Kritischer Diskurs mit dem Minister
12.07.2022Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume war auf Einladung der Würzburger Ortsgruppe des Deutschen Hochschulverbands zu Gast an der Universität. Thema der Diskussion war vor allem das Hochschulinnovationsgesetz.
Die Rolle der Wissenschaft für die Gesellschaft, die Arbeitsbedingungen im akademischen Mittelbau, das bayerische Hochschulinnovationsgesetz: „Das sind Themen, die uns alle beschäftigen; Themen, zu denen jede Menge Gesprächsbedarf besteht.“ Mit diesen Worten eröffnete Professorin Maria Eisenmann am 6. Juli 2022 eine Veranstaltung im Toscanasaal der Residenz mit einem prominenten Gast.
Eisenmann ist Inhaberin des Lehrstuhls für Fachdidaktik – Moderne Fremdsprachen an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) und Leiterin der Würzburger Ortgruppe des Deutschen Hochschulverbands (DHV). Auf deren Einladung hin war Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume an die JMU gekommen. Im Toscanasaal konnte er seine Vorstellungen einer zeitgemäßen und zukunftsorientierten Hochschulpolitik erläutern und sich den Fragen der rund 50 Zuhörerinnen und Zuhörer stellen.
Weichenstellung in der Krise
Das Bild, das Blume zu Beginn seines Impulsreferats zeichnete, war wenig erfreulich: Der Krieg in der Ukraine und damit verbunden die politische Neuordnung Europas, eine sich abzeichnende Energieknappheit, enorme Veränderungen in der Wirtschaft – „Corona, Energie, Inflation: Momentan vollzieht sich vieles in krisenhaften Erscheinungen“, sagte der Minister. Die Frage, die sich daraus ergebe, lautet seiner Meinung nach: „Wie kann man die Weichen für die Zukunft stellen?“
Bei der Suche nach dem richtigen Weg komme der Wissenschaft und der Wissenschaftspolitik eine besondere Bedeutung zu – davon ist Blume überzeugt: „Wissenschaft und Politik lassen Disruption nicht entstehen, sondern gestalten sie.“ Sie würden Lösungsvorschläge für aktuelle und zukünftige Herausforderungen erarbeiten und „ethische Leitplanken“ für deren Umsetzung entwickeln.
Hightech und Innovation
Wie es sich für einen bayerischen Wissenschaftsminister gehört, ist Blume davon überzeugt, dass der Freistaat längst die wesentlichen Weichen gestellt hat, damit Bayern mit höchster Kraft in die Zukunft reisen kann und nicht auf dem Abstellgleis landet. Ein wesentliches Element dabei sei die Hightech Agenda. Dank dieser Initiative habe Bayern die Zahl seiner Professorinnen und Professoren seit dem Jahr 2018 um mehr als 1.200 gesteigert – ein Plus von 18 Prozent. Auch im akademischen Mittelbau gebe es einen Zuwachs von rund 2.500 Stellen.
Mit der Hightech Agenda investiere Bayern also in erster Linie in Köpfe und nur zum Teil in Beton. Damit diese Köpfe auch gut arbeiten können, brauche es jedoch den richtigen Rahmen. Für den sorge das Hochschulinnovationsgesetz, das mittlerweile vom Kabinett verabschiedet wurde und am 1. Januar 2023 in Kraft treten soll. Ein Gesetz übrigens, zu dem Blume bemerkte: „Man kann nicht sagen, dass es nicht intensiv genug diskutiert worden wäre.“
Den Boden für neue Ideen bereiten
Agilität, Exzellenz und Innovation: In diesen Bereichen habe der Freistaat mit dem neuen Gesetz „eine Schippe draufgelegt“, so der Wissenschaftsminister. Um beispielsweise tatsächlich „die besten Köpfe“ zu bekommen, sei das Berufungsrecht angepasst worden und biete jetzt die Möglichkeit sogenannter Fast-Track-Berufungen – wichtig, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können.
Dreh- und Angelpunkt in dem Hochschulinnovationsgesetz sei jedoch das Thema „Innovation“. „Dort waren wir an manchen Stellen mutig und an anderen sehr mutig“, so Blume. Der Kerngedanke dahinter: Technologietransfer und Ausgründungen aus der Universität heraus sollen in Zukunft zentrale Aufgabe werden. Für diesen Punkt hatte die CSU sich viel Kritik aus der Wissenschaft anhören müssen. Doch für Blume steht fest: „Transfer ist kein Add-on, auf das man auch verzichten kann.“ Schließlich gehe es darum, den Boden zu bereiten, auf dem neue Ideen gedeihen können.
Von der Mikro- zur Makrosteuerung
Insgesamt ist der Wissenschaftsminister davon überzeugt, dass Bayern mit dem Hochschulinnovationsgesetz einen Paradigmenwechsel einleitet in der Beziehung zwischen Staat und Universitäten. Die bisherige „Mikrosteuerung“ werde jetzt von einer Makrosteuerung abgelöst. Im Fokus stünden dann die großen Ziele, wie etwa Klimaschutz, Digitalisierung und Qualität von Studium und Lehre, zu denen sich die Universitäten und Hochschulen positionieren müssen. Wie sie diese Ziele erreichen, bleibe ihnen im Detail selbst überlassen.
Und wie sehen das diejenigen, die von diesem Gesetz direkt betroffen sind: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der JMU? Das zeigte sich im Anschluss an Blumes Vortrag in der Diskussion beziehungsweise Fragerunde. Dort standen nach so viel Hightech Agenda erst einmal die Geisteswissenschaften im Fokus.
Appell für die Geisteswissenschaften
So rief Unipräsident Paul Pauli in Erinnerung, dass die JMU eine Volluniversität ist, und verband dies mit der Bitte an die Politik, diese Breite des Angebots auch weiterhin im Auge zu behalten. Dass die Hightech Agenda nicht ausschließlich auf naturwissenschaftliche Fächer fokussiert ist, begrüßte er. Auch Maria Eisenmann äußerte die Sorge, dass im Zuge einer zunehmenden Ökonomisierung der Hochschullandschaft kleine Fächer unter die Räder geraten könnten. Dieser Sorge schloss sich Walter Eykmann, ehemaliger CSU-Landtagsabgeordneter und Honorarprofessor an der Fakultät für Humanwissenschaften der JMU, an.
Peter Hoeres, Inhaber des Lehrstuhls für Neueste Geschichte, brachte seine Sorge zum Ausdruck, dass sich an deutschen Universitäten „eine Cancel Culture mit Macht und Wucht“ ausbreite, und fragte den Minister, ob er dieses Thema auf dem Schirm habe und was er dagegen zu tun gedenke. Rene Pfeilschifter, Inhaber des Lehrstuhls für Alte Geschichte, stellte „die Frage nach dem Geld“. Angesichts des Ukrainekriegs und der Coronapandemie werden seiner Meinung nach die finanziellen Spielräume enger. Deshalb treibe ihn die Sorge um, dass es in Zukunft nicht mehr so viele finanzielle Impulse geben werde. „Können Sie diese Sorge abbauen?“, lautete deshalb seine Frage an Blume.
Ohne kritischen Diskurs geht es nicht
Dessen Antworten waren klar: „Wir leben in Bayern quasi im Paradies. Aber auch im Paradies gibt es nicht alles unbegrenzt.“ Deshalb sei es wichtig, dass die Politik Anreize gebe und Spielräume offen halte, die Universitäten selbst aber ihre eigenen Prioritäten setzen. Das Hochschulinnovationsgesetz soll dafür den geeigneten Rahmen bieten. Ebenso deutlich seine Antwort zum Thema „Cancel Culture“: In einer offenen Gesellschaft sei Freiheit essentiell. Wer anderen vorschreiben will, was sie denken, sagen oder essen dürfen, sei ein falscher Freund einer offenen Gesellschaft. „Ohne kritischen Diskurs haut es nicht hin!“
Deutscher Hochschulverband
Der Deutsche Hochschulverband (DHV) ist die Berufsvertretung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Deutschland. Er versteht sich als Mitgestalter der Hochschul- und Bildungspolitik in Deutschland und vertritt die hochschulpolitischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen der Hochschullehrerinnen und -lehrer gegenüber Staat und Gesellschaft. Seine besondere Sorge gilt dabei dem wissenschaftlichen Nachwuchs.
Kontakt
Prof. Dr. Maria Eisenmann, Lehrstuhl Fachdidaktik – Moderne Fremdsprachen, T: +49 931 31-88529, maria.eisenmann@uni-wuerzburg.de