Kulturpreis für Anglistin
02.11.2021Dr. Christina Domene Moreno von der Uni Würzburg hat für ihre Dissertation in der englischen Sprachwissenschaft einen mit 2.000 Euro dotierten Kulturpreis erhalten.
Wenn Menschen zweisprachig deutsch-türkisch aufgewachsen sind – welche der beiden Sprachen wird dann beim englischen Spracherwerb als Grundlage herangezogen? Dieser Frage ist die Sprachwissenschaftlerin Dr. Christina Domene Moreno in ihrer Doktorarbeit nachgegangen.
„Beyond transfer? The acquisition of an L3 phonology by Turkish-German bilinguals.“ Das ist der Titel der Arbeit, die im März 2021 an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) abgeschlossen und mit summa cum laude bewertet wurde. Jetzt erhielt die 37-jährige Anglistin für ihre Dissertation eine weitere Auszeichnung: den Kulturpreis Bayern.
Die Unternehmensgruppe Bayernwerk AG und das Bayerische Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst vergaben den Preis an 32 herausragende Hochschulabsolventinnen und -absolventen im Freistaat. Dotiert ist die Auszeichnung mit jeweils 2.000 Euro.
Der Preis sei „unglaublich unerwartet“ gekommen, sagt Dr. Christina Domene Moreno. Nach vier Jahren Forschung „im stillen Kämmerlein“ sei es für sie eine große Ehre, gerade aus dem nicht-akademischen Bereich eine so positive Rückmeldung zu erhalten.
Testpersonen waren Schülerinnen, Schüler und Studierende
Dass sich die Preisträgerin in ihrer Dissertation Englisch lernenden deutsch-türkischen Testpersonen zuwandte, hatte mehrere Gründe. „Es handelt sich um eine Gruppe, die in Deutschland häufig vorkommt und die zudem vielleicht noch intensivere Unterstützung bräuchte“, sagt die Sprachwissenschaftlerin. Sie selbst spricht kein Türkisch, doch ihr Doktorvater Barış Kabak, JMU-Professor für englische Sprachwissenschaft, stammt aus der Türkei.
Die Würzburger Anglistin arbeitete mit zwei Testgruppen: Mit zwölf Sechstklässlerinnen und Sechstklässlern und mit zwölf Studierenden, alle mit deutsch-türkischem Hintergrund. Als Vergleichsgruppen stellte sie jeweils Schülerinnen, Schüler und Studierende ohne Migrationshintergrund gegenüber.
Domene Moreno ließ die Testpersonen englische Texte lesen, aber auch frei erzählen. Sie fertigte Tonaufnahmen an und analysierte diese anschließend Laut für Laut. Hinzu kamen Wahrnehmungsexperimente zu verschiedenen Lauten.
Ihre Forschungsthese bestätigte sich bei sämtlichen Testpersonen: Sowohl das Deutsche als auch das Türkische beeinflussen die Lautbildung im Englischen.
Jeden einzelnen Laut genau angehört
„Was allerdings neu war an meiner Studie: Ich schaute ganz genau auf jeden einzelnen englischen Laut“, erläutert die Forscherin. Sie analysierte Laut für Laut, inwieweit das Deutsche und das Türkische dessen Bildung beeinflusst hatten. „Durch meine Erkenntnisse können Mechanismen der Mehrsprachigkeit besser verstanden werden. Das hilft langfristig dabei, mehrsprachig aufgewachsene Kinder besser im Sprachunterricht zu integrieren.“
Ihre Analysen könnten zum Beispiel als Grundlage herangezogen werden, um in einem nächsten Schritt didaktische Leitfäden für den Englischunterricht für deutsch-türkische Lerngruppen zu formulieren. Das allerdings wäre dann nicht Aufgabe der Sprachwissenschaft, sondern der Didaktik.
Werdegang und Forschungsinteressen
Ihr Magisterstudium der englischen Sprachwissenschaft sowie der englischen und der deutschen Literaturwissenschaft begann die gebürtige Ansbacherin in Erlangen. Später wechselte sie an die JMU. Hier ist sie seit Herbst 2015 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für englische Sprachwissenschaft.
Wie interagieren Sprachen und wie funktionieren sie im Zusammenspiel? Wie beeinflussen sie sich gegenseitig und wie lässt sich das messen? Was passiert im sozialen und gesellschaftlichen Bereich, wenn Sprachen aufeinandertreffen? Das sind Fragen, mit denen sich Domene Moreno auseinandersetzt.
Den Fokus legt die Wissenschaftlerin dabei auf die Phonologie. Das ist der Teilbereich der Linguistik, der sich mit der Position von Lauten im Lautsystem beschäftigt.
Phonologie, ein vernachlässigtes Gebiet
Die Phonologie fasziniert sie, weil eine Prägung der Laute sehr früh erfolge, meist in der Kindheit. Ein Akzent in der Zweitsprache halte sich dann oft sehr hartnäckig. Hinzukommen kann eine soziale Komponente. „Spricht ein Mensch mit Akzent, wird er anders wahrgenommen“, sagt die Anglistin.
Gleichzeitig sei die Phonologie im Schulunterricht wie auch in der Forschung ein deutlich vernachlässigter Bereich. Über die Gründe kann die Sprachwissenschaftlerin nur spekulieren: Vielleicht, weil akustische Analysen sehr aufwändig scheinen? Vielleicht, weil sich die Bewertung der Lautbildung schwieriger gestaltet als die von grammatikalischen Fragen. „Der Übergang von richtig zu falsch ist in der Phonologie fließend“, sagt die Forscherin.
Christina Domene Moreno will in ihren kommenden Forschungsvorhaben an der JMU ihren Blick aufs Thema Spracherwerb ausweiten. Neben der Phonologie möchte sie zum Beispiel historische Perspektiven oder Dialektfragen betrachten. Darüber hinaus interessiert sie sich für den Übergang von Sprache zur Musik.
Kontakt
Dr. Christina Domene Moreno, Lehrstuhl für englische Sprachwissenschaft, Universität Würzburg, T +49 931 31-80275, christina.domene-moreno@uni-wuerzburg.de