ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen
18.04.2023Das Sozialpädiatrische Zentrum am Uniklinikum Würzburg startet im April eine Schulungsreihe für Kinder und Jugendliche, die an ME/CFS erkrankt sind. Das Angebot richtet sich auch an Eltern, Geschwister und Lehrkräfte.
Es ist eine der schwersten Folgen von Long-Covid: Myalgische Enzephalomyelitis/ Chronisches Fatigue-Syndrom, abgekürzt: ME/CFS. Am Sozialpädiatrischen Zentrum des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) startet nun im Rahmen einer Studie ein gezieltes Schulungsangebot für betroffene Kinder, Jugendliche und deren Eltern.
Die Schulungen erfolgen innerhalb des Forschungsprojekts „Bayerisches Netzwerk zur Erforschung von ME/CFS (BAYNET FOR MECFS)“ und werden vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst gefördert. Sie sind ein gemeinsames Projekt der Uniklinik-Standorte München und Würzburg. Die Projektkoordination erfolgt am MRI Chronische Fatigue Centrum für junge Menschen (MCFC) des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München.
Symptomatik von ME/CFS
„Die Betroffenen sind schwer chronisch krank und leiden unter der geringen Belastbarkeit mit Fatigue enorm. Selbst einfachste Tätigkeiten wie Zähneputzen oder das Kämmen der Haare können eine Verschlechterung der Symptome auslösen. Die Anforderungen im Schulalltag oder im sozialen Umfeld sind in der Regel nicht mehr zu bewältigen – bis hin zur Bettlägerigkeit“ beschreibt Professorin Juliane Spiegler, Leiterin des Sozialpädiatrischem Zentrums (SPZ) am UKW das Krankheitsbild, das bislang wenig erforscht ist.
ME/CFS entsteht in den meisten Fällen in Folge einer akuten Infektionserkrankung, beispielsweise Grippe, Pfeiffersches Drüsenfieber nach Epstein-Barr-Virus oder einer Coronaviruserkrankung. „Daher sind wir froh, gemeinsam mit dem MCFC in München dieses Schulungsmodell jetzt erproben zu können“, so die Würzburger Neuropädiaterin.
Schulungen finden online statt
Ein Ziel der Schulungen, die online stattfinden, ist die Anleitung zum sogenannten „Pacing“, also dem Einteilen und Managen der eigenen Kraft-Reserven, die durch die Erkrankung stark reduziert sind. „Gerade das ist aber nicht einfach für Kinder und Jugendliche, die zuvor oft sehr aktiv waren, sei es im Sport oder in der Musik, und auf einmal einfach keine Kraft mehr dafür und für ihren Alltag haben“, beschreibt Professorin Spiegler den Leidensdruck.
Auch aus diesem Grund wurde bereits in einem Pilotprojekt vor Schulungsbeginn getestet, wie lange die Dauer der Schulungen überhaupt sein kann. Das Ergebnis: Die ursprünglich geplanten 45 Minuten waren für Betroffene zu lang, daher ist für diese nun eine Schulungseinheit von rund 25 Minuten geplant. Die Teilnehmerzahl ist für jede einzelne Schulungsreihe auf sechs bis acht Personen limitiert. Spiegler betont: „Auch das ist ein wichtiger Faktor: Die Jugendlichen lernen andere Jugendliche und Eltern andere Eltern kennen, denen es genauso geht. Der Austausch kann enorm unterstützend sein.“ Ebenso wichtig sei das Gefühl, ernst genommen zu werden.
Angebote für Betroffene, Eltern, Geschwister und Lehrkräfte
Innerhalb der Schulungsreihe gibt es spezielle Angebote für Betroffene, Eltern, Geschwister und Lehrkräfte. „Für Eltern und Geschwister ist es natürlich eine starke Belastung und große Sorge. Für die Geschwister kommt dazu, dass ihre eigenen Bedürfnisse eventuell angesichts der schweren Erkrankung in der Familie zu kurz kommen. Bei den Lehrkräften geht es darum, Wissen und Akzeptanz zu vermitteln, da die Erkrankung bislang wenig in der Gesellschaft bekannt ist“, erläutert Professorin Spiegler. Sie weiß auch: „Die Erkrankung geht oft mit einer Vielzahl von Arztbesuchen verschiedener Fachdisziplinen einher – nicht selten verbunden mit der Suche nach dem ´heilenden Medikament´. Nur: Dieses eine Medikament gibt es bislang nicht. Aktuell steht eine sorgfältige symptomorientierte Versorgung im Vordergrund. Dadurch wird die Versorgung aufwändiger. Die Akzeptanz dafür fällt oft auf allen Seiten schwer.“
Zugang für Betroffene und Eltern nur nach Diagnose am MCFC
Voraussetzung für eine Schulung der Betroffenen und ihrer Eltern ist die Teilnahme an dem vom Freistaat Bayern geförderten Forschungsprojekt BAYNET FOR MECFS. Dieses Projekt bindet Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bis zu einem Alter von 20 Jahren ein, die in Bayern leben. Die Studienteilnahme beginnt mit einem Studieneinschluss am MCFC in München, wenn der dringende Verdacht auf ME/CFS besteht. Dort erfolgt dann zunächst eine sehr genaue interdisziplinäre Diagnostik. Wenn die Verdachtsdiagnose ME/CFS bestätigt wird, wird die Mitversorgung in Würzburg inklusive Schulungsprogramm angeboten. Hierfür stehen insgesamt 50 Plätze bereit.
Für Geschwister und Lehrkräfte gibt es unterschiedliche Schulungsangebote mit und ohne Studienprogramm, die in Würzburg erfragt werden können. Anmeldungen sind für alle Geschwister und Lehrkräfte offen.
Ziele der Schulungen
Im Rahmen der Forschungsprojekte geht es darum, die Machbarkeit und Akzeptanz der entwickelten Schulungsmodule zu überprüfen und das Schulungsprogramm für die jungen Betroffenen, deren Familien und Lehrkräfte weiterzuentwickeln. Im Rahmen der Routineschulungen für Geschwister und Lehrkräfte wird Basiswissen zur Erkrankung vermittelt.
Professorin Spiegler betont: „Unser langfristiges Ziel ist es, die Schulungsreihe dauerhaft anzubieten. Dazu bedarf es in einem nächsten Schritt einer weiteren Finanzierung, damit das Programm nachhaltig etabliert werden kann. Denn der Bedarf wird sicher zunehmen.“ Die erste Schulungsreihe beginnt am 13. April.
Weitere Informationen zum Schulungsangebot ME/CFS