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Mit einer Blutkonserve fing alles an

14.02.2023

Jubiläum für die Transfusionsmedizin und Hämotherapie am Uniklinikum Würzburg: Vor 75 Jahren startete die für viele Patientinnen und Patienten lebenswichtige Arbeit mit Blut und Blutprodukten.

Die allogene Stammzellspende ist fester Bestandteil des heutigen Leistungsspektrums des Instituts für Klinische Transfusionsmedizin und Hämotherapie.
Die allogene Stammzellspende ist fester Bestandteil des heutigen Leistungsspektrums des Instituts für Klinische Transfusionsmedizin und Hämotherapie. (Bild: Angie Wolf / UKW)

Das Institut für Klinische Transfusionsmedizin und Hämotherapie zählt zu den zentralen Einrichtungen des Uniklinikums Würzburg (UKW). „Wir versorgen das gesamte Krankenhaus mit umfassenden transfusionsmedizinischen Leistungen – sowohl in der Diagnostik als auch in der Therapie“, verdeutlicht Professor Markus Böck. In diesem Jahr kann das von ihm geleitete Institut auf eine 75-jährige Geschichte zurückblicken: 1948 stellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Chirurgischen Klinik der Uni Würzburg ihre erste Blutkonserve her. „Das Blut wurde damals in Stanzzylindern gesammelt, die – aus heutiger Sicht kaum mehr vorstellbar – mit einem Wattebausch verschlossen waren“, berichtet Böck.

Erste Blutspende-Zentrale im Freistaat

Zwei Jahre später kamen in einer revolutionären Neuerung erstmals Vakuumflaschen für die Blutspende zum Einsatz. Von dieser Zeit an gab das UKW Konserven auch an andere Kliniken ab – und fungierte damit als erste Blutspende-Zentrale in Bayern. Ausgehend von anfänglich etwa 500 Konserven, stieg die Jahresproduktion in der Folge immer weiter an, so dass zu Beginn der 1960er-Jahre schon rund 6.000 Blutkonserven am Würzburger Uniklinikum hergestellt werden konnten.

In den 1960er- und den Folgejahren erweiterte sich unter der Leitung des späteren Professors Dieter Wiebecke auch das sonstige Leistungsspektrum der Blutspende-Zentrale enorm. Beispielsweise wurde damals die präparative Plasmapherese eingeführt. Bei diesem Verfahren wird außerhalb des Körpers die Plasmafraktion von den Blutzellen abgetrennt. Das Plasma wird gesammelt, die Blutzellen erhält der Spender oder die Spenderin zurück. Was zu Beginn noch manuell durchgeführt werden musste, übernahmen später automatisiert in einem extrakorporalen Kreislauf sogenannte Zellseparatoren.

Zunächst ging es dabei hauptsächlich um das Gewinnen von Passivimpfstoffen – zum Beispiel gegen Tetanus oder Pocken – sowie von anderen Antikörpern, die bereits damals bei Patientinnen und Patienten klinisch eingesetzt wurden. Später wurde auf Basis der Plasmapherese auch gefrorenes Frischplasma hergestellt. „Mit diesen Entwicklungen zählte das Uniklinikum Würzburg seinerzeit zu den bundesweiten Vorreitern der Transfusionsmedizin“, betont Böck.

Therapeutische Zellseparation ab den 1970er-Jahren

Im Jahr 1970 wurde die Blutspende-Zentrale umbenannt in „Abteilung für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie“ und mit Wirkung vom 1. November 1974 erhielt sie den Status einer selbstständigen Abteilung. Diese schaffte 1977 den ersten Zellseparator für die Therapie an. Das Gerät wurde zunächst für Plasmaaustausch-Behandlungen, später auch für sogenannte therapeutische Zytapheresen eingesetzt. Dabei lassen sich gezielt Plasma oder bestimmte zelluläre Bestandteile aus dem Blut von Patientinnen und Patienten entfernen. Diese Methode kommt bei vielen Autoimmunerkrankungen, aber auch bei verschiedenen Leukämie-Formen zur Anwendung.

Nach dem Ausscheiden von Professor Wiebecke übernahm Professor Böck 1999 die Leitung der Abteilung. Unter seiner Führung wurde im Herbst 2001 ein neuer, hochtechnisierter Laborbereich für die hochsterile Herstellung von Stammzellkonzentraten in Betrieb genommen. „Als erstes GMP-Labor des UKW konnten wir die strengen EU-Vorschriften für die eigene Herstellung von Stammzellkonzentraten erfüllen und erhielten die entsprechende behördliche Zulassung“, berichtet Böck und fährt fort: „Bis heute werden dort in quasi vollständig staub- und keimfreier Luft Stammzellkonzentrate bearbeitet und in flüssigem Stickstoff tiefgefroren.“

Im Juli 2007 änderte sich erneut der Status der Transfusionsmedizin am UKW: Die „Abteilung für Transfusionsmedizin“, die bis dahin der Chirurgischen Klinik I zugeordnet war, wurde in das eigenständige „Institut für Klinische Transfusionsmedizin und Hämotherapie“ umgewandelt. Seit dieser Zeit verfügt das UKW über eines der beiden einzigen universitären transfusionsmedizinischen Institute in Bayern.

Stetig wachsende Leistungsvielfalt

Seit dieser Zeit hat sich die Einrichtung kontinuierlich weiterentwickelt und vergrößert. Heute versorgen 66 Beschäftigte das gesamte UKW und einige umgebende Kliniken mit allen transfusionsmedizinischen Leistungen eines modernen Universitätsklinikums. Hierzu gehören nicht nur die Bereitstellung von rund 70.000 Blutkomponenten jährlich, sondern auch die komplette immunhämatologische Labordiagnostik mit über 250.000 Analysen pro Jahr sowie die gesamte HLA-Diagnostik des Klinikums. Letztere spielt vor allem bei der Spendersuche in der Transplantationsmedizin eine wichtige Rolle. Das HLA-Labor des Instituts ist seit 2005 durch die European Federation for Immunogenetics international akkreditiert.

Im Spendebereich werden neben Vollblutspenden vor allem die am UKW in steigender Zahl benötigten Thrombozytenkonzentrate sowie gefrorene Frischplasmen hergestellt.

Das Apheresezentrum des Instituts, das zu einem der bundesweit größten Zentren dieser Art zählt, ist nicht nur für die meisten therapeutischen Apheresen bei Patienten des Klinikums, sondern auch für alle autologen und allogenen Stammzellapheresen bei Erwachsenen zuständig. Mit Hilfe der dort eingesetzten Apheresemaschinen können bei einer Vielzahl von Erkrankungen sehr gezielt bestimmte, zum Beispiel schädliche Blutbestandteile aus dem Kreislauf der Patientinnen und Patienten entfernt werden.

Darüber hinaus verantworten Böck und sein Team die gesamte transfusionsmedizinische Qualitätssicherung am Klinikum.

Stammzellspenderdatei und personalisierte Medizin

Als Besonderheit betreibt das Institut unter dem Namen „Netzwerk Hoffnung“ eine international akkreditierte Stammzellspenderdatei. Diese Datei wurde vor 20 Jahren anlässlich einer Spendersuche für einen Patienten mit Leukämie gegründet und vermittelt seitdem Stammzellspenden von Spenderinnen und Spendern aus Franken in alle Welt. Sie führt regelmäßig Aktionen durch, um immer mehr Menschen zu motivieren, sich als potenzielle Stammzellspender zur Verfügung zu stellen.

Die Personalisierte Medizin, bei der Patientinnen und Patienten spezifische Arzneimittel „maßgeschneidert“ werden, gewinnt in der modernen Forschung zunehmend an Bedeutung. Auch hier ist die Würzburger Transfusionsmedizin intensiv beteiligt. „Immer wichtiger wird beispielsweise die Herstellung und Anwendung von CAR-T-Zellprodukten – im Rahmen von klinischen Studien, aber auch für die Versorgung mit kommerziellen Präparaten“, weiß Böck. Die auf gentechnisch modifizierten, körpereigenen Immunzellen beruhenden CAR-T-Zell-Therapien gehören zu den großen Hoffnungsträgern der modernen Onkologie. Im Apheresezentrum der Transfusionsmedizin werden von den betroffenen Patientinnen und Patienten des UKW diejenigen Blutzellen gewonnen, die dann an anderer Stelle genetisch zu CAR-T-Zellprodukten verarbeitet werden.

Forschungsschwerpunkt Thrombozyten-Konzentrate

In den letzten Jahren entstand am Institut für Klinische Transfusionsmedizin und Hämotherapie ein neuer, durch Drittmittel geförderter Forschungsbereich, der sich mit der Optimierung der Herstellungs- und Lagerungsverfahren von Thrombozyten-Konzentraten beschäftigt. Zunächst klein beginnend, entwickelte sich das Thema zu einem zentralen wissenschaftlichen Schwerpunkt des Instituts.

Engagierte Wissensvermittlung auf allen Ebenen

„Eines unserer besonderen Anliegen war und ist es, das transfusionsmedizinische Wissen auch weiterzugeben“, unterstreicht Böck. So engagiert sich das Institut nicht nur in gemeinsamen Fortbildungen mit der Bayerischen Landesärztekammer, sondern auch in der Facharztweiterbildung für Transfusionsmedizin, in der Ausbildung von Medizinischen Technologinnen und Technologen sowie in der Weiterbildung von Pflegekräften zu Operatoren des Apheresezentrums.

In der ebenfalls mit hohem Einsatz betriebenen studentischen Lehre der Transfusionsmedizin hat die Digitalisierung seit jeher einen hohen Stellenwert. So wurde den Studierenden schon lange vor der Corona-Pandemie die Vorlesung „Transfusionsmedizin“ mit fallbasierten Lerneinheiten vollumfänglich und frei zugänglich online im Internet angeboten. Ab dem Sommersemester 2023 wird ein neu konzipiertes Praktikum hinzukommen, um die speziellen Abläufe bei der Bluttransfusion auch realitätsnah einüben zu können.

Abschied von Markus Böck

Im Frühjahr 2023 wird der aktuelle Institutsdirektor aus Altersgründen ausscheiden. „Wir danken Professor Böck für seinen unermüdlichen Einsatz“, betont Professor Jens Maschmann. Der Ärztliche Direktor des UKW ist sich sicher: „Das Institut für Klinische Transfusionsmedizin und Hämotherapie wird sich auch unter neuer Leitung mit vielleicht neuen Schwerpunkten weiterentwickeln und auch in Zukunft ein unverzichtbarer Leistungsträger unseres Klinikums in der Patientenversorgung sowie in Forschung und Lehre sein.“

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Von Pressestelle UKW

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