Klinische Genetik wird ausgebaut
19.11.2024Die Universitätsmedizin Würzburg stärkt die Genommedizin mit Professorin Anke Katharina Bergmann. Sie wurde auf die Professur für Klinische Genetik und Genommedizin an die Medizinische Fakultät berufen.
In der Krankenversorgung ist Anke Katharina Bergmann an das Zentrum für Seltene Erkrankungen (ZESE) des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) angebunden. Zuvor war sie stellvertretende Direktorin des Instituts für Humangenetik der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH).
„Gemeinsam mit den anderen Fachdisziplinen möchte ich die Genommedizin noch stärker in die klinische Diagnostik, Prävention und Therapie integrieren. Durch eine genetische Diagnostik und eine klinische Interpretation der jeweiligen Erbinformationen können wir die Kolleginnen und Kollegen dabei unterstützen, Krankheitsbilder besser zu verstehen und so dazu beitragen, individuelle Therapien einzuleiten und ggf. zielgereichte Präventionsmaßnahmen für die Patienten und deren Angehörige anbieten“, so die neue Professorin. Damit leiste die klinische Genetik wichtige Voraussetzungen für eine personalisierte Medizin und fördert somit die zukunftsorientierte Ausrichtung des Standorts Würzburg.
Stärkung der personalisierten Medizin
Der Nutzen personalisierter Medizin zeige sich nicht nur bei den sogenannten „seltenen“ Erkrankungen, sondern auch bei onkologischen Erkrankungen: „Speziell in der Krebsmedizin hat die Genomik stark an Bedeutung gewonnen“, sagt Bergmann. In Hannover baute sie u.a. die nationale genetische Referenzdiagnostik für die akute lymphatische Leukämie (ALL) im Kindesalter auf, der häufigsten Krebserkrankung bei Kindern.
Diese Referenzdiagnostik wird nun mit Professorin Bergmann ebenfalls aus Hannover nach Würzburg wechseln. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt das EU-Projekt „CAN.HEAL“, das Teil des europäischen Krebsbekämpfungsplans ist und dessen Koordination Bergmann in Hannover inne hatte.
UKW wird Teil des bundesweiten Modellvorhabens zur Genomsequenzierung
Am UKW stärkt Bergmann zudem die Teilnahme am bundesweiten Modellvorhaben zur Genomsequenzierung, das ein Ergebnis der Nationalen Strategie für Genommedizin ist. Dabei wird das Erbgut von Patientinnen und Patienten mit Verdacht auf eine seltene erbliche Erkrankung oder Krebserkrankung sequenziert.
Dieses Modellvorhaben ist auf fünf Jahre angelegt, aktuell beteiligen sich 27 Universitätskliniken daran. „Dadurch wird den Patientinnen und Patientinnen eine hochinnovative Diagnostik ermöglicht, gleichzeitig werden neue Erkenntnisse gewonnen, die dann auch auf weitere Krankheitsbilder übertragen werden können, um perspektivisch die Genomsequenzierung auch in die Regelversorgung zu übertragen. Genau diese Translation auch in die Grundlagenforschung und interdisziplinäre Zusammenarbeit ist für mich eine Stärke der Würzburger Universitätsmedizin“, beschreibt Bergmann.
Das werde auch einen direkten Einfluss auf die innovative Patientenversorgung haben, so die Genommedizinerin: „Der große Vorteil an der interdisziplinären Verzahnung liegt darin, dass wir so die Sequenzierungsdaten des Erbgutes mit weiteren klinischen und diagnostischen Daten zusammenführen können. Das unterstützt die behandelnden Ärztinnen und Ärzte in den Kliniken enorm.“
„Wichtiger Bestandteil der zukünftigen Medizin“
„Mit der Berufung von Professorin Bergmann und der kommenden Etablierung des Instituts für klinische Genetik und Genommedizin am UKW werden die bestehenden Möglichkeiten der personalisierten Diagnostik und Therapie konsequent ausgebaut. Damit stärkt sie die enorme Innovationskraft am UKW“, betont PD Dr. Tim von Oertzen, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender am UKW. „Eine Genomsequenzierung kann für betroffene Patienten eine klare Diagnose und gegebenenfalls Therapiemöglichkeit ergeben und damit die Versorgungssituation erheblich verbessern“, so von Oertzen weiter.
Professor Matthias Frosch, Dekan der Medizinischen Fakultät in Würzburg, erklärt: „Die klinische Genetik ist ein elementarer Bestandteil für die zukünftige Medizin. Professorin Bergmann wird dieses Fachgebiet hier in Würzburg entscheidend voranbringen. Davon profitieren auch Forschungsprojekte unterschiedlicher Fachdisziplinen. Ebenso wird das Thema mit Ihrer Berufung auch in der Lehre enorm gestärkt.“
Zur Person
Anke Katharina Bergmann war nach Ihrem Medizinstudium in Berlin und Paris und ihrer Promotion an der Charité zunächst an der Harvard Universität in Boston, USA, in der Kinderheilkunde tätig. Bereits damals beschäftigte sie sich mit der genetischen Grundlage von Blutkrankheiten. Danach war sie von 2009 bis 2018 am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Kiel in der Kinderheilkunde und der Humangenetik tätig. In dieser Zeit absolvierte sie auch Forschungsaufenthalte an der Radboud University in Nijmegen, Niederlande.
Nach Ihrer Habilitation und Facharztanerkennung wechselte Bergmann an die Medizinische Hochschule Hannover. Ab 2019 übernahm sie die Leitung des diagnostischen Labors für postnatale (molekulare) Zytogenetik und Molekulargenetik u.a. für Leukämien & Lymphome, insbesondere auch die nationale genetische Referenzdiagnostik für kindliche Blutkrebserkrankungen.
Zusätzlich etablierte sie ihre Forschungsgruppe Personalisierte Genomik. Im Jahr 2020 übernahm Bergmann die Leitung des B-Zentrums seltener syndromaler Erkrankungen des Zentrums für seltene Erkrankungen und seit 2021 war sie stellvertretende Direktorin des Instituts für Humangenetik der MHH, eines der größten humangenetischen Institute Deutschlands.