Wissenschaftsfreiheit und Antisemitismus
04.03.2025Zur Bundestagsresolution gegen Judenhass an Hochschulen äußert sich der Würzburger Professor Frederek Musall in einem Gastkommentar in der Zeitung „Jüdische Allgemeine“.
Der Deutsche Bundestag hat Ende Januar 2025 einen Antrag mit dem Titel „Antisemitismus und Israelfeindlichkeit an Schulen und Hochschulen entschlossen entgegentreten sowie den freien Diskursraum sichern“ angenommen. Die Forderungen des Antrags richten sich an die Bundesregierung. Sie betreffen unter anderem eine Stärkung der Antisemitismusforschung sowie ein stärkeres Vorgehen gegen antisemitisches Verhalten und eine verstärkte Antisemitismusprävention an Schulen und Hochschulen.
Mit dieser Resolution befasst sich Frederek Musall, Professor für Jüdische Studien und Religionswissenschaft an der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg, in einem Essay und in einem Gastkommentar in der Zeitung „Jüdische Allgemeine“.
Resolution markiert einen neuralgischen Punkt
Die Pro-Seite verteidige die Resolution als notwendige Reaktion auf den wachsenden israelbezogenen Antisemitismus, die Contra-Seite werfe ihr eine problematische Regulierung des wissenschaftlichen und politischen Diskurses vor, so Frederek Musall in seinem Essay. Damit markiere die Resolution einen neuralgischen Punkt in der Auseinandersetzung zwischen Wissenschaftsfreiheit, politischer Verantwortung und der Bekämpfung von Antisemitismus.
Eine potenzielle Gefahr bestehe darin, dass analytisch fundierte Kritik an israelischer Politik mit antisemitischen Ressentiments vermengt wird. Das schränke den Debattenraum ein und könne eine Entpolitisierung zu zentralen geopolitischen Fragen bewirken. Gleichzeitig komme es zu einem Vertrauensverlust in die Antisemitismusprävention, wenn der Eindruck entsteht, der Antisemitismusbegriff werde politisch instrumentalisiert, um unliebsame Positionen zu delegitimieren.
Kritik wird schnell zu pauschalisierenden Feindbildern
„Gleichzeitig wäre es verkürzt, die Resolution lediglich als Bedrohung der Wissenschaftsfreiheit zu betrachten, ohne das reale Problem des israelbezogenen Antisemitismus an Hochschulen anzuerkennen“, so der JMU-Professor. Besonders im Kontext des Nahost-Konflikts zeige sich, wie schnell Kritik an der israelischen Regierung in pauschalisierende Feindbilder umschlägt: „Narrative, die Israel dämonisieren, delegitimieren oder nach doppelten Standards bewerten, reaktivieren nicht nur alte antisemitische Muster, sondern haben auch soziale Auswirkungen auf jüdische Studierende: Diese sehen sich in akademischen und sozialen Räumen vermehrt Anfeindungen, Rechtfertigungsdruck oder indirekten Ausgrenzungsmechanismen ausgesetzt.“
Universitäten stünden darum vor der Aufgabe, Wissenschaftsfreiheit und den Schutz jüdischer Studierender gleichermaßen zu gewährleisten, so Frederek Musall. Sie müssten Debattenräume schaffen, die differenzierte Perspektiven zulassen, ohne antisemitische Narrative zu legitimieren.
Letztlich dürfe Wissenschaftsfreiheit nicht als Vorwand für die Verbreitung politischer Feindbilder dienen, sondern müsse der kritischen Reflexion verpflichtet bleiben. Eine effektive Antisemitismusbekämpfung müsse auch konkrete Maßnahmen zum Schutz jüdischer Hochschulangehöriger umfassen.
Weblink: Frederek Musalls Gastkommentar in der „Jüdische Allgemeine“
Kein Platz für Antisemitismus an der JMU
In diesem Zusammenhang betont die Universitätsleitung: „An der JMU studieren, forschen, lehren und arbeiten über 30.000 Menschen aus mehr als 100 Ländern. Erfolgreiche Wissenschaft basiert auf der friedlichen und vorurteilsfreien Zusammenarbeit in einer weltoffenen Hochschule, in der auf Ausgrenzung fußende Feindbilder keinen Platz haben. Jegliche Formen von Diskriminierung, Antisemitismus, Rassismus, Intoleranz, Einschränkungen der Wissenschaftsfreiheit und Gewalt widersprechen den Grundwerten unserer Universität.“
„Die Universität Würzburg sieht es als ihre Verpflichtung und oberste Priorität, ein sicheres, respektvolles und angstfreies Umfeld für alle Studierenden und Mitarbeitenden zu gewährleisten,“ betonte JMU-Präsident Paul Pauli bereits im Oktober 2024: „Alle Mitglieder der Universität sind dazu aufgerufen, für diese Grundwerte einzutreten.“
Antisemitismus als Gegenstand von Forschung und Lehre an der JMU
Antisemitismus ist an der JMU Gegenstand verschiedener Forschungsprojekte, insbesondere an der Professur für Jüdische Studien und Religionswissenschaft von Frederek Musall sowie am Zentrum für Antisemitismuskritische Bildung (Center of Critical Education on Antisemitism, CCEA)
Am CCEA ist das Zusatzstudium „Antisemitismuskritische Bildung für Unterricht und Schule“ (ZABUS) angesiedelt. Mit ihm ist die Universität Vorreiterin auf dem Gebiet im Bereich der Ausbildung künftiger Lehrerinnen und Lehrer.
Auch der Bachelorstudiengang „Diversity, Ethics and Religions“, der zum Wintersemester 2024/25 gestartet ist, kann mittelfristig einen Beitrag zur Prävention leisten. Seine Studierenden befassen sich eingehend mit der Geistesgeschichte verschiedener religiöser und intellektueller Traditionen, einschließlich Judentum, Christentum und Islam, und lernen, diese zu verstehen.