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Knorpelimplantate: Aus der Nase ins Knie

19.09.2017

Im Würzburger Translationszentrum „Regenerative Therapien“ dürfen seit Mai dieses Jahres neuartige Gewebeprodukte hergestellt werden. Mit ihnen sollen Knorpeldefekte – vornehmlich im Knie – geheilt werden.

An der Reinraumbank des Translationszentrums „Regenerative Therapien“ in Würzburg werden mit viel Handarbeit Implantate aus patienteneigenem Knorpelmaterial hergestellt. (Foto: Tanja Kraus / Uniklinikum Würzburg)

Das Würzburger Translationszentrum „Regenerative Therapien“ erhielt nach einer umfangreichen Auditierung durch die Regierung von Unterfranken und das Paul-Ehrlich-Institut aus Langen im Mai dieses Jahres die im Arzneimittelgesetz vorgeschriebene Herstellungserlaubnis für biotechnologisch bearbeitete Gewebeprodukte. „Dies war ein essentieller Schritt, um unsere Aufgaben im großangelegten EU-Forschungsprojekt BIO-CHIP erfüllen zu können“, unterstreicht Privatdozent Dr. Oliver Pullig, der als Herstellungsleiter das Verfahren sowohl im Translationszentrum implementierte, wie auch die Herstellungserlaubnis beantragte.

Teil des internationalen Forschungsprojekts BIO-CHIP

BIO-CHIP steht für „Bioengineered grafts for Cartilage Healing In Patients”, auf Deutsch etwa „Biotechnologisch erzeugte Implantate zur Knorpelheilung bei Patienten“. In diesem Projekt steht Forschungseinrichtungen aus Deutschland, Italien, Kroatien und der Schweiz von Ende 2015 bis zum Jahr 2019 eine Förderung in Höhe von fünf Millionen Euro zur Verfügung. Mit dem Geld sollen im Rahmen einer Phase II-Studie bei über 100 Studienpatienten Knorpelschäden am Kniegelenk mit neuartigen, aus körpereigenem Material gezüchteten Knorpelpräparaten behandelt werden. Zielgruppe sind hierbei weniger Menschen mit Arthrose-Problemen, sondern eher Patienten mit örtlich begrenzten, klar umrissenen Knorpeldefekten, wie sie bei Unfällen oder Sportverletzungen auftreten.

Qualitätsrichtlinien wie ein Pharmaunternehmen

Die Herstellung der Knorpelpräparate für die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer aus allen Projektnationen liegt primär in den Händen von Oliver Pullig und seinem Team. „Für eine bestmögliche Patientensicherheit müssen wir dabei die gleichen strengen Qualitätsrichtlinien wie ein Pharmaunternehmen erfüllen“, erläutert der Herstellungsleiter. Neben einer Produktion unter Reinraumbedingungen bedeutet dies bis ins kleinste Detail definierte Verfahrensabläufe und vor allem einen extrem hohen Dokumentationsaufwand.

Nasenknorpel als vorteilhaftes Ausgangsmaterial

Als Ausgangsmaterial für die Implantate dient patienteneigener Nasenknorpel. Dieser hat laut Dr. Pullig einige Vorteile auf seiner Seite. „Beispielsweise lässt sich Nasenknorpel im Vergleich zu einer Knorpelentnahme aus dem Knie einfach und risikoarm gewinnen. Außerdem zeichnet er sich durch eine hohe Wachstumsrate der Zellen aus, die wiederum die Fähigkeit haben, Knorpelgewebe zu bilden“, schildert der Biologe.

Die Mediziner vor Ort entnehmen ambulant eine kleine Gewebeprobe mit einem Durchmesser von etwa sechs Millimeter aus der Nasenscheidewand und senden sie an das Würzburger Translationszentrum. Im dortigen Reinraum lösen Medizinisch-Technische Assistentinnen die Knorpelzellen aus dem Gewebe heraus und vermehren sie 14 Tage lang in diversen Kultivierungsschritten. Anschließend werden 50 Millionen Zellen auf einer drei mal vier Zentimeter großen, aus Collagen bestehenden Stützstruktur angesiedelt.

Zwei Produkte mit unterschiedlicher Reifungszeit

Nach diesem Schritt teilt sich die Produktion in zwei Linien, die sich in der weiteren Reifungszeit unterscheiden: Für das Produkt N-CAM kann das Implantat schon zwei Tage nach der Matrix-Besiedelung speziell gekühlt zu den klinischen Partnern zurückgesandt und dort in den Kniedefekt des Patienten eingenäht werden. Beim Produkt N-TEC dauert der Reifungsprozess bis zur Implantation 14 Tage.

„Eines der Ziele des Forschungsprojekts ist es, den Einfluss des Reifegrades auf die klinische Wirksamkeit zu untersuchen. Sollte die zweitägige Laborreifung für einen Therapieerfolg ausreichend sein, würde diese Beschleunigung nicht zuletzt helfen, das bislang noch sehr teure Herstellungsverfahren auch aus Kostensicht günstiger zu machen“, beschreibt Pullig.

Bislang wurden in den interdisziplinär genutzten Räumen des Universitätsklinikums Würzburg vier Knorpelimplantate hergestellt (Stand: Ende August 2017). Organisatorisch ist das Translationszentrum „Regenerative Therapien“ ein Institutsteil des Würzburger Fraunhofer-Instituts für Silicatforschung.

Pressemitteilung des Universitätsklinikums

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