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Ein Meilenstein für die Pflanzenforschung

01.10.2024

Die Untersuchung des Stoffwechsels in lebenden Pflanzen stellt die Wissenschaft vor Herausforderungen. Forschende der Uni Würzburg und des IPK Leibniz-Instituts haben eine Technik entwickelt, die das in einigen Bereichen ändert.

Nicht-invasive CEST-MRT der Zucker- (links) und Aminosäurenverteilung (rechts) in einer Kiwi.
Nicht-invasive CEST-MRT der Zucker- (links) und Aminosäurenverteilung (rechts) in einer Kiwi. (Bild: IPK)

Die sogenannten „Omics“-Technologien – Genomik, Transkriptomik, Proteomik und Metabolomik – spielen in der modernen Pflanzenwissenschaft und Systembiologie eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, neue Erkenntnisse zu gewinnen. Im Gegensatz zu dem eher „statischen“ Genom sind das Metabolom und die darin gemessenen Produkte allerdings sehr dynamisch. Metabolom: Darunter versteht die Wissenschaft die Gesamtheit aller kleinen Moleküle, auch Metaboliten genannt, in einer biologischen Zelle, einem Gewebe oder einem Organismus. Deren Konzentration schwankt in der Regel sowohl räumlich als auch zeitlich stark.

Um diese Vorgänge zu erfassen, setzt die Biomedizin aktuell auf die Kernspintomographie (NMR) oder die Magnetresonanztomographie (MRT). Mit diesen Techniken sind Funktionsstudien und eine Stoffwechseldiagnostik am lebenden Objekt gut möglich. In der Pflanzenbiologie wird schon seit langem nach einer ähnlichen Methode gesucht.

Eine neue Methode für die Pflanzenforschung

Liefern könnte diese Methode jetzt eine Entwicklung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) und des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK). Der Chemical Exchange Saturation Transfer (CEST) stellt eine neue Methode für die Pflanzen-MRT dar. Sie ermöglicht einen nicht-invasiven Zugang zum Stoffwechsel von Zuckern und Aminosäuren in komplexen Speicherorganen, wie beispielsweise Samen, Früchten, Pfahlwurzeln und Knollen, sowie wichtiger Kulturpflanzen, wie Mais, Gerste, Erbse, Kartoffel, Zuckerrübe und Zuckerrohr.

Verantwortlich dafür waren Peter M. Jakob, Professor für Experimentelle Magnetresonanztomographie an der JMU, und Dr. Ljudmilla Borisjuk, Leiterin der Arbeitsgruppe „Assimilatallokation und NMR“ am IPK. In der neuesten Ausgabe der Fachzeitschrift Science Advances stellt die Gruppe die Ergebnisse ihrer Studie vor.

Wie CEST funktioniert

„Die herkömmliche Bildgebung biologischen Gewebes stützt sich in der Regel auf Signale, die vor allen von hochkonzentrierten Wasser- oder Lipidprotonen stammen“, erklärt Jakob den Hintergrund des Forschungsprojekts. Da die Protonenkonzentration von Metaboliten typischerweise um mindestens drei Größenordnungen niedriger ist als die von Wasser, erfordert der direkte In-vivo-Nachweis von Metaboliten eine wirksame Verstärkung des Metabolitensignals.

Eine Lösung könnte CEST bieten. Bei CEST wird die winzige Magnetisierung der Metabolitmoleküle mehrfach auf die Wassermoleküle übertragen, sodass effektiv ein Verstärkungseffekt um den Faktor 10 bis 1000 auftritt, der mittels Wasser-MRT dann effizient beobachtet werden kann. „Auf diese Weise ermöglicht CEST den Nachweis verschiedener Metaboliten aufgrund ihrer Fähigkeit, Protonen mit Wasser auszutauschen, und liefert so einen zusätzlichen MRT-Kontrast“, erklärt Simon Mayer, Erstautor der aktuellen Studie und Forscher sowohl am IPK als auch an der JMU. „Aufgrund der hohen Empfindlichkeit der Signaldetektion und der geringen Anfälligkeit für Magnetfeld-Inhomogenitäten analysiert CEST heterogene botanische Proben, die für konventionelle Magnetresonanzspektroskopie unzugänglich sind.“

Vielversprechende Ergebnisse

Die Ergebnisse sind nach Ansicht der Beteiligten sehr vielversprechend. „Unsere Studien zeigen, dass CEST ein leistungsfähiger MRT-Ansatz ist, der die In-vivo-Stoffwechselanalyse in Pflanzen erleichtert und trotz der magnetischen Heterogenität der Proben eine mikroskopische Auflösung und dynamische Bewertung der Zucker- und Aminosäureverteilung ermöglicht. Die Anwendung auf verschiedene Pflanzen zeigt, dass CEST zur nichtinvasiven Visualisierung von Metaboliten in unterschiedlichen Pflanzenarten, Pflanzensorten und zur diagnostischen Analyse von Orgnen genutzt werden kann, ohne dass eine vorherige Markierung oder aufwendige Probenaufbereitung erforderlich ist“, erläutert Dr. Ljudmilla Borisjuk.

Das Forschungsteam zeigte in der aktuellen Studie die Dynamik von Metaboliten in sich entwickelnden Samen – eine Analyse, die bisher mit herkömmlichen Techniken nicht möglich war. Für die Pflanzenzüchtung sind die bessere Kenntnis der räumlichen und zeitlichen Dynamik von Zuckern oder Aminosäuren in den Speicherorganen sehr wichtig. Ihre Verteilung beeinflusst den Stofftransport und den Stoffwechsel in vielerlei Hinsicht, und dieses Wissen fließt letztlich in die Verbesserung von Kulturpflanzen ein.

Einblicke in den Stoffwechsel lebender Pflanzen

CEST bietet neue Möglichkeiten zur Analyse dynamischer Veränderungen von Metaboliten in lebenden Pflanzen. Es ist besonders wichtig für das Verständnis der Merkmalsbildung und für die Unterstützung der Züchtung durch In-vivo-Tests der metabolischen Reaktionen auf gentechnische und/oder entwicklungsbedingte Veränderungen.

„Die Visualisierung der Metabolitendynamik in lebenden Pflanzen ist ein hervorragendes Instrument, um strukturelle und metabolische Interaktionen bei der Reaktion von Pflanzen auf sich ständig verändernde Umweltbedingungen besser zu verstehen. Daher ist die Einführung von CEST, das die interne Gewebestruktur und die Metabolitendynamik sichtbar macht, ein wichtiger Meilenstein“, sagt Borisjuk.

Originalpublikation

Mayer et al. (2024): Metabolic imaging in living plants: A promising field for chemical exchange saturation transfer (CEST) MRI. Science Sdvances. DOI: 10.1126/sciadv.adq4424

Kontakt

Prof. Dr. Peter M. Jakob, Lehrstuhl für Experimentelle Physik (Biophysik), T: +49 931 31-85109,  peter.jakob@uni-wuerzburg.de

Von Christian Schafmeister (IPK) / Gunnar Bartsch (JMU)

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