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Modellieren für die Biologie

12.02.2019

Nach dem Studium der reinen Mathematik wollte Sabine Fischer verstärkt anwendungsbezogen arbeiten. Sie wandte sich den Lebenswissenschaften zu – und ist nun seit kurzem Professorin in der Fakultät für Biologie.

Prof. Dr. Sabine C. Fischer, Supramolecular and Cellular Simulations, Center for Computational and Theoretical Biology (CCTB) der Fakultät für Biologie der Universität Würzburg.
Prof. Dr. Sabine C. Fischer, Supramolecular and Cellular Simulations, Center for Computational and Theoretical Biology (CCTB) der Fakultät für Biologie der Universität Würzburg. (Bild: Daniel Peter)

„Ziel meiner Arbeit ist es, grundlegende Gesetzmäßigkeiten in der Biologie herauszuarbeiten“, sagt die Wissenschaftlerin. Ihr Schwerpunkt liegt dabei auf den Wechselwirkungen der Zelle mit ihrer Umgebung. Wie interagieren einzelne Zellen in Geweben mit ihren Nachbarn, wie werden sie von den Eigenschaften ihrer Nachbarn beeinflusst?

Diese Fragen geht Sabine Fischer (36) in einem interdisziplinären systembiologischen Ansatz an. Er umfasst die Datengewinnung bei Experimenten, die quantitative Auswertung und die mathematische Modellierung. Fischer arbeitet dabei eng mit Experimentatoren in der Biologie zusammen; ihre Arbeitsgruppe kümmert sich um die Auswertung und Modellierung der Daten.

Zum Oktober 2018 ist Fischer einem Ruf an die Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) gefolgt. Hier ist sie Professorin für supramolekulare und zelluläre Simulationen am Center for Computational and Theoretical Biology (CCTB) der Fakultät für Biologie.

Zahl der Nachbarzellen kann großen Einfluss haben

Bisher hat die Mathematikerin mit Biologie-Gruppen in Cambridge und Frankfurt gearbeitet. Dabei wurden Zell-Zell-Wechselwirkungen bei der Entwicklung der Fruchtfliege Drosophila melanogaster und bei der frühen Entwicklung von Mausembryonen untersucht.

„Wir haben unter anderem herausgefunden, dass die Anzahl der Nachbarn einen wesentlichen Einfluss auf eine Zelle haben kann“, sagt Fischer. Bei der frühen Entwicklung des Mausembryos zum Beispiel werden Zellen, die von neun Nachbarzellen umgeben sind, zu embryonalem Gewebe. Dagegen entwickeln sich Zellen mit mehr oder weniger Nachbarn zur Plazenta und zu anderen Geweben, die rund um den Embryo herum entstehen.

Fischers Gruppe hat Methoden entwickelt, um dreidimensionale in-vitro-Kulturen aus Krebszellen oder embryonalen Mausstammzellen zu charakterisieren. „Für Aggregate aus Mausstammzellen haben wir kürzlich gezeigt, dass sie ein gutes Ersatzmodell sind, um Zell-Zell-Interaktionen im frühen Mausembryo zu untersuchen.“ Diese Ergebnisse sind im Biophysical Journal veröffentlicht.

Lehre für Studierende der Biologie und der Mathematik

Für die Studierenden der Biologie und der Mathematik will die neue Professorin das systembiologische Lehrangebot der JMU um die Themen quantitative Datenauswertung und zelluläre Simulationen ergänzen.

„Bei meiner Arbeit mit Experimentatoren und Theoretikern ist mir aufgefallen, dass die beiden Gruppen oft noch unterschiedliche Sprachen sprechen“, sagt Fischer. Experimentatoren legen demnach sehr viel Wert auf Details, während Theoretiker mehr in abstrakten Konzepten denken. Experimentatoren schrecken häufig vor Gleichungen zurück, während Theoretiker bei zu vielen unterschiedlichen Abkürzungen leicht den Überblick verlieren.

„Ich denke, dass für den Erkenntnisgewinn in der Biologie beide Herangehensweisen wichtig sind.“ Darum möchte die Professorin den Biologiestudierenden das konzeptionelle Denken näher bringen. Den Studierenden der Mathematik will sie zeigen, dass die Biologie ein tolles Anwendungsfach ist, in dem es noch viele spannende Prozesse zu untersuchen gibt.

Werdegang von Sabine Fischer

Sabine Fischer, Jahrgang 1982, ist in Ludwigshafen aufgewachsen. Ihr Mathematikstudium an der Universität Würzburg schloss sie 2005 ab, danach ging sie für ihre Doktorarbeit an die Universität Nottingham in England. Sie arbeitete dort bereits an der mathematischen Modellierung eines biologischen Prozesses.

„Nach der Promotion wollte ich dann mehr Kontakt mit experimentell arbeitenden Biologen haben“, sagt die Mathematikerin. Das gelang ihr als Postdoc am Genetik-Department der Universität Cambridge in England: Ihr Schreibtisch stand dort direkt im Labor. „Der tägliche Austausch mit den Kollegen war unglaublich lehrreich. Ich habe die Arbeitsweise der Biologen kennengelernt, ihren Laboralltag und auch die Hürden, vor denen die sie bei der Akquise von experimentellen Daten stehen.“

Nach zwei Jahren in Cambridge ging Fischer 2011 zurück nach Deutschland und forschte als Senior-Postdoc am Buchmann-Institut für Molekulare Lebenswissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt. Die Zeit dort bezeichnet sie als absoluten Glücksfall: „Das Team von Professor Ernst Stelzer hat ein 3D-Fluoreszenzmikroskop entwickelt, mit dem sich die Entwicklung kompletter Drosophila-Embryonen untersuchen lässt. Dort konnte ich viele tolle dreidimensionale Datensätze analysieren.“

2017 wechselte sie als Entwicklungsingenieurin zur Frankfurter Firma h.a.l.m. Dort lernte sie Forschung und Entwicklung speziell für Anwendungen der Photovoltaik noch einmal aus einer ganz anderen Perspektive kennen. Zum 1. Oktober 2018 kam Sabine Fischer dann als Professorin an die JMU.

Publikation im Biophysical Journal

„Mouse ICM Organoids Reveal Three-Dimensional Cell Fate Clustering”, Biena Mathew, Silvia Muñoz-Descalzo, Elena Corujo-Simon, Christian Schröter, Ernst H.K. Stelzer, Sabine C. Fischer, Biophysical Journal, 16. November 2018, https://doi.org/10.1016/j.bpj.2018.11.011

Kontakt

Prof. Dr. Sabine C. Fischer, Supramolecular and Cellular Simulations, Universität Würzburg, T +49 931 31-83961, sabine.fischer@uni-wuerzburg.de

Homepage Sabine Fischer

Sabine C. Fischer bei ResearchGate

 

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