Neue Gelehrtentafeln am Uniklinikum
19.11.2019Zahlreiche bedeutende Mediziner haben in Würzburg gelehrt und geforscht. An neun von ihnen erinnern jetzt Gelehrtentafeln, die im Universitätsklinikum an prominenter Stelle aufgehängt wurden.
Zum Beispiel Georg Ganter: Ein Name, mit dem vermutlich selbst unter Medizinern nur wenige etwas verbinden können. Dabei war Ganter ein Pionier der Inneren Medizin. In seiner Zeit als Professor an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) zwischen 1922 und 1926 hat er erkannt, dass sich das Bauchfell zur Entgiftung eignet. Als Erster hat er am Patienten sogenannte Peritoneal- beziehungsweise Pleuraspülungen zur symptomatischen Therapie eingesetzt und damit erfolgreich Giftstoffe aus dem Blut entfernt – was vor allem für Patienten, die an einem Nierenversagen litten, eine deutliche klinische Verbesserung bedeutete.
Jetzt erinnert eine Tafel an prominenter Stelle im Zentrum für Innere Medizin (ZIM) des Universitätsklinikums Würzburg an den Mediziner – zusammen mit acht weiteren Tafeln, auf denen so bekannte Namen zu lesen sind wie beispielsweise Rudolf Virchow oder Carl Caspar von Siebold, aber auch – außerhalb ihres Fachgebiets – weniger bekannte wie etwa Johann Georg Heine oder Albert von Bezold. Ihr gemeinsames Merkmal: Sie alle haben eine Zeit lang an der JMU gelehrt und geforscht, sie alle haben in ihrer jeweiligen Disziplin Herausragendes geleistet.
Umbruchzeiten in der Medizin
„Diese Tafeln hängen hier, in der Nähe zum Hörsaal des Zentrums für Innere Medizin, an der richtigen Stelle. So können sie bei der jungen Generation ein historisches Bewusstsein erzeugen in einer Zeit, in der die Medizin von einem ähnlichen Umbruch betroffen ist wie im 19. Jahrhundert – der Zeit, in der die meisten der jetzt geehrten Mediziner tätig waren.“ Mit diesen Worten begrüßte Professor Georg Ertl, der Ärztliche Direktor des Universitätsklinikums, die neuen Gedenktafeln.
Im 19. Jahrhundert sei die Medizin vor der Herausforderung gestanden, sich zu einer exakten Wissenschaft zu verändern und habe dabei ihre Position im Umfeld bereits etablierter Naturwissenschaften wie Physik und Chemie erst noch finden müssen. Schon damals sei die Befürchtung geäußert worden, dass dabei der Patient auf der Strecke bleiben könne, so Ertl. Ganz anders, aber trotzdem vergleichbar sei die Situation heute: „Die fortschreitende Entwicklung der Informatik und der Siegeszug der künstlichen Intelligenz sind der Auslöser dafür, dass ärztliches Handeln neu überdacht werden muss“, sagte Ertl. Schließlich gebe es mittlerweile Stimmen, die behaupten, dass künstliche Intelligenz den Arzt bald ersetzen werde.
JMU: Forschungsstark früher und heute
„Herausragende Forscherpersönlichkeiten sind für Universitäten ein bedeutendes Attribut“, sagt Unipräsident Alfred Forchel in seinem Grußwort. Vor allem in den Naturwissenschaften und in der Medizin habe die JMU bewiesen, dass sie besonders forschungsstark sei – in der Vergangenheit, wie die Gelehrtentafeln zeigen, aber auch in der Gegenwart, wie eine Vielzahl von hochrangigen Preisen für ihre Forscherinnen und Forscher beweisen. Natürlich seien Universitäten auch ein Ort der Lehre, so der Unipräsident. Was sie allerdings vorantreibe, sei in erster Linie die Forschung. Dementsprechend lautete Forchels Fazit: „Was uns auszeichnet ist die Forschung. Die Gelehrten, an die wir jetzt mit diesen Tafeln erinnern, haben dies auf beispielhafte Weise getan“.
Die Gelehrtentafeln – eine Initiative von Alumni
Die lange Tradition der Universität Würzburg im Stadtbild sichtbar machen und an berühmte Wissenschaftler erinnern, die hier gelehrt und geforscht haben: Mit diesem Ziel lässt die Universität schon seit einigen Jahren sogenannte Gelehrtentafeln an Häusern und Einrichtungen anbringen, in denen früher einmal bekannte Wissenschaftler gewohnt oder gewirkt haben. Umgesetzt wird das Projekt von Universitätsarchivar Dr. Marcus Holtz gemeinsam mit dem Präsidialbüro.
Die Initiative zum Projekt „Gelehrtentafeln“ ging von drei Alumni aus, von den Professoren Horst Brunner, August Heidland und Walter Eykmann. Ihnen ist es ein Anliegen, Universitätsgeschichte präsent und erfahrbar zu machen.
Bei Universitätspräsident Alfred Forchel stießen die drei mit ihrem Vorschlag auf begeisterte Zustimmung: „An den Tafeln können die Bürgerinnen und Bürger im Vorbeilaufen sehen, dass hier einmal Persönlichkeiten lebten, die mit ihren wissenschaftlichen Leistungen die Welt verändert haben“, so der Präsident.
Mit den neun neuen Gelehrtentafeln erhöht sich die Gesamtzahl dieser Erinnerungsorte im Würzburger Stadtgebiet jetzt auf 51. Geehrt werden damit 32 Wissenschaftler aus vergangenen Jahrhunderten – manche von ihnen mit mehreren Tafeln, beispielsweise weil sie mehrmals innerhalb der Stadt umgezogen sind oder weil sowohl an ihrem Wohnort als auch an ihrer Arbeitsstätte an sie erinnert wird.
Die neuen Gelehrten sind:
Ernst von Bergmann (* 16.12.1836 in Riga † 25.3.1907 in Wiesbaden; von 1878 bis 1882 Professor an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Lehrstuhl für Chirurgie)
Von Bergmann war Wegbereiter der Hirnchirurgie und einer der bedeutendsten deutschen Chirurgen; wegen seiner Innovationen in der Wundbehandlung, wie dem Einsatz von dampfsterilisiertem Verbandsmaterial, gilt er als „Vater der Asepsis“.
Albert von Bezold (* 7.1.1836 in Ansbach † 2.3.1868 in Würzburg; von 1865 bis 1868 Professor an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Lehrstuhl für Physiologie)
Von Bezold ist Wegbereiter der modernen Kardiologie, indem er die Existenz eines Gehirnzentrums für die psychische Beeinflussung des Herzschlags postulierte. Er ist außerdem Entdecker des Bezold-Jarisch-Reflexes, eines vom Herzen ausgehenden Schonreflexes.
Adolf Eugen Fick (* 3.9.1829 in Kassel † 21.8.1901 in Blankenberge; von 1868 bis 1899 Professor an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Lehrstuhl für Physiologie)
Fick ist ein Wegbereiter der modernen Muskelphysiologie; er entwickelte das „Ficksche Prinzip“ zur Ermittlung des Herzminutenvolumens.
Georg Ganter (* 18.4.1885 in Unterschönmattenwag † 5.5.1940 in Rostock; von 1922 bis 1926 Professor an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Professur für Innere Medizin)
Ganter ist ein Pionier der Peritonealdialyse, mit welcher erstmals durch die erfolgreiche Entfernung von Giftstoffen eine klinische Besserung bei Nierenversagen erreicht werden konnte.
Johann Georg Heine (* 3.4.1771 in Lauterbach (Schwarzwald) † 7.9.1838 in Den Haag; von 1824 bis 1828 Demonstrator der orthopädischen Maschinenkunde an der Julius-Maximilians-Universität)
Heine ist ein Wegbereiter der Orthopädie in Deutschland durch die Entwicklung und Verbesserung mechanischer Behandlungsverfahren und weiterer maßgeblicher Erfindungen auf dem Gebiet der chirurgischen Mechanik.
Friedrich Daniel von Recklinghausen (* 2.12.1833 in Gütersloh /Westfalen † 26.8.1910 in Straßburg; von 1865 bis 1872 Professor an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Lehrstuhl für Pathologische Anatomie und Geschichte der Medizin)
Von Recklinghausen ist der Entdecker der Mobilität und Phagozytose-Fähigkeit von weißen Blutzellen und damit Wegbereiter der modernen Entzündungslehre. Außerdem ist er Erforscher der nach ihm benannten von-Recklinghausen-Krankheit des Knochens.
Johann Lukas Schönlein (* 30.11.1793 in Bamberg † 23.1.1864 ebenda; von 1824 bis 1832 Professor an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Lehrstuhl für Innere Medizin)
Schönlein war Wegbereiter der modernen Medizin durch die Abschaffung spekulativer Ansätze zugunsten von naturwissenschaftlichen Methoden. Er erkannte erstmals die Tuberkulose als eigenständiges Krankheitsbild und beschrieb erstmals die Purpura-Schönlein-Henoch, eine immunologisch bedingte Entzündung der kleinen Blutgefäße.
Carl Caspar von Siebold (* 4.11.1736 in Nideggen † 3.4.1807 in Würzburg; von 1769 bis 1807 Professor an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Lehrstuhl für Anatomie, Chirurgie und Geburtshilfe)
Von Siebold ist Mitbegründer der modernen Chirurgie durch neue Operationsmethoden und Hygienemaßstäbe. 1805 führte er den ersten modernen Operationssaal der Welt ein.
Rudolf Virchow (* 13.10.1821 in Schivelbein † 5.9.1902 in Berlin; von 1849 bis 1856 Professor an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Lehrstuhl für Pathologie)
Virchow gilt als Begründer der Zellularpathologie, indem er den Nachweis erbrachte, dass Krankheiten auf Störungen der Körperzellen beruhen. Er setzte sich für eine medizinische Grundversorgung der Bevölkerung ein.
Kontakt
Universitätsarchiv Würzburg, Dr. Marcus Holtz, T +49 931 31-86032, uniarchiv@uni-wuerzburg.de