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Kein Wundermittel gegen Covid-19

03.08.2021

Hilft das Medikament Ivermectin in der Therapie von Covid-19? Das hoffen und glauben derzeit viele Menschen weltweit. Ein Forschungsteam der Würzburger Universitätsmedizin zeigt jetzt: Die Hoffnung trügt.

Hilft das Wurmmittel Ivermectin bei einer Covid-19-Erkrankung? Die bislang vorliegenden medizinischen Studien lassen diesen Schluss nicht zu.
Hilft das Wurmmittel Ivermectin bei einer Covid-19-Erkrankung? Die bislang vorliegenden medizinischen Studien lassen diesen Schluss nicht zu. (Bild: RafaPress / iStockphoto.com)

Eigentlich ist das Medikament Ivermectin ein günstiges Arzneimittel, das weltweit schon seit Jahrzehnten erfolgreich gegen einen Befall mit Parasiten und Würmer eingesetzt wird. In Europa ist es vor allem aus der Krätze-Behandlung bekannt. Seit gut einem Jahr wird Ivermectin jedoch auch als Wundermittel zur Vorbeugung und Therapie von Covid-19 gehandelt.

Anfang 2020 hatten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Melbourne gezeigt, dass das Medikament in Zellkulturen die Last an Coronaviren um den Faktor 5000 senken kann. Seitdem wird es vor allem in den Ländern Lateinamerikas und Asiens im großen Stil bei Menschen eingesetzt. Doch auch in Österreich berichtet der Hersteller Infectopharm von einem Run auf das Arzneimittel, nachdem dessen Einsatz in der benachbarten Slowakei empfohlen wurde.

Kein Vorteil im Vergleich zur Standardbehandlung

Forscherinnen und Forscher der Klinik für Anästhesiologie des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) haben deshalb jetzt in Zusammenarbeit mit weiteren deutschen Universitätskliniken im Rahmen des „Nationalen Forschungsnetzwerks der Universitätsmedizin zu Covid-19“ in einem systematischen Review untersucht, ob Ivermectin tatsächlich gegen Covid-19 hilft. Unterstützt wurden sie dabei von der Cochrane Infectious Disease Group – einem Netzwerk, das medizinisches Wissen regelmäßig auf den Prüfstand stellt.

Das Ergebnis: Der jetzt veröffentlichte Cochrane Review fand keine Hinweise darauf, dass Ivermectin den Zustand von Erkrankten verbessert oder die Zahl der Todesfälle reduziert – verglichen mit einer Standardbehandlung oder einem Scheinmedikament (Placebo). Auch eine SARS-CoV-2-Infektion verhindern kann das Medikament nach den aktuell vorliegen Erkenntnissen nicht. Allerdings ist die Beweislage aktuell sehr dürftig und erlaubt keine endgültigen Aussagen.

14 Studien mit rund 1700 Beteiligten

Tatsächlich hatten mehrere kleine Studien scheinbar große Effekte von Ivermectin auf die Sterblichkeit der Erkrankten gezeigt. Einer wissenschaftlichen Überprüfung hielten diese Ergebnisse allerdings nicht stand. „Wir haben 14 randomisierte kontrollierte Studien mit insgesamt 1678 Teilnehmerinnen und Teilnehmern in unsere Untersuchung einbezogen“, erklärt die Biologin Dr. Stephanie Weibel, die gemeinsam mit der Ärztin Maria Popp, Hauptautorin des Reviews ist. Beide arbeiten in der Forschungsgruppe „Evidence Based Medicine und Systematische Reviews“ der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie des UKW.

In 13 dieser 14 Studien erhielten leicht bis mittelschwer erkrankte Covid-19-Patientinnen und -patienten entweder eine Standardbehandlung, ein Placebo oder Ivermectin. Eine Studie untersuchte, inwieweit Ivermectin einer SARS-CoV-2-Infektion vorbeugen kann – ohne dies mit einer anderen Form der Prävention zu vergleichen. Weibel, Popp und die weiteren, an dem Cochrane Review Beteiligten, gingen anhand dieser Studien der Frage nach, ob die Gabe von Ivermectin die Zahl der Todesfälle unter Covid-19-Patienten senken kann, ob sich der Zustand der Infizierten durch die Therapie verbessert oder verschlechtert, und welche Nebenwirkungen die Therapie nach sich zieht.

Weitere Studien sind nötig

Die Ergebnisse sind nach den Worten von Stephanie Weibel und Maria Popp eindeutig: „Die aktuelle Evidenz rechtfertigt keine Verwendung von Ivermectin zur Behandlung oder Prävention von Covid-19“, sagen sie. Und schränken gleichzeitig ein, dass dies nur für den Einsatz außerhalb qualitativ hochwertiger randomisierter Studien gelte. Weitere Forschung halten sie vor allem aus einem Grund für nötig: „Die bisher zu Ivermectin durchgeführten Studien hatten vergleichsweise wenige Teilnehmer. Darüber hinaus waren sie von eingeschränkter Qualität in Bezug auf Studiendesign, Durchführung und Berichterstattung“, sagt Stephanie Weibel. Dementsprechend mangele es ihnen an „qualitativ hochwertiger Evidenz“, um Aussagen zur Wirksamkeit und Sicherheit von Ivermectin treffen zu können.

Paul Garner, koordinierender Editor der Cochrane Infectious Disease Group, begrüßte die jetzt vorgelegte Studie: „Dies ist ein großartiger Review von einem hocherfahrenen Team“. Der Hype um Ivermectin wird seinen Worten nach durch einige Studien vorangetrieben, in denen die Effektstärke von Ivermectin nicht glaubwürdig sei. Dies habe die Schlussfolgerungen in anderen bereits publizierten Reviews beeinflusst. Eine kürzlich erschienene Studie, die einen starken positiven Effekt des Medikaments nachgewiesen hat, sei inzwischen sogar als „Fake“ zurückgezogen worden.

Originalpublikation

Ivermectin for preventing and treating COVID‐19. Maria Popp, Miriam Stegemann, Maria-Inti Metzendorf, Susan Gould, Peter Kranke, Patrick Meybohm, Nicole Skoetz and Stephanie Weibel.  Cochrane Library, https://doi.org/10.1002/14651858.CD015017.pub2

Kontakt

Dr. Stephanie Weibel, Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie, T:  +49 931 201 30310, weibel_s@ukw.de

Von Gunnar Bartsch

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