Kinder brauchen Austausch
27.02.2018Psychologen der Universität Würzburg erforschen die Sprachentwicklung von Kindern. Sie möchten herausfinden, wie Vorlese- und Erzählsituationen gestaltet sein müssen, damit Kinder optimal in ihrer Wortschatzentwicklung unterstützt werden.
Um herauszufinden, wie sich das Vorlesen und Erzählen von Geschichten auf die kindliche Sprachentwicklung auswirkt, haben Forscher der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) und der Universität Regensburg in einer Serie von Experimenten rund 350 Kinder sowie in einer längeren Interventionsstudie rund 300 Kinder in verschiedenen Kindergärten in Würzburg und Regensburg besucht. Sie haben ihnen Geschichten erzählt, vorgelesen oder ihre phonologische Bewusstheit, das heißt: ihre Fähigkeit, Wörter in Silben und Laute zu zerlegen, trainiert. Im Februar 2018 startete der zweite Projektzeitraum.
Darin erforschen Wolfgang Lenhard, Professor für Pädagogische Psychologie am Lehrstuhl Psychologie IV der JMU, und sein Doktorand Jan Lenhart, inwieweit sich die Wortschatzförderung langfristig positiv auf schulische Leistungsprobleme auswirken kann. Die Studie führen sie zusammen mit Privatdozent Sebastian Suggate und dessen Doktorandin Enni Vaahtoranta von der Universität Regensburg durch.
Alle Teilnehmenden profitierten von der Studie
Die Wissenschaftler verglichen für ihre Studie drei Gruppen miteinander. Eine Gruppe bekam Geschichten nur vorgelesen, einen Austausch über die Geschichten gab es nicht. Die Vorlesenden antworteten lediglich auf Fragen der Kinder. Einer zweiten Gruppe wurden Geschichten frei erzählt und die Kinder konnten selbst aktiv an den Geschichten miterzählen. „Das hatte den Vorteil, dass die Erzählenden besser auf die Kinder reagieren und sie in die Geschichten einbinden konnten“, sagt Jan Lenhart. So konnten sie ihre Erzählweise verändern, wenn sie merkten, dass die Geschichte nicht mehr interessant genug war, oder die Kinder etwas nicht verstanden hatten.
Die phonologische Bewusstheit wurde bei der dritten Gruppe trainiert. In diesem Training durften Kinder Reime bilden und Silben trennen, sodass sie in der Lage sind, Silben und Laute zu erkennen. „Wir haben bewusst drei Vergleichsgruppen gewählt, bei denen alle Kinder profitieren, nur eben in verschiedenen Bereichen“, erklärt Jan Lenhart die Entscheidung. „Jedes Kind bekommt bei uns irgendeine Form von Unterstützung“, ergänzt Wolfgang Lenhard.
Den größten Zuwachs neuer Wörter konnten die Forscher bei der Gruppe nachweisen, die Geschichten erzählt bekommen hatte. „Die Interaktivität war wichtig, damit die Kinder Wortschatz erwerben können“, sagt Jan Lenhart. „Häufig gibt es die Vorstellung: Viel vorlesen hilft, um viele Wörter zu lernen. Aber dann könnten Eltern ihre Kinder auch vor den Fernseher setzen“, sagt Wolfgang Lenhard. Pures Erzählen entwickle kein Verständnis der Worte über die Geschichte hinaus. „Eltern sollten mit ihren Kindern über die Geschichten reden, damit die Kinder von den Geschichten profitieren“, sagt Jan Lenhart. „Kinder brauchen den Austausch“, ergänzt der Professor.
Erforschung der Langzeitwirkung
In vorhergehenden Studien erforschten die Wissenschaftler bereits die Rahmenbedingungen für den Wortschatzerwerb. Beispielsweise klärten sie, wie Fragen aufbereitet sein müssen, damit Kinder davon profitieren und wie oft neue Wörter vorkommen müssen, damit Kinder sie erlernen können.
Auf dieser Grundlage wollen die Forscher jetzt herausfinden, wie die Langzeitwirkung der Übungen mit den Kindern ist: „Ein Teil der teilnehmenden Kinder ist inzwischen in die Schule gekommen“, sagt Jan Lenhart, „der andere ist noch im Kindergarten.“ Interessant ist, wie sich die Kinder in der Schule entwickeln und ob es Auswirkungen auf schulische Leistungsprobleme gibt.
Kontakt
Jan Lenhart, Lehrstuhl für Psychologie IV, T.: +49 931 31-83550, jan.lenhart@uni-wuerzburg.de