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Mit Virtual Reality für den echten Notfall rüsten

15.10.2024

Eine Studie der Würzburger Universitätsmedizin zeigt, dass Virtual-Reality-basierte Simulationen ein vielversprechendes Instrument sind, um die notfallmedizinischen Kompetenzen von Assistenzärztinnen und -ärzten zu testen.

Bei lebensbedrohlichen Erkrankungen ist schnelles Handeln gefordert. In der Lehrklinik können angehende Ärztinnen und Ärzte diese Fähigkeit in virtueller Realität trainieren.
Bei lebensbedrohlichen Erkrankungen ist schnelles Handeln gefordert. In der Lehrklinik können angehende Ärztinnen und Ärzte diese Fähigkeit in virtueller Realität trainieren. (Bild: Annett Köhler / AG VR Simulation im Medizinstudium)

Mit einem aus drei Notfallszenarien mussten sich 21 Assistenzärztinnen und -ärzte des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) auseinandersetzen. Es konnte sich um eine lebensbedrohliche Magenblutung, einen Herzinfarkt mit schweren Herzrhythmusstörungen oder eine akute Verschlechterung einer chronischen Lungenerkrankung handeln.

Dies geschah jedoch in der virtuellen Realität der Lehrklinik, einer Lehr- und Übungseinrichtung der Medizinischen Fakultät der Universität Würzburg, in der an Modellen, Simulationspatienten und Simulatoren grundlegende praktische ärztliche Fertigkeiten erlernt und trainiert werden können. Dort wurde im Rahmen einer Pilotstudie das Potenzial von Simulationen in Virtual Reality (VR) zur Vorbereitung des medizinischen Nachwuchses auf komplexe notfallmedizinische Situationen untersucht. 

Pilotstudie liefert wertvolle Einblicke

„Der Umgang mit Notfallsituationen, die schnelle klinische Entscheidungen erfordern, stellt im Klinikalltag eine besondere Herausforderung dar“, so Dr. Tobias Mühling, Leiter der Lehrklinik. Gemeinsam mit Professorin Sarah König, Leiterin des Lehrstuhls für Medizindidaktik und Ausbildungsforschung des UKW, hat er die Studie im International Journal of Emergency Medicine veröffentlicht.  

Ältere Studien zeigen, dass der medizinische Nachwuchs bei der Arbeit mit Simulationspersonen und in Notfallsituationen meist schlechter abschneidet als bei Routineaufgaben. Nach Ansicht der Autorinnen und des Autors liefert ihre Pilotstudie wertvolle Einblicke in die Stärken und Schwächen des medizinischen Nachwuchses zu Beginn der beruflichen Laufbahn. Sie zeige auch mögliche Verbesserungen für das vorausgegangene Studium.

Knapp zwei Drittel der erforderlichen Maßnahmen korrekt durchgeführt

Die Assistenzärztinnen und -ärzte mit bis zu sechs Monaten Berufserfahrung schnitten in der Diagnostik und bei allgemeinen stabilisierenden Maßnahmen recht gut ab. Verbesserungsbedarf zeigte sich jedoch bei krankheitsspezifischen, therapeutischen Maßnahmen. Darunter fällt die Entscheidung für eine nicht-invasive Beatmung oder die Behandlung eines langsamen Herzrhythmus‘ nach aktuellen medizinischen Leitlinien.

Im Durchschnitt wurden 65,6 Prozent der erforderlichen Maßnahmen korrekt durchgeführt, ohne signifikante Unterschiede zwischen den verschiedenen Szenarien. Mühling betone, dass diese Ergebnisse nicht überraschen, da die jungen Ärztinnen und Ärzte gerade in die Weiterbildung eingetreten waren. Dabei erlernen sie, spezifische Erkrankungen zu behandeln und unter Aufsicht durch Fachärztinnen und -ärzte zu arbeiten.

Selbsteinschätzung und Ergebnisse stimmen nicht immer überein

Die Leistung der Teilnehmenden wurde automatisch anhand einer spezifischen Checkliste bewertet, die dem Szenario zugeschnitten wurde. Zusätzlich führten die Teilnehmenden eine Selbsteinschätzung sowie einen Test zur klinischen Entscheidungsfähigkeit durch.

In diesem Test erreichten sie eine durchschnittliche Punktzahl von 80,5 Prozent, was auf eine solide Fähigkeit zur Bewältigung diagnostischer Entscheidungen hinweist. Die Selbsteinschätzung der eigenen Fähigkeiten stimmte jedoch nicht immer mit den objektiven Leistungsergebnissen überein. Die Notwendigkeit objektiver Tests werde dadurch deutlich gemacht.

VR-Simulationen als wertvolles Training

Aus den Ergebnissen der Pilotstudie zieht die Erstautorin Franca Keicher das Fazit, dass „unsere Teilnehmenden zwar gut auf Routinetätigkeiten vorbereitet sind, dem Management komplexer Fälle aber mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte.“ Generell seien VR-Szenarien eine interessante neue Möglichkeit, sich ein umfassendes und praxisnahes Bild von den notfallmedizinischen Kompetenzen neuer medizinischer Fachkräfte sowohl im diagnostischen als auch im therapeutischen Bereich zu machen.

VR-Simulationen seien aber nicht nur ein Beurteilungsinstrument, sondern auch ein wertvolles Training als Ergänzung zur traditionellen medizinischen Ausbildung. „Die Technologie ermöglicht eine praxisnahe und gleichzeitig sichere Umgebung, in der junge Ärztinnen und Ärzte ihre Fähigkeiten verbessern können“, so Mühling. „Nun haben wir klare Hinweise darauf, wo wir in der Lehre gezielt ansetzen können“, resümiert König.

Publikation

Virtual reality for assessing emergency medical competencies in junior doctors – a pilot study. Franca Keicher, Joy Backhaus, Sarah König und Tobias Mühling. Int J Emerg Med 17, 125 (2024). https://doi.org/10.1186/s12245-024-00721-2

Von Pressestelle UKW

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