weiter, hätten sich diese Begriffe in immer neuen Bildern verdichtet: „Wo, wenn nicht bei uns, können Zugewanderte ein Gefühl dafür entwickeln, was es mit der Kultur ihres Gastlandes auf sich hat?“

Gemeinsamkeiten und Unterschiede entdecken

Die Bildungskoordinatorin für Zugewanderte bei der Stadt Würzburg, Zeynep Sen, pflichtet ihm bei: „Die interkulturelle Öffnung von Museen hat ein klares Ziel: Wer Interesse an der Geschichte und Kultur seines Wohnortes, an seiner Region und an Deutschland hat, kann sich damit natürlich auch viel eher identifizieren.“ Sen organisiert die soeben angelaufene Kooperation mit dem Martin von Wagner Museum.

Über die Kunstwerke kommen Deutschlernende aus Ländern wie der Ukraine, dem Iran, Syrien, Afghanistan, Aserbaidschan, Somalia, Äthiopien, Ghana, der Elfenbeinküste, Tansania, Haiti oder Venezuela mit der Museumsleitung ins Gespräch. In Gruppen von fünfzehn bis zwanzig Personen entdecken sie Gemeinsamkeiten mit, aber auch Unterschiede zu kulturellen Grundlagen, die sie aus ihren Herkunftsländern gewohnt waren.

Neugierig auf ungewohnte Bildwelten

„Wir spüren eine Menge Neugier auf die oft ungewohnten Bildwelten“, berichtet Dombrowski von den ersten Begegnungen: „Aber auch für uns ist der Kontakt mit diesen unverbildeten Blicken voller wertvoller Begegnungen, denn diese Menschen nehmen in den Bildern oft ganz andere Dinge wahr als wir.“

Der Museumsdirektor nimmt mit seinen neuen Gästen vor allem zwei zentrale Merkmale der (west)europäischen Kunst in den Blick: Zum einen gehöre es zu deren Matrix, dass sie seit ihren Anfängen in permanenter Veränderung begriffen sei; zum anderen begnüge sie sich nicht damit, ein bloßer Spiegel der Welt zu sein, sondern eröffne auch ganz eigene Zugangsweisen zur Welt.

Beides sei in dieser Konstellation nur in wenigen anderen Weltgegenden zu finden. Weil dies aber seit jeher zur kulturellen Dynamik Europas gehöre, hält Dombrowski die Vermittlung an diejenigen, die hierzulande Heimat suchen, für ein lohnendes Unterfangen. Immerhin lassen sich im Martin von Wagner Museum dafür Bestände aktivieren, die 5000 Jahre Kunst- und Kulturgeschichte repräsentieren.

Wissenschaft für die Gesellschaft

„Auf ganz unerwartete Weise ist jetzt die Welt bei uns zu Gast“, freut sich Dombrowski. Wenn das Museum einen kleinen Beitrag dazu leiste, dass aus diesen Gästen einmal Bürgerinnen und Bürger werden, dann komme es damit einmal mehr dem Motto der Universität Würzburg nach, „Wissenschaft für die Gesellschaft“ zu treiben.

Von Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Uni Würzburg

Zurück