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Kreativ die Herausforderungen meistern

19.07.2022

Praxiserfahrung sammeln, ECTS-Punkte erwerben – und etwas Gutes tun: Lehramtsstudierende der Universität Würzburg helfen, Kinder und Jugendliche aus der Ukraine in den Unterricht an deutschen Schulen zu integrieren.

Teilnehmerinnen und Teilnehmer des PUKI-Seminars. Vorne rechts: Seminarleiterin Simone Gutwerk.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer des PUKI-Seminars. Vorne rechts: Seminarleiterin Simone Gutwerk. (Bild: Jörg Fuchs)

Rund 400 Kinder und Jugendliche kamen infolge des Kriegs in der Ukraine bislang nach Unterfranken. Um sie zu integrieren, ihre Schulbildung zu gewährleisten und ihnen einen Tagesrhythmus – und damit auch Normalität – zu geben, werden sie in hiesige Schulen eingegliedert. Das stellt sowohl die neuen Schülerinnen und Schüler als auch das Lehrpersonal vor Herausforderungen.

Vielfältige Unterstützung

Das Schulamt der Stadt Würzburg und das Praktikumsamt der Universität Würzburg nahmen im März Überlegungen auf, um hier Abhilfe zu schaffen. Gemeinsam entwickelten sie ein „Praktikum für ukrainische Kinder und Jugendliche“ (PUKI): Insgesamt 40 Studierende im Lehramt Grund- Mittel- und Förderschulen entlasten Lehrkräfte in acht umliegenden Schulen, indem sie sich, parallel zum normalen Schulunterricht, um die Kinder und Jugendlichen aus der Ukraine kümmern. Das 60-stündige Praktikum ist so gestaltet, dass täglich mindestens zwei Studierende in der Zeit von 9:30 bis 11:30 Uhr in den Schulen anwesend sind.

„Wir unterstützen die Kinder ganz individuell“, erläutert Ahmed Zaryaab, der sein Praktikum an der Grundschule Heuchelhof absolviert. „Der Fokus liegt dabei auf Deutsch als Zweitsprache, sodass die Kinder den Alltag besser bewältigen können. Der 20-Jährige setzt auf Abwechslung und spielerisch-gestalterische Elemente wie Frei- und Gruppenarbeit sowie Exkursionen. „Wir wollen eine Atmosphäre schaffen, die für die Kinder angenehm ist, und legen auch viel Wert auf die mentalen Bedürfnisse der Kinder.“

Auch haben die Praktikantinnen und Praktikanten ein offenes Ohr für Probleme und Bedürfnisse der neuen Schülerinnen und Schüler und schaffen ihnen Rückzugsmöglichkeiten, wenn die neuen Eindrücke und Anforderungen überhandnehmen.

Entlastung für Schulen

Die Hilfe wird in den Schulen gerne angenommen, denn viele der ukrainischen Jugendlichen sind sehr leistungsorientiert. Der zusätzliche Arbeitsaufwand für Lehrerinnen und Lehrer ist enorm, vor allem, weil sich die Unterrichtsgestaltung von Deutschland und der Ukraine mitunter deutlich unterscheidet.

Das merken auch die PUKI-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer: Die Mehrbelastung, beispielsweise durch die Planung und Erstellung von Unterrichtsmaterialien, ist im Studium deutlich zu spüren. Daher freuen sich die Praktikantinnen und Praktikanten, wenn ihre Arbeit Erfolge zeigt: „Wenn man sprachliche und persönliche Fortschritte der Kinder sieht, macht es einen natürlich sehr stolz“, sagt Anna Schmitt, die ihr Praktikum ebenfalls an der Grundschule auf dem Heuchelhof absolviert.

Das parallel stattfindende Praktikumsseminar bietet eine Möglichkeit sich auszutauschen und zu vernetzen, Unterrichtskonzepte zu testen und über Erfolge sowie Herausforderungen zu berichten. Erleichtert wird die Arbeit der angehenden Lehrerinnen und Lehrer dadurch, dass keine konkreten Leistungsvorgaben an die Kinder und Jugendlichen gestellt werden. Aber auch einzelne Lehrkräfte stehen bei Fragen rund um PUKI zur Verfügung.

Sprache als Barriere, Kreativität als Hilfe

Ein grundlegendes Problem stellt für alle Beteiligten die Sprachbarriere dar. Dort, wo die Möglichkeit der sprachlichen Kommunikation endet, beginnt die Kreativität aller Beteiligten: „Sehr nützlich sind zum Beispiel Broschüren der Flüchtlingshilfe, die viel mit Bildern arbeiten“, erläutert Dr. Simone Gutwerk, die an der Universität Würzburg das Praktikumsamt leitet und PUKI betreut.

Unverzichtbar sind auch Smartphones mit Übersetzungsfunktion und gemeinsame Aktivitäten wie Kochunterricht. Hier lernen die Kinder Vokabeln, machen neue kulinarische Erfahrungen und erhalten beim Einkaufen der Zutaten Einblicke in deutsche Gepflogenheiten. Leichte Kartenspiele, die mit Symbolen und Zahlen arbeiten, helfen beim spielerischen Aufbau des Grundwortschatzes.

Anders als in den üblichen Praktika des Lehramtsstudiums, in denen Studierende als Helfende des Lehrpersonals meist vorgegebene Themen übernehmen, genießen die PUKI-Teilnehmerinnen und Teilnehmer größere Freiheiten: Sie erarbeiten eigenständig Lehr- und Betreuungskonzepte, welche die Integration erleichtern sollen. Um die jungen Flüchtlinge nicht zu überfordern, fließen darin auch spielerische Elemente und Entspannungsübungen ein, die ihnen das Kindsein abseits des Alltags ermöglichen sollen.

Rollenmodelle, Erwartungen und Grenzen

Dabei schlüpfen die angehenden Lehrerinnen und Lehrer mitunter in ganz verschiedene Rollen. Denn die Kinder sehen in ihnen oft nicht bloß Lehrkräfte, sondern auch enge Bezugspersonen, Ansprechpartner bei Problemen und Stützen im Alltag. Hier die richtige Balance zu finden, ist für alle eine große Herausforderung.

Der Rollen-Spagat verlangt neben dem großen persönlichen Einsatz auch viel Fingerspitzengefühl – und er bringt große Verantwortung mit sich: Einige der neuen Schülerinnen und Schüler haben im Krieg und auf der Flucht traumatische Erfahrungen gemacht – denen die einheimischen Lehrkräfte und Studierende anfangs oft hilflos, auch schockiert, gegenüberstehen.

„Der psychologische Faktor bei unserer Arbeit ist eine enorme Herausforderung“, unterstreicht Lehramtsstudent Fabian Krollmann, der sein Praktikum an der Mittelschule Gerbrunn absolviert. „Man kann nur schwer nachvollziehen, was manche Kinder erleben mussten und was sie momentan verarbeiten. Das nimmt einen schon manchmal mit.“

Wie soll man reagieren, wenn einem ein Kind freudestrahlend ein selbst gemaltes Bild überreicht, das ein Flammenmeer und schwarze Kreuze zeigt? Nicht immer steht für solche Fragen eine schulpsychologische Betreuung oder ein Mentoring zur Verfügung. Die Praktikumsgruppe und das PUKI-Seminar ermöglichen den Austausch und gegenseitige Hilfe in solchen Fällen.

Fazit

Auch wenn das Praktikum die zukünftigen Lehrerinnen und Lehrern vor viele Herausforderungen stellt, sind sie sich darüber einig, das Richtige zu tun. Ihr Engagement stärkt das Verantwortungsbewusstsein, fördert Entscheidungsfähigkeit und bereitet in vielerlei Hinsicht auf den späteren Lehrerberuf vor.

Von ihrem Universitätsstudium fühlen sich die Praktikanten gut auf ihre Aufgaben vorbereitet, vor allem in der Didaktik. „Für mein zukünftiges Lehrerdasein nehme ich einiges an Erfahrungen mit“, unterstreicht Anna Schmitt, „auch im Hinblick auf Deutsch als Zweitsprache (DaZ).“ In diesem Bereich, so sind sich die PUKI-Teilnehmerinnen und Teilnehmer einig, wären zusätzliche universitäre Angebote nicht nur für DaZ-Studierende hochwillkommen.

Ein wichtiger Punkt gilt für alle PUKI-Praktikantinnen und Praktikanten: Neben den Kenntnissen und Fähigkeiten, die ihnen das Lehramtsstudium vermittelt hat, hilft ihnen bei den vielfältigen Aufgaben auch die eigene Lebenserfahrung.

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Von Jörg Fuchs

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